Sterbehilfe

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PR
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Re: Lebenshilfe

Beitrag von PR »

Bei den Animisten in Westafrika vor 35 Jahren war das so:

Mensch war jemand erst, wenn sie / er die ersten zwei Lebenswochen gesund lebend überstanden hatte und zeremoniell in die Familie aufgenommen war. War das "von Natur aus" nicht der Fall, war der Mutter lediglich eine Sache abhanden gekommen. Und als tot galt nur eine/r, an den keine/r mehr dachte, was einen umfangreichen Totenkult zur Folge hatte.

Beides hat den Menschen dort viel Leid erspart.

Solche Schutzmechanismen beruhen auf uraltem Menschheitswissen und sind in den meisten Kulturen und Religionen anzutreffen. Ich finde es töricht und unmenschlich, sowas verschütt gehen zu lassen oder gar bewußt zuzuschütten

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Christianes Herz
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Lebenshilfe

Beitrag von Christianes Herz »

Hi PR,
ich erlaube mir gerade einfach, Ihre Posts bis hierhin zu werten und freue mich ungemein, dass Sie hier überhaupt diesen Faden bedienen. Letztendlich kommen wir uns nun quer über die Begrifflichkeit "Leid". Richtig? Gestern nacht ist eine kleine 3-Jährige im engeren Bekanntenkreis an einer Stoffwechselkrankheit verstorben. Ca. 8 Wochen lange zuhause "direkt" gestorben bzw. verhungert und verdurstet. Friedlich und ohne sichtbare Schmerzen. Die Eltern haben es nicht geschafft. Die sind auseinander. Es dauerte zu lange.
Grüße
Christiane
dora
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von dora »

Bei den Animisten in Westafrika vor 35 Jahren war das so:
bei uns vor ca. 70 Jahren war das auch mal ganz anders, da wurden behinderte Menschen einfach euthanasiert.

Wir sind hier in Deutschland heute, und Gott sei dank nicht in Westafrika vor 35 Jahren.
dora
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Re: Lebenshilfe

Beitrag von dora »

Christianes Herz hat geschrieben:Hi PR,
ich erlaube mir gerade einfach, Ihre Posts bis hierhin zu werten und freue mich ungemein, dass Sie hier überhaupt diesen Faden bedienen. Letztendlich kommen wir uns nun quer über die Begrifflichkeit "Leid". Richtig? Gestern nacht ist eine kleine 3-Jährige im engeren Bekanntenkreis an einer Stoffwechselkrankheit verstorben. Ca. 8 Wochen lange zuhause "direkt" gestorben bzw. verhungert und verdurstet. Friedlich und ohne sichtbare Schmerzen. Die Eltern haben es nicht geschafft. Die sind auseinander. Es dauerte zu lange.
Grüße
Christiane
es kommt leider oft vor, dass Eltern sowas nicht schaffen. Genau so wie sich Eltern oft trennen wenn ein Kind getötet wird, sei es durch einen Unfall oder gar ein Verbrechen. :(
PR
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2014, in einem anderen Land in Westafrika

Beitrag von PR »

unterstützt mein Verein einen einheimischen Abbé. Der hatte zu Studienzeiten auch mal Lourdes besucht und sich dabei gefragt, wo denn in seiner Heimat die von Geburt an Kranken sind. Und dort dann herausgefunden: die werden bis heute beizeiten ums Leben gebracht, meistens vergiftet, dafür gibt's da Profis. Vor zwei Jahren hat der Abbé begonnen, für solche Kinder und für die zahllosen AIDS-Waisen, die zehn Jahre Bürgerkrieg hinterlassen haben, ein Waisenhaus zu bauen.

"Bei uns" 1982 gab es einen Sumpf ein paar km vor dem Städtchen, der war tabu. Dort seien die bösen Geister, hieß es. Kann man wohl so sagen. Denn dort wurden Früh oder mit Mißbildungen Geborene oder zweite Zwillinge oder aus Steißlage oder bereits mit einem Zahn Neugeborene einfach ausgesetzt. Ein solches Kind hatte mir damals ein Großvater gebracht, ich solle den Zahn ziehen. Hab erst aufgehört, mich zu weigern, als mir der Großvater erklärt hatte, er müsse es sonst erschlagen.

