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stoenggi
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Verfasst: 20.10.07, 20:28 |
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Interessierter |
Registriert: 09.10.07, 10:37 Beiträge: 10
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Hallo Leute !
Interessante Diskussion zum Thema, daher habe ich es von der ursprünglichen Diskussion abgetrennt und als eigenständigen Beitrag eingestellt. Unten ist die NaCl Diskussion verlinkt.
mfG
Erbschwendtner
Vielen Dank für die beiden letzten Antworten. (beziehen sich auf NaCl Verabreichen / Warum nicht in der Ersten Hilfe? )
Die Antwort von tricolor hat mit allerdings eine Frage aufgeworfen: Habe ich die Aussage richtig verstanden, dass bei stark blutenden arteriellen Wunden, bei denen man mit Druckverbänden nicht mehr weiter kommt noch immer Abbinden kann - sofern eine nützliche Frist zur Rettung vorhersehbar ist? Ich gehe weiter davon aus, dass man dann die abgebundenen Gliedmassen (breit abbinden damit Einschnürungen und damit einhergehende Gewebeschäden möglichst vermieden werden) NICHT mehr vom Tourniquette befreit um allfällige Giftstoffe durch einsetzende Zersetzungsprozesse nicht weiter in den Venösen Blutkreislauf gelangen? Wird ja in den Armeen auf der Welt auch wieder vermehrt gelehrt, bei normal stark blutenden Wunden natürlich nicht das Mittel der Wahl.
Danke auch für diese Antworten. Ich schätze sehr den Umgangston hier und vor allem die Fachkompetenz und den Willen, auch Laien hier weiter zu helfen. Weiter so!
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Izzy
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Verfasst: 20.10.07, 22:04 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 15.07.07, 18:45 Beiträge: 262 Wohnort: Duisburg
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Ja, diese Aussage ist richtig. Allerdings ist ein Abbinden wirklich die absolut allerletzte Lösung => ultima ratio eben. Immerhin gilt ja bei allem "Life bevor Limb" und wenn der Patient durch das abbinden vielleicht die Extremität verliert, dafür aber überlebt ist die Maßnahme gerechtfertigt. Wichtig hierbei ist den Zeitpunkt des Abbindens zu notieren, und wie schon richtig erwähnt darf die Abbingung nicht einmal kurzzeitig wieder gelockert werden. Darüber hinaus muss die Extremität die abgebunden wurde sorgfältig gepolstert, so wenig wie nur irgend möglich bewegt werden und der Transport hat schonend zu erfolgen.
Es muss übrigens nicht zwangsläufig sein, dass durch das abbinden automatisch die Extremität als so gut wie amputiert zu betrachten ist. Das entscheidet aber das OP Team im klinischen Behandlungsverlauf... .
Laut Literatur soll man aber mit ein bis zwei Druckverbänden und Hochhalten aber so gut wie alle Blutungen stoppen können. Das Abbinden ist definitiv nur die allerletzte Möglichkeit. In der Stadtrettung ist diese Maßnahme denke ich praktisch ausgestorben.
_________________ Hier ist das Internet zu Ende. Bitte Alt+F4 drücken.
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tricolor
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Verfasst: 20.10.07, 22:47 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 28.01.06, 00:06 Beiträge: 591 Wohnort: CH
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Also, für die Stadtrettung ist diese Methode sicher nicht Mittel der Wahl.
Wenn ich dich aber irgendwo oben in den Bergen finde, oder Du es G'spänli von mir bist und dich da oben verletzt...und stark blutest...öhm, dann werd ich nicht versuchen über Stunden die Blutung zu stoppen, bei einer starken Blutung , also arteriell (spritzende) würde ich sofort abbinden.
