Fallbericht zum Mitraten - ein seltener "Klassiker"

Moderator: DMF-Team

Gast
Topicstarter

Differentialdiagnosen

Beitrag von Gast »

Hallo Forum,

ich freue mich sehr über Euer Interesse und die Diskussion über meinen Fallbericht !

Ich möchte hier zur Ergänzung noch meine differentialdiagnostischen Überlegungen der ersten Minuten am Notfallort einfügen, denn anfangs war die Lage ja doch sehr unklar und keineswegs so klassisch.
Verwirrend war, dass zunächst –beginnend mit der Meldung der Leitstelle- im Vordergrund ein Sturz stand, das mit den vorangegangenen starken Bauchschmerzen war erst durch Nachfragen zu eruieren. Bei Nicht-Kontaktierbarkeit und extremer motorischer Unruhe dachte ich zunächst, der Patient habe vielleicht eine Commotio/SHT, zumal er in einem kleinen Raum mit unzähligen „Anschlagmöglichkeiten“ gestürzt war. Er hatte jedoch keine äußeren Verletzungen. Auch Exsikkose bei hohem Fieber und folgende Vewirrtheit schossen mir noch durch den Kopf – sehen wir ja öfters bei alten Menschen.
In die Irre führen konnte dann natürlich die häusliche Sauerstoffversorgung – Emphysem nach langjährigem Rauchen- da denkt man natürlich auch erst mal an eine pulmonale oder kardiale Ursache des Geschehens.
Entscheidender und weiterführender Hinweis war letztlich die Bauchsymptomatik, die bei Nachfrage ja als plötzlicher und stärkster Schmerz im Unterbauch bis in beide Leisten geschildert wurde.

Habe hier mal aufgelistet, an was ich differentialdiagnostisch noch so alles gedacht habe - in Klammern, welche Symptome ich bei diesen Erkrankungen aber erwartet hätte:

- Harnverhalt mit Kreislaufschock (Harnblase meist isoliert tastbar)
- Fulminante Lungenembolie (Herzfrequenz höher, Atemnot im Vordergrund, klinische oder anamnestische Hinweise auf eine vorangegangene Beinvenenthrombose, Schmerz eher im Thorax)
- Kardiogener Schock, z.B. Infarkt (EKG-Veränderungen, Rhythmusstörungen, Schmerz eher Thorax/ Oberbauch)
- Apoplex (neurologische Ausfälle, kein Bauchschmerz)
- Unterzucker (mit BZ-Stix ausgeschlossen, kein Bauchschmerz)
- Ileus (längere Schmerzvorgeschichte, Erbrechen, fehlende oder pathologische Darmgeräusche)

So und jetzt seid ihr wieder dran !

Schönen Gruß von doc-in-not ! :wink:
Trupp
DMF-Mitglied
Beiträge: 25
Registriert: 18.12.04, 15:40

Beitrag von Trupp »

Hi doc,

deine aufgeführten Differenzialdiagnosen sind auch noch sehr interessant zu wissen,

was mich jedoch nochmal interessiert...
Ileus (Mechanisch), man kennt das ja ältere Damen und Herren und ihre Gewohnheiten.
Wir hatten vor ein paar Wochen als ich noch auf unserer Bauchchirurgie gearbeitet habe,
den Fall das eine Patientin (Sie war ca 65 Jahre alt) mit Verdacht auf Tumörse Verwachsungen im Darm per NAW eingeliefert wurde.
Dazu ist zu sagen das Sie im Vorfeld wohl keinerlei Schmerzen angab, jedoch plötzlich stärkste Schmerzen im Bauch aufwies.
Es stellte sich heraus das besagter Ileus durch Trockenobst verursacht wurde,welches im Darm aufgequollen war.

und noch eine Frage :)
Hätte etwas gegen die DD Mesenterialinfarkt gesprochen ?
Abgesehen vielleicht von dem Prallen Bauch.

mfG
Marcus
d-i-n
Topicstarter

Mesenterialinfarkt

Beitrag von d-i-n »

Trupp hat geschrieben:und noch eine Frage :)
Hätte etwas gegen die DD Mesenterialinfarkt gesprochen ?
Abgesehen vielleicht von dem Prallen Bauch.

mfG
Marcus
Hallo Marcus,

erstmal danke für die gute Erklärung des Babkin-Reflexes - bin wieder etwas schlauer geworden !