Der Helmut Schmidt hat schon Recht. Unsere Sozialsysteme stellen den Kulminationspunkt der kulturellen Errungenschaften der Menschheit dar.

Danach gehts wieder bergab.

PR
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Guten Tag,

eine sehr gute und akuelle Berichterstattung zum Thema und eine weitere Facette (Nahrungsverzicht) finden sich übrigens hier:

http://www.aerzteblatt.de/archiv/153496 ... des-Lebens
http://www.aerzteblatt.de/archiv/158359 ... lungsweise

Gruß

A. Flaccus
Dr. A. Flaccus
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dora
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von dora »

hallo,
finde das auch recht gut, aber mir fehlt da noch was.

Wie sieht es aus mit dem Patienten der im Koma liegt, z.B. nach einen Unfall. Er kann sich ja nicht entscheiden ob er verhungern und verdursten will, er hängt ja an Geräten. Wäre es auch da gerechtfertigt, wenn die Angehörigen sagen es wäre sein Wille, alles abzuschalten und zu warten bis der Tod eintritt ?

Zum anderen kann es sein, dass Menschen das lange Sterben ( ohne Essen und Wasser ) zu lange dauert, zu qualvoll ist, die wären dann ja gezwungen in die Schweiz zu fahren.
Ich meine einfach dass ein erwachsener Mensch unter bestimmten Voraussetzungen doch selbst über sein Leben und wie er es beenden will entscheiden können sollte.
Christianes Herz
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von Christianes Herz »

Ja, die Zeit. Die Dauer des Sterbevorganges. Bei meiner Mutter und dem kleinen Mädchen, von dem ich weiter oben erzählte, handelte es sich um mehrere Wochen. Beide hat man wie in einer der letztgenannten Quellen (Dr. A. Flaccus) beschrieben, sterben lassen.
Beruhigend betr. Schmerz und Frieden der Sterbenden und das ist natürlich das Wichtigste.
Aber die Dauer. Dieses lange Warten. Das ist der Punkt, der mich so rat- und fassungslos macht.

Frdl. Grüße
Christiane
dora
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von dora »

Dieses lange Warten. Das ist der Punkt, der mich so rat- und fassungslos macht
meinst du nun für den Sterbenden oder für die Angehörigen, oder gar beide ?
Christianes Herz
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von Christianes Herz »

dora hat geschrieben:meinst du nun für den Sterbenden oder für die Angehörigen, oder gar beide ?
Guten Morgen,
ich denke an beide. Auf jeden Fall. Ich sehe keinen Sinn darin, dass jemand lange (egal ob tage- oder wochenlang) stirbt. Auch wenn es den Anschein hat, dass der Sterbende keine Schmerzen oder ein Unwohlsein hat. Ich bin mir da nicht sicher. Nicht umsonst fordern die Sozial- und Pflegedienste ein ordentlicheres Schmerzmittelmanagement in den Pflegeinstitutionen und/oder es fallen mir die Meldungen über gefälschte Medikamente ein!
Dann ganz egoistisch für mich (als Angehörige). Mich hat das Sterben meiner Mutter sehr belastet. Ich kriege das bis heute nicht vernünftig „verpackt“. Aber vielleicht habe ich da einfach ein Defizit, weil ich so gut wie nie (mein Kind war/ist auch gesundheitlich ein Glücksgriff) nichts mit Tod und Krankheit zu tun hatte. Und als ich dann noch (zwar nur am Rande) erfahren und gefühlt habe, wie sich die Eltern der 3-Jährigen „aufgerieben“ haben, hat sich der Gedanke in mir einfach noch verstärkt: „Was soll das lange Sterben?“
Und wenn ich mich an die letzten Osterbotschaften der Kirchen erinnere, dass um „Gottes Willen“ nichts, aber auch gar nichts bei der Sterbehilfe gelockert werden darf, bekomme ich innerlich Pickel und mir gruselt es immer mehr vor dem Sterben.
So, dora. Das war jetzt aber meine ureigenste Meinung. Du hast mich gefragt.
:wink:
Ich wünsche Euch allen einen guten Start in die neue Woche.
Frdl. Grüße
Christiane
dora
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von dora »

