Korrektes Handeln bei "Alkoholleiche"?

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Mkelleni
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Korrektes Handeln bei "Alkoholleiche"?

Beitrag von Mkelleni »

Hallo!

Ich bin neu hier im Forum und hoffe, dass ihr mir ein paar Informationen über nachfolgende Situation geben könnt.

Zu meiner Person: ich bin 20 Jahre, Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und habe letzte Woche mein Abitur geschrieben.

Letzteres erwähne ich v.a. deshalb, weil es für die Situation doch von Relevanz ist: Abi-Party! Letzten Mittwoch, am Tag der letzten schriftl. Prüfung, wurde natürlich ordentlich gefeiert. Zuerst mittags auf dem Pausenhof, dann abends auf einem privaten Stückle.

An besagtem Abend hat es einer meiner Klassenkameraden dann tatsächlich geschafft, sich "zu viel des Guten" zu gönnen - er hat so viel getrunken, dass er in sitzender Position einfach nach hinten gekippt ist - mir direkt vor die Füße! Ein paar Leute haben versucht, ihn zu wecken, was allerdings nicht möglich war --> keinerlei Reaktion!

Ich hab mir dann gedacht, das es vllt. doch ganz günstig wäre, ihn in die stabile Seitenlage zu bringen, um eine eventuelle Aspiration durch Erbrechen zu verhindern. Somit haben wir ihn von seiner "Sitz"position auf ein Stück freie Wiese gebracht und ich habe die Vitalfunktionen überprüft. Atmung war vorhanden, Puls lag bei ~75 Schläge/min, Bewusstsein war weg. Zwar hat er anfangs noch kurz Stöhnlaute von sich gegeben, doch das war's dann auch, danach keinerlei Reaktion, weder auf akustische Reize, noch auf Schmerz (ein ebenfalls betrunkener Klassenkamerad musste sich leider einmischen und ihm ins Ohr schreien und nicht gerade sanft versuchen, ihn mit Gewalt (mehr oder weniger) wach zu bekommen.

Nachdem ich den Kollegen damit beschäftigt habe, eine Decke zu holen, habe ich ihn dann in die stabile Seitenlage gebracht und regelmäßig Atmung und HF kontrolliert. Irgendwann hab ich dann gedacht, dass es reicht - nach wie vor keinerlei Reaktionen, zudem noch das Risiko der Auskühlung. Ein paar Klassenkameraden und ich haben beschlossen, ihn nach Hause zu fahren.

Ich fuhr also mit meinem Auto von der Straße an das Stückle, wo meine Klassenkameraden ihn Richtung Auto trugen. Er war nach wie vor vollkommen weg - wir hatten gehofft, dass er zumindest einigermaßen zu sich kommt. An der Stelle war's dann für mich genug und ich hab per 112 nen KTW gerufen.

Dieser kam auch recht zügig, hat versucht, ihn aufzuwecken (er hat tatsächlich nach nem Kniff des Sanis kurz mit den Augenlidern gezuckt und den Mund verzogen, aber dann war's auch wieder aus. Sie haben ihn ins Krankenhaus gefahren, wo er die Nacht auf der Intensivstation verbrachte!

Laut Krankenhaus hatte er eine BAK von 2,6 Promille!


Nun zu meinen Fragen: Viele Klassenkameraden haben mir unterstellt, dass ich übertrieben reagiert hätte - ich hätte ihn doch einfach seinen Rausch ausschlafen lassen oder zumindest vor dem Anruf bei der Leitstelle erst mal bei seinen Eltern anrufen sollen. Für mich war allerdings das Risiko einer Unterkühlung nicht Unerheblich - und einen Anruf bei seinen Eltern (er ist immerhin bereits 19) erscheint mir aus Sicht der Rettungskette als unnötig und Zeitverschwendung! Ich hab mir so schon Vorwürfe gemacht, dass ich den Rettungsdienst vllt. doch schon früher hätte alarmieren sollen. :(

Außerdem hatte ich noch einen Konflikt mit einigen Kameraden über folgenden Sachverhalt: die Wiese, auf der ich den Patienten in die stabile Seitenlage gebracht habe, ging mehr oder weniger steil bergab. Ich habe darauf bestanden, dass der Junge mit dem Kopf nach unten hingelegt wird, um die Durchblutung der lebenswichtigen Organe zu sichern/fördern, falls der Kreislauf zusammenbricht. Ebenso hielt ich dies in Anbetracht eines möglichen Erbrechens ebenfalls für klüger!
Was meint ihr dazu? War das richtig oder doch eher suboptimal?


Danke im voraus für eure Antworten,
Michael!
redmedic
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Beitrag von redmedic »

ich finde du hast alles richtig gemacht.
sicher kann man es übertreiben und übervorsichtig sein, aber besser einmal zu vorsichtig als einmal zu unvorsichtig.(es sind schon einige in ihrer eigenen kotze ertrunken)
stabile seitenlage ist bei ausreichender atmung genau das richtige. so kann das erbrochene gut ablaufen und es kommt nicht zur aspiration. außerdem ist es nicht so leicht möglich, dass man seine zunge "verschluckt".
FLindi
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Beitrag von FLindi »

Hallo Michael,

ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen. Übertrieben hast Du keinesfalls. Das einige Leute alles besser wissen, wird sich leider niemals ganz vermeiden lassen. Eine Bewustlosigkeit bei einem Vollrausch wird dann mal eben auch schnell unterschätzt. Lass dich durch solche Sprüche auf keinen Fall entmutigen.

Wirf doch bitte auch mal einen Blick auf diesen Link:

http://www.medizin-forum.de/phpbb/viewt ... er=rettmed

Schönen Sonntag
Frank
Mkelleni
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Beitrag von Mkelleni »

Hallo zusammen!