Meine Begründung wäre schlicht weg, dass ich einen grösseren Blutverlust nicht rikieren würde, da ich ihn erstens in der Wildnis nicht therapieren kann und auch auf Kreislaufinstabilitäten auf Grund grösserer Blutverluste in der Wildnis überhaupt nicht reagieren könnte. Ich brauche also Zeit.(bis die Bergrettung mir entgegen kommt oder der Heli fliegt)..und die erreiche ich mit abbinden. 2 Stunden Blutsperre, also abbinden solltest Du ohne Schäden überstehen. Im OP wird diese Methode bei jedem zweiten Orthopädiepetienten verwendet. Und ich denke in der Wildnis ist eine selbstangelegte Blutsperre niemals so fest wie im OP. Wäre sie es würdest du mich wahrscheinlich vor Ort verprügeln. Blutsperre tut nämlich weh.
Ich hoffe Du brauchst das Wissen nie !
VG
tricolor
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Izzy
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Verfasst: 04.11.07, 15:33 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 15.07.07, 18:45 Beiträge: 262 Wohnort: Duisburg
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Weil in dem abgebundenen Teil Giftstoffe entstehen, die nach dem lösen der Sperre in den Organismus geschwemmt werden und dort schwere Schäden verursachen können.
_________________ Hier ist das Internet zu Ende. Bitte Alt+F4 drücken.
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Bambi
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Verfasst: 04.11.07, 18:00 |
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DMF-Mitglied |
Registriert: 09.02.05, 09:26 Beiträge: 74
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Izzy zustimm...
... und noch anmerk: Abbinden ist die letzte Wahl und nur anzuwenden wenn sonst nix hilft. Wenn man einen wirksamen Druckverband angelegt bekommt sollte man das tun. Wenn man gerade nix steriles bei der Hand hat auch gern mit etwas unsterilem. Immer noch besser als abbinden.
Gruß
Bambi
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nebel
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Verfasst: 04.11.07, 20:09 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 06.12.06, 10:12 Beiträge: 123
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ok, schonmal ein DANKE für die Antworten...
...welche Schäden könnten denn dann entstehen?
und wie wird das Problem der schädlichen Stoffe klinisch gelöst?
Allen einen schönen Abend
_________________ Man hat nicht verloren, wenn man zu Boden geht...man hat erst verloren, wenn man nicht wieder aufsteht !!
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Dr. A. Flaccus
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Verfasst: 05.11.07, 22:54 |
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DMF-Moderator |
Registriert: 06.03.05, 08:30 Beiträge: 4417 Wohnort: Hildesheim
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Guten Abend!
Zitat: Wieso darf ich das Abbinden einer Extremität nach dem Anlegen eines wirksamen Druckverbandes nicht wieder lösen ?
1. Ob der angelegte Druckverband "wirksam" ist, weiß ich erst, wenn das Abbinden gelöst wurde. Wenn ich Pech habe, blutet es dann wieder sehr heftig...
2. Die Theorie mit den "Giftstoffen" ist zwar richtig, tritt aber erst nach frühestens 90 - 120 min. in klinisch relevanter Form in Kraft. Metabolite sind vor allem Lactat (übersäuert das Blut) und CO2. Im schlimmsten Fall muß beatmtet werden, um das CO2 wieder herauszubekommen - das ist aber auch eher theoretischer Natur...
Fazit: Wer eine Extremität abbindet, macht dies, weil es lebensbedrohlich blutet. Und nur dann macht man das !
Und solch´ eine Verletzung guckt sich dann der Chirurg im Krankenhaus an, damit die Blutung dort operativ beherrscht werden kann.
Wer vorher das Abbinden löst, bringt den Patienten unnötig in Gefahr. Das Abbinden geschah ja aus einem bestimmten Grund.
Deshalb gilt: Abbinden nur als letzte Lösung im Notfall. Und: Einmal abgebunden wird es erst im Krhs. wieder geöffnet.
Gruß
Dr. A. Flaccus
_________________ Dr. A. Flaccus
Facharzt für Anästhesie
- Notfallmedizin -
DMF-Moderator
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Izzy
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Verfasst: 06.11.07, 00:41 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 15.07.07, 18:45 Beiträge: 262 Wohnort: Duisburg
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Dr. A. Flaccus hat geschrieben: ... Deshalb gilt: [...] Einmal abgebunden wird es erst im Krhs. wieder geöffnet. ...
