war lange nicht hier, jetzt aber ein ungewöhnlicher Fall, der leider ungelöst ist zur weiteren Diskussion.
NA-Einsatz "Hyperventilation" in einer Kaserne
Patient ist ein 20-jähriger, kerngesunder Zeitsoldat, 2.Tag in der Kaserne, keine körperl. Belastungen o.ä.
RTW trifft 15 min vor NA ein (fordert nach). Der Stubenkamerad berichtet, er sei ca. 30 sec nach dem (bis dahin völlig unauffälligen) Patienten auf die Stube gegangen und fand diesen auf dem Boden liegend ( keine Verletzungen), nicht auf Ansprache reagierend und schnell atmend vor.
Der hinzugerufene Bundeswehr-Sanitäter hatte einen Zugang gelegt, sein Pulsoxy zeigte 100%, HF 86, RR 140syst.
RTW-Besatzung findet Hyperventilation 30-40/ min ohne Pfötchenstellung, rosiger Patient, RR 120-140 syst., Sätt.100%, HF 90, Sinusrrhytmus, BZ 123 mg/dl, Pupillen zwischen mittel u. eng, prompte LR, auffällig starker Tränenfluß, stark gerötete Skleren, keine Reaktion auf Ansprache (Augen geschlossen) bewegt die Arme. Auf Hyperventilationsmaske keine Veränderung.
NA findet 15 min später das gleiche Bild. Über 5 min insgesamt 7,5 mg Diazepam i.v. , darunter dann Normalisierung der Atmung. Reflexe seitengleich, sehr lebhaft, keine pathol. Reflexe, Pup. weiter wie oben, prompte LR, Pat. reagiert erst 5 min später auf Ansprache (vorher eher Eindruck eines beginn. Stupors), öffnet die Augen, fixiert, sagt auf Frage nach Heimatort diesen u. verneint mit Kopfschütteln Schmerzen oder Drogeneinnahme. Dann erneut stupurös, Apnoe mit Sätt.abfall bis 60 u. leichter Zyanose, auf Schmerzreize Atmung, die wieder in Hyperventialation übergeht, dazwischen kräftiges Husten mit selbstständigem Aufrichten des Oberkörpers.
Umlagern auf Trage, Abfahrt, nochmals zwei kürzere Apnoezustände (jeweils ca. 2-3 min mit Sätt.abfall auf 60 +Zyanose), auf Schmerzreize jeweils wieder Atmung u. kräftiges Husten. Dann weitere, anhaltende Apnoe (3-4 min) ohne Reakt. auf Schmerzreize, Sätt.fällt rasch auf 53, Zyanose. Auffällig ist, daß kaum Herzfrequenzveränderung während der Apnoen u.Hyperventilationen, konstanter SR 75-90, keine HRST.
Beutelbeatmung (bewegt Hände, hustet einmal, aber atmet nicht, wehrt sich nicht gegen Bebeuteln, Sätt. 100%, nicht weckbar (Pupillen weiter eher eng+ LR). Entscheidung zur Intubation. Narkose mit 0,2 Fenta,Trapanal, wegen geschlossener Stimmritze (keine Gegenwehr) Succi -> maschinelle Beatmung, zur Sedierung 5 mg Dormicum, Transport 40 min. Erst beim Umlagern in der Klinik Husten u. Aufbäumen, aber keinerlei Atmung. Neuro weiter unauffäll., jetzt max. enge Pupillen nach Fenta.
Anrufe in der Klinik erbrachten: Notfall-CT völlig unauffällig, im Urinscreen Barbiturate (wahrscheinlich das Trapanal von mir), lassen Pat. aufwachen, dieser hustet, wehrt sich gegen Tubus aber zunächst keine Spontanatmung. Erst Stunden später dann Spontanatmung, Extubation, Pat. schläfrig, orientiert aber "psychisch überlagert" (was immer das heißen soll). Er soll heute noch entlassen werden, man geht von "vagaler Reaktion" aus.
Letztlich fand sich bisher keine wirkliche Erklärung für die Apnoe. Psyche hin oder her, Vagus schön und gut, aber eine psychogene oder vagale Apnoe bis zur Zyanose u. Sätt. 53 habe ich wirklich noch nie erlebt, auch nicht nach schweren Hyperventilationen, bei denen es einige Sekunden dauert, bis das CO2 weit genug angestiegen ist, um Atemanreiz zu verursachen.!
Auch einen direkten Zusammenhang mit der Benzodiazepin-Gabe und den Apnoen (diese traten ja erstmals nach dem Valium auf) kann ich nicht wirklich erkennen, denn der Patient war Minuten nach der langsamen i.v.-Gabe ja ansprechbar. Und 7,5 mg langsam i.v. bei 1,90 cm u. ca. 80 kg lösen normalerweise nicht plötzlich 15 min später eine Apnoe aus.
Zu diskutieren wäre aber eine individuelle Überempfindlichkeit mit Atemstillstand bei geringdosierten Benzogaben -hat jemand sowas schon mal erlebt? Dagegen spricht in meinen Augen aber, daß der Hustenreflex erhalten war.
Bis auf die Hyperventilation würde die Symptomatik am ehesten auf eine cholinerge Krise passen, wie sie nach Intox. mit Cholinesterasehemmern vorkommen kann. Drogen wie Ecstacy oder Kokain passen wegen der eher engen Pupillen und fehlenden Tachykardien eigentlich nicht, ebenso THC (wegen der stark geröteten Skleren hatte ich zunächst den Verdacht).
Ein Anruf in der Kaserne erbrachte aber, daß keinerlei Kontakte z.B. mit chem. Kampfstoffen(die Cholinesterasehemmer enthalten könnten) o.ä. stattgefunden haben können.
Die ganze Geschichte ist mir rätselhaft und ich stell sie hier mal rein, falls jemandem von Euch irgendwas dazu einfällt. Bin sehr gespannt!
Gruß von doc-in-not