Zu Deiner Frage oben. Prinzipiell hätte die akute Bauch-Symptomatik auch zu einem Mesenterialarterieninfarkt oder einer Mesenterialvenenthrombose gepasst - da liegst Du total richtig. Auch die Abwehrspannung und das pralle Abdomen würden passen, da durch die Minderdurchblutung der Darm ja nekrotisch wird und durch Darmgase sehr auftreiben kann. Ich hatte das bei meinen Befunden nicht geschrieben, aber bei der Perkussion hätte man durch einen holen Klopfschall dann viel Luft in diesem Bereich feststellen müssen, das war bei meinem Patienten nicht der Fall.

Aber entscheidend dafür, daß die Diagnose eigentlich nicht in Fage kommt, ist der klinische Verlauf. Die Schocksymptomatik tritt bei den o.g. Erkrankugen meist erst Stunden später auf und dazwischen liegt nach dem initialen stärksten Bauchschmerz ein teilweise fast symptomfreies Intervall. Das hätte hier also von der Anamnese her nicht gepasst.

Finde ich aber klasse, daß Du hier so mitdenkst und Dich mit dem Fall so beschäftigst !

Gruß von doc-in-not :lol:
Gästin
Topicstarter

Beitrag von Gästin »

Hallo!

Ein spannender Fallbericht, und in mir kommen Erinnerungen hoch an eine lange Nacht vor fast auf den Tag genau 4 Jahren. Mein Vater war mit heftigsten Schmerzen im Unterbauch und zunehmend kllabierendem Kreislauf zum (Land-)Hausarzt gefahren worden, der ihn mit Verdacht auf Bandscheibenvorfall ins nächste Kreiskrankenhaus einwies. Dort fand man auf dem Röntgenbild nichts. Man verfügte bereits über ein CT, aber es war Sonntag und die Technik-Mannschaft im Krankenhaus nicht vollständig besetzt. Da das Gerät jedoch am nächsten Tag gewartet werden sollte, also dann nicht zur Verfügung stand, wurde das entsprechende Personal herbeitelefoniert und mein Vater untersucht. Man entdeckte ein enormes Aneurysma der Bauchaorta - quasi kurz vor dem Durchbrechen.
Mein Vater ist seit vielen Jahren wg. schwerstem Asthma in Behandlung, zahlreiche Cortison-Medikamente wurden ihm verabreicht, die Gefäße waren brüchig wie Papier geworden. Und bei den permanent eiskalten Füssen kam wohl kaum noch Blut an (kein Wunder, das sammelte sich ja in der Aorten-Aussackung!).
Eigentlich blieb nur eine sofortige OP, und noch vor dem ersten Schnitt war die Aorta geplatzt. In diesem Krankenhaus war ein solcher Eingriff bisher noch nicht durchgeführt worden. Der Chirurg schaffte dennoch das kleine Wunder: mein Vater verblutete nicht auf dem OP-Tisch, überstand die lange Zeit im künstlichen Koma, und das Implantat hält erstaunlicherweise immer noch, obwohl das Annähen an die verbliebenen mürben Gefäßreste der reinste Horror gewesen sein muss.
Nächstes Jahr wird mein Vater bei akzeptabler Gesundheit 80 Jahre alt.
Trupp
DMF-Mitglied
Beiträge: 25
Registriert: 18.12.04, 15:40

Beitrag von Trupp »

Hey doc,

also hamwa wieder was gelernt :)
Meine Vorstellung der Symptomatik bei einem Mesenterialinfarkt ist also wieder ein wenig gewachsen.
Aber du hast vollkommen recht. Allein von der Logik her müssten die Gase alles aufblähen.
Jedoch würde durch den Infarkt nicht auch die Darmwand so sehr beschädigt das es zu Perforation kommt ?
Das würde heissen Freie Luft im Bauch ?

Danke nochmal für deine guten Ausführungen zu diesem Thema
mfG
Marcus

PS.: Bis nacher :p
Gast
Topicstarter

Beitrag von Gast »

Trupp hat geschrieben:Hallo Doc-in-not, :)

zuerst einmal fand ich deine Fallschilderung sehr interessant und lesenswert,
allderings habe ich eine frage. Was ist Babinski ?
Das einzige was ich kenne ist der Babkin Reflex. Ist das gemeint ?
Ich meine als Krankenpflegeschüler im 2. Ausbildungsjahr muss man ja nich alles wissen ;)

mfG
der babinski reflex wird angewand um auf ein cerebrales ereignis evtl schlußfolgern zu können wie z.b. apoplex o.ä
hierzu wird der reflexhammer(stumpfe griffsteite) in der innenfläche der fußsohle entlanggeführt. wenn der große zeh sich kopfwärts bewegt könnte man auf ein cerebrales ereignis schließen sprich der neurologische status gibt den anhalt, begleitumstände nicht ausschließen. sicherheit gibt dann nur ein ct...

gruß vom rettass aus schleswig-holslein
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