Frankonian hat geschrieben:PS: In der ersten Antwort die erwartete Überheblichkeit,
Sie sollten Ihren ersten Post mal überprüfen, wenn Sie Überheblichkeit beklagen. Sie bezeichnen Ärzte da als Halbgötter in Weiß, auch ohne Anführungszeichen.
Da ich sowieso verlockt war zu antworten, mache ich das jetzt. Mein erster Rat: wer austeilen kann muss auch einstecken können.
Zum Halbgott wird man in der Mythologie geboren. Zum Arzt-Halbgott unter Garantie nicht. Ob gut begütertes Elternhaus oder Arbeiterfamilie, ob beste Voraussetzungen oder große Not: um Arzt zu werden, braucht man entweder hervorragende schulische Leistungen oder viel, viel Geduld. Dann kommt ein langes Studium mit vielen Prüfungen. Und selbst, wenn alle Professoren einem gewogen sein sollten - es gibt Staatsexamina, die zentral gestellt werden. Da heißt: Arzt werden erfordert eine große Leistung. Danach dann die Weiterbildung, und auch das ist: Leistung.
Ich lade jeden gerne ein, diesen Weg zu gehen! Es sollte doch kein Problem sein es besser zu machen als diese ärztlichen Halbgötter!
Und zum Thema "EDV-Programm" fällt mir nichts anderes ein als im alten Thread: wer die Schwächen von EDV kennt, weiß, was man "erntet", wenn man sich auf sie verlässt. Falsche oder insuffiziente Programmierung, Übersehen wichtiger Parameter, falsche Rangzuordnung bei der Bewertung von Befunden zur Differentialdiagnostik (auf gut deutsch: hat jemand ein kleines Kratzen und niemand nimmts ernst, dabei ist das ein frühes Hauptsymptom einer schweren Erkrankung).
Nur zwei Fragen vor dem Einsatz von EDV zur Therapie:
1. Immer wieder treten Sicherheitslücken oder gravierende Progammfehler selbst bei Programmen auf, die millionenfach "laufen". Wer glaubt, dass dies vermeidbar ist? Wer will sich einer solchen Maschinerie anvertrauen?
2. Ein solches Programm würde der Firma Milliarden einbringen und sie mit einem Schlag zum Marktführer im Gesundheitswesen machen, quasi Bill Gates hoch zwei. Wer meint, dass nicht längst diverse Firmen Kräfte dafür einsetzen? Warum wohl gibt es ein solches Programm noch nicht? Ist ein Stück Fleisch und Blut namens Gehirn doch tatsächlich einem Programm überlegen?
Den Ruf nach solchen Programmen verbinde ich mit verschiedenen Ursachen:
- einer Frustration über insuffiziente Diagnostik und Therapie. Die wird sicherlich teilweise berechtigt sein, teilweise aber auch nicht. Eine Krankheit ist manchmal wie ein Phantom: sie ist nicht einfach zu erkennen, sie maskiert sich, sie taucht erst dann auf, wenn sie entscheidend zuschlägt. Fachleute wissen es: sie erleben Momente, in denen man sich an den Kopf schlägt und sagt "das war es." Und natürlich kommt der Frust und der Gedanke, man hätte früher darauf kommen können. Nur ist so etwas im Nachhinein nicht das Gleiche wie im akuten Fall
- einer sozialen Phobie. Viele Patienten haben ein Problem damit sich in die Hand anderer Menschen zu begeben. Prinzipiell oder weil sie schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Das kann die Versorgung massiv erschweren.
- dem Gedanke, alles sei möglich, wenn man sich nur der Technik bediene. Einerseits verständlich, weil Technik die Parameter einschränkt und sie damit fassbarer ist als "das Leben selber". Außerdem scheint die Technik einem unaufhaltbaren Fortschritt zu unterliegen, der sich auch noch beschleunigt. Andererseits ist fast überall, wohin man sieht, Technik nur ein Hilfsmittel (Ausnahmen bestehen dort, wo die Anforderungen zwar hochkomplex sind, aber letztendlich einfachen Regeln unterliegen, beispielsweise Raumfahrt oder Flugtechnik). Je mehr Einflussparameter es gibt, je eher tritt der Mensch in den Vordergrund. Den Begriff der "Abwägung" scheut wohl jeder Programmierer, denn der will wissen: wie soll ich denn abwägen? Der Mensch bildet sich ein Schema, mag es gut oder schlecht sein, er hat den Mut dazu. Ein Programm macht das nicht, und es ist niemals intuitiv, sondern folgt immer dem Algorithmus.
Ich hätte nichts gegen ein solches Programm, aber ich weiß: es ist schwierig. Im Bereich der Augenheilkunde kann ich viele Situationen bilden, bei denen nur eine Handvoll Symptome da sind und zig mögliche Erkrankungen existieren, vom "Pillepalle" bis zur Bösartigkeit. Das heißt: gibt man so etwas im Computer ein, erscheint eine ellenlange Liste. Und man sollte nicht meinen, es reiche dann, mal eine Untersuchung zu machen oder zwei, und das Bild werde viel klarer. Das ist das "Problem" in der Medizin: es sind Menschen daran beteiligt, und jeder Mensch ist anders, und jedes Symptom ist anders, und jede Erkrankung auch. Und das mag EDV ganz und gar nicht.
Zu dem Argument "Abschaffung des NC/Eignungstests": das brint null und nichts. Anstatt Studenten mit entweder besten Leistungen oder langer Geduld (=Überzeugung zum Beruf) zu kriegen, kriegt man dann einen Querschnitt aller Abiturienten (oder auch Schulabschließer, wenn man gleich das Abi mit herausnimmt). Was soll daran besser sein? Wenn schon, dann muss man die Studienplätze "aufbohren". Es sollte aber daran erinnert sein, dass sehr viele Studenten nicht in die Klinik gehen und Patienten nicht behandeln. Man sollte dieses Problem lösen, dann ist man wesentlich effektiver.
Und das Argument "nicht nur zwei Minuten". Das stimmt natürlich ohne jeden Zweifel. Diese Zeit muss man haben, diese Zeit muss man sich nehmen.
Augenarzt? Flatrate. Für nur 18 Euro all you can (tr)eat, ein ganzes Quartal lang! DAS ist heutige Gesundheitspolitik.