Ergänzend möchte ich noch anmerken das mir beigebracht wurde, dass grundsätzlich eine einmal angelegte Wundabdeckung nur im KrHs und/ oder vom Arzt entfernt werden darf. Ob es ne Schürfwunde oder eine Amputation ist dabei unerheblich.
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nebel
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Verfasst: 11.11.07, 22:08 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 06.12.06, 10:12 Beiträge: 123
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Ich möchte mal den Fall ansprechen, dass man am Einsatzort eintrifft und dort einen Patienten vofindet, dem eine Extremität abgebunden wurde. Das Eintreffen des RTWs dürfte maximal 8 Minuten dauern, ergo dürften sich keine giftigen Substanzen gebildet haben. Wenn man nun desweiteren davon ausgeht, dass die Wunde an der abgebundenen Extremität gut mit einem Druckverband versorgt werden kann, warum sollte man es dann nicht wagen, die abgebunden Extremität zu reperfurieren? Durch das Abbinden könnet eine Gewebeschädigungen provoziert werden, welche man durch das Lösen des Abbind-Bandes mindern könnte.
Eine weitere Frage, die noch nicht ganz geklärt wurde, würde ich gerne nochmal wiederholen:
Zitat: ...welche Schäden könnten denn dann entstehen?
Beantwortet wurde von Dr. A. Flaccus ( Dankeschön übrigens), dass eine Hyperkapnie entsteht, wodurch die Maßnahme einer Beatmung indiziert werden könnte.
Wie sieht es mit dem Lactat aus? Was kann dadurch entstehen?
_________________ Man hat nicht verloren, wenn man zu Boden geht...man hat erst verloren, wenn man nicht wieder aufsteht !!
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Izzy
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Verfasst: 12.11.07, 04:57 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 15.07.07, 18:45 Beiträge: 262 Wohnort: Duisburg
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Hmm, das ist jetzt echt schon fast ne Gretchenfrage. Ich kann nur antworten was ich in diesem Fall tun würde.
Ich würde die Abbindung belassen, auch wenn sie fälschlicherweise vom laienhelfer angelegt wurde. Einfach auch um auf der juristisch sicheren Seite zu sein. ABER, sofern der Patient halbwegs Kreislaufstabil ist würde ich ihn so schnell wie nur irgendmöglich ins Auto packen und mit SoSi ins nächste KrHS düsen. Stichwort: Play and run.
Mit der Anfahrt zum Einsatzort von ca. 8 min, der Fahrt ins KrHs von max. 10 min im Stadtgebiet, wenige Minuten am Einsatzort und Übergabe im KrHs kommen wir nach meiner Rechnung auf knapp 25 min im ungünstistgen Fall bis die Abbindung wieder gelöst wird und dieses geschieht dann sogar kontrolliert und von einem Arzt.
Wenn der Pat. nicht Kreislaufstabil und akut vital bedroht ist fällt diese Option selbstverständlich flach und man hat Situationsbedingt verfahren...
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nebel
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Verfasst: 16.11.07, 16:30 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 06.12.06, 10:12 Beiträge: 123
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Danke für ihre Meinung "Izzy"...hm...eine richtige Antwort auf meine Fragen habe ich jedoch immer noch nicht
Ich finde es garnicht so abwägig, dass Ersthelfer eine Extremität abbinden. Es wurde schließlich vor ein paar Jahren gelehrt.
Sollte ich einen Patienten mit abgebundener Extremität vorfinden, würde ich es auch nicht lösen, weil man es in der Literatur so nachlesen kann.
Es fehlen mir nur etwas die Gründe dafür und ich wäre sehr dankbar, wenn mir die jemand erläutern könnte.
Könnte es sein, dass das stehende Blut in der Extremität gerinnt? Wenn man dann voreilig die Abbindung löst, steigt der Blutdruck in der Extremität an, wodurch sich ein gebildeter Thrombus von der Gefäßwand löst und in den Körper eingeschwemmt werden kann. Wodurch dann die Gefahr einer Lugenembolie besteht....hm....Könnte das ein Grund sein??
