Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

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Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

Beitrag von PR »

im Bezirk Südbaden hat mir heut – wie noch jedes Quartal seit 1/1992 - einen amtlichen Bescheid zugesandt, der „Honorarbescheid Quartal 4/2018“ überschrieben ist und zehn Seiten A 4 umfasst.

Acht Seiten konnt ich gleich entsorgen. Ob ich die letzte Seite aufheb, weiß ich noch nicht, denn da steht: ich hab von der Selbstverwaltung nix zu kriegen, und ich schuld ihr auch nix. Grad so, wie es eben normal ist, wenn man wie ich eineinhalb Jahre lang nicht mehr Kassenarzt ist und die fünfundsiebzich Euronen Negativhohnorar aus dem Jahr 2016 bereits im Januar beglichen hat.

Sollte man meinen, jedoch steht da ja auch noch: „Die Honorarabrechnung steht unter dem Vorbehalt folgender nachträglicher Korrekturen aufgrund … „ (es folgen zwei Spiegelstriche). Alles wie gewohnt.


Mein Grund, das hier zu posten, ist jedoch Seite acht. Die ist so lesenswert, dass ich mir jetzt mal noch nachts um halb zwölfe die Müh mach, sie abzutippen.

Dringender Hinweis zur Verordnungsweise von Arznei- und Heilmitteln zur Regressvermeidung
Die vom Gesetzgeber vorgegebene Wirtschaftlichkeitsprüfung bei veranlassten Leistungen, insbesondere im Bereich der Arzneimitteltherapie, führt jährlich zu zahlreichen Prüfverfahren, wenn beispielsweise Ihr Ihr Praxisindividueller Richtwert (PiRW) um mehr als 25 % überschritten wird. Ebenso sind wir bedauerlicherweise mit zahlreichen Einzelfallprüfanträgen der Krankenkassen konfrontiert (z.B. bei Verstoß gegen die Arzneimittelrichtlinie, der Rezeptur sog. fiktiver Arzneimittel und weiteren).

Um Ihnen größtmögliche Sicherheit vor einem ggf. hieraus hervorgehenden Regress bzw. Nachforderung in teilweise erheblicher Höhe geben zu können, beinhaltet der Ihnen vorliegende Honorarbescheid eine Frühinformation Ihres Verschreibungsverhaltens bei Arzneimitteln und im Sprechstundenbedarf (anlagen 71 und 76) mit wertvollen Hinweisen auf die Einhaltung des Praxisindividuellen Richtwertes und ggf. Hinweise auf Verstöße gegen die Arzneimittelrichtlinie oder die Sprechstundenvereinbarung. Wir bitten Sie dringend diese Hinweise zu beachten, um Ihnen eine rechtzeitige Überprüfung Ihres Verschreibungsverhaltens zu ermöglichen.

Aufgrund zeitversetzt zur Verfügung stehender Heilmitteldaten ist eine „Frühinformation“ Heilmittel nicht möglich.
Die Heilmittel relevante individuelle Praxismorbidität findet bei Heilmitteln in Form sog. Besonderer Verordnungsbedarfe und dem Langfristigen Heilmittelbedarf Berücksichtigung, indem Patienten mit bestimmten ICD 10 zu definierenden Diagnosen mit zeitlich begrenzt oder langfristig erhöhtem Behandlungsbedarf faktisch nicht mehr in das jeweilige Verordnungsvolumen eingehen.
Für weitere Fragen…


Fehlt noch: ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit !
Fehlt nicht mein Wunsch: möge ein System, das Solches nötig hat, endlich vollends in Frieden ruhen.

PR
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Dr.med.Holger Fischer
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Re: Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

Beitrag von Dr.med.Holger Fischer »

Hallo lieber PR,
so etwas habe ich auch erhalten und gut 1 Jahr später ( oder länger, habe ich nicht mehr in Erinnerung) wurden von mir 100 Euro erbeten wegen kleiner Fehler bzgl. Sprechstundenbedarfs.
Grüße Dr. Fischer
Unter Bezugnahme auf § 7 (3) der Berufsordnung für Ärzte ist mein Beitrag eine Stellungnahme,die auf den vorliegenden Angaben beruht .Sie ersetzt aber nicht die persönliche Beratung, Untersuchung und Behandlung durch Ihren Arzt.
PR
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Die Gnade der frühen Beendigung des Kassenarztdaseins

Beitrag von PR »

war da wohl auf Ihrer Seite. Solli Herr Fischer ! Ich krieg derlei Mist seit 01.11.17 jedes Quartal, ein Ende ist nicht abzusehen.

Kennen Sie einen sogenannten "Jungarzt", dem sie ein solches System empfehlen oder auch nur zumuten wollen würden ? Ich nicht.

Ein solches System ist am Ende, mein' ich.

PR
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Re: Die Gnade der frühen Beendigung des Kassenarztdaseins

Beitrag von PR »

war da wohl auf Ihrer Seite. Solli Herr Fischer ! Ich krieg derlei Mist von meiner geliebten Zwangskörperschaft jedes Quartal seit 01.11.17 , ein Ende ist nicht abzusehen.

Kennen Sie eine sogenannte "Jungärztin", wenn's schon kaum noch "Jungärzte" gibt,
der sie ein solches System empfehlen oder auch nur zumuten wollen würden ?

