Hallo,
unbestritten ist hingegen, dass jedes Jahr 10.000 Menschen sterben, weil Spenderorgane lieber verbrannt werden oder im Boden verrotten.
Sorry, aber DAS als Rechtfertigung für eine staatlich angeordnete Enteignung des Körpers vorzubringen, ist aus meiner Sicht nichts anderes als das Zünden Spahnscher Nebelkerzen auf rhetorisch ganz billigem Niveau.
Zum einen ist die Frage völlig ungeklärt, woraus sich eine über den moralischen Aspekt hinausgehende Pflicht ableiten soll, dass ein Mensch, der es sich eben so wünscht, nicht im Ganzen verbrannt oder begraben werden darf. Oder anders formuliert, ob eine juristische Verpflichtung über den Tod hinaus besteht, einem anderen Menschen eventuell das Leben verlängern zu müssen. Ich denke, wenigstens im Sterben sollte man endlich seine Ruhe vor Gängelei von Staat und von Zeigefinger hebenden Mitmenschen haben dürfen. Zumal den heute schlechten Ruf der Organspende nicht der potenzielle Spender, sondern andere zu verantworten haben.
Zum anderen, und das wurde bereits erwähnt, gefällt mir das "weil" überhaupt nicht. In der Medizin sind einfache Wenn-Dann-Zusammenhänge eher die Ausnahme. Dazu sollte man wissen, dass transplantierte Patienten prinzipbedingt auch dann Hochrisikopatienten bleiben, wenn die Transplantation als solche erfolgreich war. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die besagten 10.000 Menschen nicht nur versterben,
weil sie vergeblich auf ein Organ gewartet haben, sondern vielleicht auch verstorben wären,
wenn sie ein Organ erhalten hätten. Und natürlich berücksichtigt diese Milchmädchenrechnung auch nicht die Abgrenzung krankheitsspezifischer von z.B. altersspezifischer Mortalität. Von der oft hochgradig eingeschränkten Lebensqualität, die der schwere Eingriff und die dauerhafte Immunsuppression oft nach sich ziehen, ganz zu schweigen.
Natürlich kann man argumentieren, dass eine Widerspruchslösung kein Problem ist, weil es ja (angeblich) keinen Unterschied macht, ob man einem Eingriff nicht zustimmt oder ihm widerspricht. Wer das jedoch tut, verkennt die soziale Natur des Menschen und wie friedliches Zusammenleben normalerweise funktioniert. Mit der Formulierung "
Pflicht zur Datenspende" haben ja erst kürzlich einige helle (oder besser durchgebrannte) Köpfe in gesundheitspolitischer Spitzenposition gezeigt, zu welcher sprachlichen Perversion man, trotz bereits verspielten Vertrauens, mittlerweile fähig ist.
Widerspruchslösungen kennen wir zur Genüge aus dem Kleindruckten in Abo-Verträgen von Daten- und Finanzjongleuren aller Art.
"Der Vertrag verlängert sich automatisch um x-zig Jahre, wenn er nicht bis zum ... formgerecht gekündigt wird".
"Wir sind berechtigt, alle Ihre Daten zu speichern/verarbeiten/weiterzugeben, sofern Sie nicht ausdrücklich schriftlich widersprechen"
Sie basieren allesamt auf der Ausnutzung menschlicher Schwächen, z.B. dass man Kündigungsfristen versäumt, das Kleingedruckte gar nicht erst liest oder einfach auf das Gute im Menschen vertraut. Kurzum fühlen sich Menschen regelmäßig über den Tisch gezogen, wenn Schweigen als Zustimmung uminterpretiert wird. Dass man in diesem Falle sogar noch als Sterbender über den Tisch gezogen wird, macht die Sache nicht besser.
Es spricht nichts dagegen, die Menschen vernünftig aufzuklären, ihre Vorbehalte zu entkräften und sie auf geeignetem Weg um Zustimmung zu bitten. Aber sie mit billigen Taschenspielertricks zu irgendetwas zwingen zu wollen, hilft am Ende weder den Betroffenen auf der Warteliste, noch stellt es das Vertrauen in das Organspendensystem wieder her.