Und nochmal die Frage: Wie wird es in der Klinik gelöst?
schönen Abend
_________________ Man hat nicht verloren, wenn man zu Boden geht...man hat erst verloren, wenn man nicht wieder aufsteht !!
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Dr. A. Flaccus
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Verfasst: 16.11.07, 17:17 |
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DMF-Moderator |
Registriert: 06.03.05, 08:30 Beiträge: 4417 Wohnort: Hildesheim
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Hallo,
hier noch ein paar ergänzende Antworten:
1. Lactat
Die "übersäuert" das Blut - das erfordert vermehrte Atemarbeit (Hyperventilation kompensiert Acidose). Das könnte theoretisch Probleme machen.
2. Lösung in der Klinik
Es gibt hier keine Patentlösung, aber: Wenn man die Sache unter klinischen Bedingungen löst, sind alle da, die man so braucht: Chirurg (zum Klemme auf ´s Gefäß setzen), Anästhesist (zum Beatmen), Internist ( um per Ultraschall mögliche Thromben/embolien darzustellen).
Warum also darußen Stress machen ?
Nur um zu sehen, ob der "Abbinder" recht hatte ?
Übrigens: Abbinden und die nachfolgende Blutarmut in der Extremität sind sehr, sehr schmerzhafte Ereignisse! Spätestens nach einer halben Stunde wird ein sonst wacher Patient sehr unruhig und bedarf dringend einer Schmerztherapie!
Gruß
A. Flaccus
_________________ Dr. A. Flaccus
Facharzt für Anästhesie
- Notfallmedizin -
DMF-Moderator
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nebel
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Verfasst: 17.11.07, 14:38 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 06.12.06, 10:12 Beiträge: 123
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Danke für alle Antworten,
dann fasse ich nochmal kurz zusammen, um einen kurzen Überblick zu bekommen:
- Abbinden einer Extremität nur als ultima ratio Maßnahme bei unstillbaren Blutungen (Life bevor Limb) - breit abbinden, um Einschnürrungen und die damit einhergehenden Gewebeschäden zu vermeiden - Zeitpunkt des Abbinden notieren - Extremität abpolstern und wenig bewegen - was einmal abgebunden ist, wird nicht mehr gelöst, weil... (1) Gefahr einer erneuten Blutung (2) Bildung von Giftstoffen (frühestens nach 90 Min.) a) Lactat --> Azidose --> Hyperventilation b) CO2 --> evtl. Beatmung notwendig (3) erhöhte Gefahr der Thrombenbildung - Abbinden = sehr schmerzhaftes Ereignis
Das müsste nun im groben alles sein. Sollte ein Fehler drin sein oder jemanden noch etwas einfallen, bitte sagen.
Stimmt das denn nun, mit der erhähten Gefahr der Thrombenbildung?
Habe mal von einem Fall gehört, bei dem der Patient durch eine ICB längere Zeit auf einem Sofa lag. Durch die unglückliche Lage war eine Hand minderdurchblutet, wodurch diese nekrotisierte. Der Notarzt hat als erste Maßnahme den Arm abgebunden, um ein Einschwemmen von abgestorbenen Gewebeteilen zu verhindern....hm...wie gesagt, habe ich nur so gehört...kann man dem so Glauben schenken und ist die gewählte Maßnahme korrekt??
_________________ Man hat nicht verloren, wenn man zu Boden geht...man hat erst verloren, wenn man nicht wieder aufsteht !!
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Izzy
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Verfasst: 18.11.07, 05:50 |
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DMF-Mitglied |
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Registriert: 15.07.07, 18:45 Beiträge: 262 Wohnort: Duisburg
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Ich denke in diesem konkreten Fall hätte es vielleicht auch ein RR Manschette 20 mm/HG über diastolisch gereicht. Kann aber auch sein dass ich da vollkommen falsch liege. Möglicherweise kann ein Chirurg da Licht ins Dunkel bringen.
_________________ Hier ist das Internet zu Ende. Bitte Alt+F4 drücken.
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