hallo Christiane,

ich sehe das wie du nur mache ich die Einschränkung, dass der Sterbende derjenige sein muss der sterben will um Sterbehilfe zu leisten, nicht die überforderten Angehörigen, obwohl die auch leiden-
Ich finde einfach dass man einem Menschen seinen letzten Willen gerade in dieser Sache nicht verweigern sollte, und unsere Gesetzgebung sollte das erkennen.

Im Grunde kann man das mit Früher vergleichen wo die Frauen zum SS abbruch ins Ausland sind, und heute ist das auch erlaubt, allerdings auch nur nach entsprechenden Gesprächen in denen den Frauen alle Möglichkeiten aufgezeigt werden wie es auch ohne Abbruch ginge.

Warum macht man das mit Menschen die sich nunmal für den schnellen Tod entscheiden solche Probleme ?
Christianes Herz
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von Christianes Herz »

dora hat geschrieben:Warum macht man das mit Menschen die sich nunmal für den schnellen Tod entscheiden solche Probleme ?
An dieser Stelle waren wir schon einmal hier in diesem Faden. Obwohl, nein, Du hast schon recht, es geht ja um Menschen, deren Sterbeprozess schon begonnen hat. Ja, warum? Wenn ich im für mich gefühlt positiven Bereich bleiben möchte, weil man, um den Sterbeprozess aktiv zu verkürzen, den Sterbenden schon sehr „lieben“ muss (mir fällt auf die Schnelle kein passenderes Wort ein). Das schließt von vornherein einen Arzt aus und das ist auch ein Unterschied zu Schwangerschaftsabbrüchen, wo Du noch keinem Menschen in die Augen gesehen hast.
Aber ich müsste weiter darüber nachdenken.

Frdl. Grüße
Christiane
dora
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von dora »

Unterschied zu Schwangerschaftsabbrüchen
war viellt. ein schlechter Vergleich, aber mir ging es nur darum, dass man das ja auch überdacht hat und nun möglich ist was früher undenkbar war.
Andreeeas
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von Andreeeas »

Neben religiösen Gründen (die aber in medizinischen und politischen Diskussionen meines achtens keine Rolle spielen dürfen), gibt es in meinen Augen nur einen Grund, der gegen Sterbehilfe spricht und zwar der mögliche Missbrauch. Also wenn man z.B. einer alten Dame, die geistig nicht mehr ganz auf der Höhe ist, druck macht bzw. manipuliert, so dass sie Sterbehilfe möchte bzw. beantragt.
schnuffeldi
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Re: Sterbehilfe

Beitrag von schnuffeldi »

Irgendwo im Forum bin ich aufs Doppelthema gestoßen, finde ich bloß gerade nicht wieder.

Aber mal so unterm Strich: wer wird sich denn danach richten, wie es ein Teil der Bevölkerung will? Und wartet mal ab, bis es doch noch als erlaubt durchgeht und wie hoch die Honorare dann wären, ei, dann gibts aber viel Hallo´s 8) Eigentlich sollte doch der mündige Patient selbst darüber verfügen können, ob er sich bei schwerer Krankheit noch quälen möchte oder nicht. Bei unmündigen Patienten ist es natürlich schwierig, da es die Angehörigen aus den verscheidensten Gründen befürworten würden. Leider sicher auch im eigenen Interesse und da scheiden sich die Geister.
"Es amüsiert mich immer, wenn Menschen all ihr Unglück dem Schicksal, dem Zufall oder dem Verhängnis zuschreiben, während sie ihre Erfolge oder ihr Glück mit ihrer eigenen Klugheit, ihrem Scharfsinn oder ihrer Einsicht begründen." (Coleridge)
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