Ich nicht. Ein solches System ist am Ende, mein' ich.

PR
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Humungus
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Re: Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

Beitrag von Humungus »

Dieses System ist längst nicht am Ende. Was gäbe es Besseres für einen Herrscher, als dass seine Untertanen sich eigenständig anfangen zu verwalten, auszubeuten und zu kujonieren? Befeuert durch korrumpierendes Geld entsteht eine Funktionärskaste, deren einziges Ziel es ist sich selbst zu erhalten. Und das alles auch noch auf Kosten der Geknechteten! Die sich nicht einmal wehren, weil sie erstens der Meinung sind es ginge nicht besser und zweitens gelernt haben, dass sie nur zu schreien brauchen um Brosamen zu erhalten.

Stellen Sie sich das vor, PR: jemand macht Ihnen völlig für lau jede beliebige unangenehme Tätigkeit. Wäre das nicht zu schön um wahr zu sein? Nun, im Gesundheitswesen gibts das. Und darum wird das auch so bleiben, bis der letzte Niedergelassene verschwunden ist.
Augenarzt? Flatrate. Für nur 18 Euro all you can (tr)eat, ein ganzes Quartal lang! DAS ist heutige Gesundheitspolitik.
Dr.med.Holger Fischer
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Re: Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

Beitrag von Dr.med.Holger Fischer »

Lieber Humungus,
" Und darum wird das auch so bleiben, bis der letzte Niedergelassene verschwunden ist."-ich denke, so weit wird es nicht kommen, niederlassungswillige Ärzte wird und muß es immer geben. Selbst das marode Gesundheitswesen wird so etwas nicht verhindern können.
Grüße Dr. Fischer
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Humungus
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Re: Die Selbstverwaltung der Kassenärzte

Beitrag von Humungus »

Die Niederlassung wird nur soweit geduldet, wie sie politisch notwendig ist. Nicht umsonst werden seit Jahren ausschließlich Haus- und in geringerem Umfang auch Kinderärzte hofiert. Der neidergelassene Facharzt ist der Politik längst ein Dorn im Auge, sollte er doch lieber in Polikliniken den Staubsauger für lukrative Operationen geben. Nur die Tatsache, dass Konzerne in den Flächen nicht genug Gewinn sehen, führt dazu, dass dort Fachärzte noch geduldet werden. Wären die Krankenhäuser stärker, gäbe es keine Praxen mehr, man muss nur in die Niederlande sehen, wo mit einem Federwisch der Niedergelassene verschwand.

Auch der Privatsektor ist leicht nachhaltig zu beschädigen. Eine Methode ist das Erschweren von Privatleistungen, wie es längst Alltag ist: vorher schriftliche Vereinbarung, der Arzt muss prüfen, ob sich der Patient die Behandlung leisten kann, Teilnahme am KV-Notdienst auch für Privatärzte. Der nächste Schritt - die vorherige Beratung und eine Zwangs-Denkzeit für den Patienten von mindestens 24 Stunden, liegt längst in der Schublade. Dies führt dazu, dass die Privatleistungen doppelt so viel Zeit verlangen. Und der endgültige Hieb wäre die Abschaffung der GOÄ bzw. die Vereinheitlichung des Tarifs im Kassensystem. Dann gäbe es nur noch reine Selbstzahler, denn die PKVen würden gerne auf die ambulante Versorgung verzichten und viel einfacher Geld bei stationären Zusatztarifen verdienen. Nun mag als Gegenargument kommen, in der Täterä und auch im Ostblock wären auch Privatleistungen möglich gewesen bzw. auch heute noch möglich. Das stimmt - aber keine Sorge: der deutsche Bürokrat ist da gründlicher, der kriegt das schon hin und auch weg.

Leider, leider sind Abiturienten und Medizinstudenten nicht dumm, und so kommt es, dass sich immer weniger Ärzte (bzw. immer weniger Arbeitsstunden bei mehr Köpfen) finden. Das hemmt den Systemumbau erheblich, können ausländische Ärzte naturgemäß besser ausländisch als deutsch. Und außerdem sind auch die nicht dumm und suchen, wenn sie schon die Heimat verlassen, lieber woanders Glück und Geld. ZU ärgerlich!

Die Selbstverwaltung jedoch sieht dem Ganzen stillschweigend zu, wenn sie nicht noch zu allem Überfluss versucht ein eigenes System auf die Beine zu stellen, damit die Granden nicht nur reich, sondern stinkreich werden. Ich kann und werde niemals verstehen, wie um alles in der Welt man derart korrupt und skrupellos wie KVen und Ärztekammern sein kann. Aber ich bin ja auch kein Politiker und habe es immer abgelehnt in die Politik zu gehen. Ich kann nämlich nicht gut lügen und antworte auf Fragen thematisch stringent.
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Wer braucht denn so eine Selbstverwaltung ?

Beitrag von PR »

Seit dem sogenannten Dritten Reich braucht und nutzt sie der jeweils amtierende Bundesgesundheitsminister.

Er braucht sie, um Leute, die ihn noch jedesmal in vielerlei Hinsicht locker in die Tasche stecken könnten, nieder zu halten, bloß halt politisch nicht. So nieder, dass die unter seiner öffentlichrechtlichkörperschaftlichen Knute gleich gar nicht mucken können.

Funktionärstypen eben. Weiß wohl, warum ich die hasse.

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