Hypnose - Abschied von der Hokuspokus-Medizin
Bei der Behandlung in tranceähnlichem Zuständen des Patienten zeichnet sich in den letzten Jahre ein Wandel ab. War es früher eine Jahrmarktsbelustigung, wenn ein völlig willenloser Kandidat dem gaffenden Publikum wundersame Dinge zeigte, so setzen immer mehr spezialisierte (Zahn-)Ärzte diese Therapiemöglichkeit vor allem bei der Behandlung von "Angsthasen" ein. Man schätzt, dass etwa 25 % der Bevölkerung einen Zahnarzttermin so weit herauszögern, bis es für eine Rettung des schmerzenden Zahnes zu spät ist oder gar nicht erst wahrnehmen. Hier kann nun ein Konzept greifen, bei welchem im Gegensatz zur suggestiven Hypnose, der Patient sich mit Unterstützung des Arztes selbst in Trance begibt. Der Zustand der Trance ist alltäglich, oft hilfreich und wird von jedem selbst hervorgerufen. Bei der medizinischen Hypnose wird die Fähigkeit zu einer solchen „Alltagstrance“ gezielt gefördert mit dem einzigen Zweck, Angstabbau zu betreiben, körperliche Entspannung zu ermöglichen, unangenehmen Speichelfluss und Würgereiz abzustellen und eventuell eine belastende Behandlungslagerung zu tolerieren.
Als erstes Universitätsklinikum in Deutschland bietet nun die Lübecker Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie eine Hypnose-Sprechstunde an. So schreibt die Klinikumszeitung "Impuls" dazu:
"Angelika B. (Name von der Red. geändert) stirbt fast vor Angst. Sie kommt nicht das erste Mal in diesen kleinen Behandlungsraum im Haus 27 und weiß, was sie erwartet. Angelika B. hatte vor Wochen einen schweren Autounfall. Ein doppelter Kieferbruch und Beinverletzungen, die sie noch heute an Krücken gehen lassen, waren die Folge. Heute muss die intermaxilläre Fixation, eine Klammer, die den verletzten Kiefer gehalten und gerichtet hat, entfernt werden. Im Klartext heißt das: Stahldrähte müssen wieder aus dem Zahnfleisch und den Zahnzwischenräumen entfernt werden, und das ist trotz lokaler Betäubung ein sehr unangenehmer Eingriff. Angelika B. kennt die Prozedur bereits aus eigener Erfahrung und klammert sich deshalb an die ihr gebotene Möglichkeit der medizinischen Hypnose, für deren Einsatz in der Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie sich Dr. Dr. Dirk Hermes engagiert.
Die Hypnose - nicht zu verwechseln mit der populistischen Schwester, die auf Showeinlagen spezialisiert ist und die Menschen bloßstellen soll -, die medizinische Hypnose also ist ein Suggestionsverfahren, das heute nicht nur im psychotherapeutischen Bereich, sondern auch in der klinischen Medizin eine gewisse Verbreitung gefunden hat, bislang aber nicht in wesentlichem Umfang in der chirurgischen Patientenbehandlung eingesetzt wird. Das soll sich nun ändern. Die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie hat mit einer Fragebogenaktion die Akzeptanz von Hypnose bei den Patienten ergründet und prüft nun innerhalb einer klinischen Studie die Einsetzbarkeit und Effektivität dieser Behandlungsform bei der Therapie von kiefer- und gesichtschirurgischen Erkrankungen. Also haben Patienten wie Angelika B. jetzt die Chance, die ihnen bevorstehende Behandlungssituation durch eine begleitende Hypnose nur noch wenig oder gar nicht mehr aktiv wahrzunehmen.
Sobald die Patientin bequem liegt, wird ihr mit wenigen Worten erläutert, was auf sie zukommt und auf welche Signale hin sie den Mund öffnen und schließen soll. Dann bekommt Angelika B. einen Kopfhörer aufgesetzt. Nach einigen wenigen Minuten schließt sie die Augen. Im gleichen Moment richtet die Assistentin das OP-Licht voll auf die Patientin. Geredet wird jetzt nur noch im Flüsterton.
Der Duft von Zitronen erfüllt den Raum. Leise Musik und eine beruhigende Stimme verheißen Angelika B. Entspannung, Gelassenheit. Ruhe, tiefe Ruhe. Ihre Sinne entfleuchen in entlegene Regionen. Der Zahnarztstuhl wird zur Sonnenliege. Die OP-Leuchte könnte strahlender nicht sein als das Gestirn am südlichen Himmel. Das Geräusch des Speichelsaugers mimt das Meeresrauschen. Es trägt davon. Weg von der Angst vor Schmerzen. Die ungeheure Anspannung vor einem chirurgischen Eingriff löst sich, langsam, ganz langsam und aus freien Stücken. Die Patientin gerät in Trance. Sie ist in höchstem Maße konzentriert auf eine angenehme Erfahrung, einen Spaziergang am Meer, ein Stündchen im Garten, einen Ausflug mit Freunden. Dabei ist die Patientin jederzeit ansprechbar und kann sich nach Bedarf aktiv der Behandlung zuwenden.
Die Erfahrung kennt jeder. Mal ist man versunken in die Lektüre eines Buches, dann verliert man sich in einem spannenden Film oder vergisst Raum und Zeit bei einer fesselnden Arbeit. Der Zustand der Trance ist alltäglich, oft hilfreich und wird von jedem selbst hervorgerufen.
Bei der medizinischen Hypnose wird die Fähigkeit zu einer solchen "Alltagstrance" gezielt gefördert mit dem einzigen Zweck, Angstabbau zu betreiben, körperliche Entspannung zu ermöglichen, unangenehmen Speichelfluss und Würgereiz abzustellen und eventuell eine belastende Behandlungslagerung zu tolerieren. Über die Fähigkeit, aktiv einen mehr oder weniger tiefen Trance-Zustand bei sich selbst hervorzurufen, verfügt die überwiegende Mehrzahl aller Menschen. Die Klinik für Kiefer- und Gesichtschirurgie des UKL bietet Medizinische Hypnose seit Januar diesen Jahres in der Versorgung ambulanter und stationärer Patienten an. Wie schon die Patientenumfrage gezeigt hat, wird die begleitende Hypnose von vielen gerne zur Unterstützung einer chirurgischen Behandlung in Anspruch genommen. Die Patienten müssen dabei nicht auf die Möglichkeiten der Lokalbetäubung verzichten. Weil sie heute so schonend und effektiv sind, besteht dazu keinerlei Notwendigkeit. Einzig der Therapiekomfort wird durch die Hypnosewirkungen deutlich verbessert. Das bestätigten alle Patienten, die nach ersten klinischen Erfahrungen befragt wurden. Obwohl einige Patienten von kurzzeitig schmerzhaften intraoperativen Reizen berichteten, war durch die subjektiv empfundene Distanzierung in keinem Fall eine erneute Gabe von Lokalanästhetika notwendig. Eine Reihe von Patienten konnte sich nur lückenhaft, mehrere Patienten konnten sich gar nicht an die eigene Behandlung erinnern. Alle Befragten würden einer erneuten kiefer- oder gesichtschirurgischen Behandlung unter medizinischer Hypnose sofort zustimmen."