Erst mal vielen Dank für eure Antworten, hat mein Gewissen nun doch schon beruhigt! :)

In dem Link konnte ich das erkennen, was ich mir fast schon gedacht habe: nämlich dass es kein allgemeingültiges Vorgehen gibt, was Alkoholintoxikation angeht.

Ich bin auf jeden Fall froh, dass das ganze so glimpflich abgelaufen ist!


Nun würde mich aber noch die Sache mit der stabilen Seitenlage interessieren:
Außerdem hatte ich noch einen Konflikt mit einigen Kameraden über folgenden Sachverhalt: die Wiese, auf der ich den Patienten in die stabile Seitenlage gebracht habe, ging mehr oder weniger steil bergab. Ich habe darauf bestanden, dass der Junge mit dem Kopf nach unten hingelegt wird, um die Durchblutung der lebenswichtigen Organe zu sichern/fördern, falls der Kreislauf zusammenbricht. Ebenso hielt ich dies in Anbetracht eines möglichen Erbrechens ebenfalls für klüger!
Was meint ihr dazu? War das richtig oder doch eher suboptimal?
Danke nochmals für eure Antworten,
Michael!
redmedic
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Beitrag von redmedic »

hmm also wichtig wäre, dass der mund dann nicht in richtung bergauf zeigt...
(damit das erbrochene nicht zurück in den mund läuft oder so...)

falls er wirklich so stark erbrechen würde, dass er in einen volumenmangel-schock kommt, ist es richtig die beine höher zu lagern als den rest des körpers.

von daher hast du echt alles richtig gemacht würde ich sagen. daumen hoch :wink:
supermattze
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Beitrag von supermattze »

ssl und bergauf (kopf oben) haben den selben effekt wie wenn der patient sitzt -> thorax drückt auf den magen -> ungünstig.
wenn der hang schräg ist würde ich die seitenlage so ausführen das er quer zur schräge liegt.
Dennoch würde mich interessieren was unsere docs dazu sagen.
SAN_FW
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Beitrag von SAN_FW »

Hallo!
redmedic hat geschrieben: falls er wirklich so stark erbrechen würde, dass er in einen volumenmangel-schock kommt,
Ist das überhaupt möglich?
Bensan
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Beitrag von Bensan »

also ich glaub nicht in so einem kurzen zeitraum^^
loxi
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Beitrag von loxi »

SAN_FW hat geschrieben:Hallo!
redmedic hat geschrieben: falls er wirklich so stark erbrechen würde, dass er in einen volumenmangel-schock kommt,
Ist das überhaupt möglich?
Sofern es sich beim Erbrochenen ausschließlich um Mageninhalt und nicht etwa um Blut handelt, kann zwar ein relativer Volumenmangel entstehen, zumal Alkohol ja zusätzlich die Wasserausscheidung über die Nieren anregt. Dass dieser allerdings dann wirklich zu einem Schock führt ist meines Erachtens sehr sehr unwahrscheinlich, sofern der Patient ansonsten normal gesund ist.
Zuletzt geändert von loxi am 30.04.07, 15:34, insgesamt 1-mal geändert.
supermattze
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Beitrag von supermattze »

da müsste mit sicherheit schon ein vorgang über einige stunden stattfinden.
redmedic
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Beitrag von redmedic »

stimmt es ist wirklich sehr unwahrscheinlich!

hab ich persönlich auch noch nie gesehen. höchstens bei ösophagus-varizenblutung o.ä.
CYP3A4
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Beitrag von CYP3A4 »

wenn der hang schräg ist würde ich die seitenlage so ausführen das er quer zur schräge liegt
... aber nicht wenn du beim Roten Kreuz bei den Erste-Hilfe-Wettbewerben mitmachst. Da muss der Kopf den Hang nach unten liegen. Begründung: das Erbrochene soll ja aus dem Mund herausfließen, bzw. soll der geöffnete Mund der tiefste Punkt des Körpers sein. Ob das jetzt tatsächlich einen riesigen Unterschied machst ob du ihn quer zum Hang legst oder nicht brauchen wir glaub ich nicht zu diskutieren......

Gruß,

Fabian
RA-Azubinchen
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Beitrag von RA-Azubinchen »

Da das ganze jawohl nachts war,es nachts im Moment noch sehr kalt ist und der junge Mann auf dem Boden, draussen, er stark alkoholisiert war, was eine Unterkühlung nur fördert und es daraufhin zu einer Zentralisation des Kreislaufes kommt war die Kopftieflage sicherlich gar nicht schlecht, mal abgesehen von der Aspiraionsgefahr.
Uwe Hecker
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Beitrag von Uwe Hecker »

Hallo Michael,

ich bin erst jetzt auf den Tread gestoßen. Und deshalb das allerwichtigste zuerst: Du hast alles richtig gemacht, du begründest deine Entscheidungen, was zeigt das Du über dein handeln nachdenkst, und ich bitte Dich handle jederzeit wieder so, wenn es die Situatiion erfordert. Im Kreise Deiner Freunde kannst Du problemlos argumentieren.

1. Dein Schulkamerad, war bewustlos; das ist in jedem Leitstellenindikationskatalog- ohne wenn und aber - ein Einsatz für den Notarzt.
2. Handelt es sich bei dem Ereigniss um eine akute Vergiftung. Jedem anderen Vergifteten hätten deine Freunde wohl auch Hilfe zu teil werden lassen, einen Krankenwagen gerufen oder ähnliches. Warum nicht bei Alkoholvergiftung ? Es gibt kein Argument dagegen, und glaube mir, ich habe schon Fälle erlebt da wurden wir, -am nächsten Mprgen - definitiv zu Spät gerufen. Übrigens auch nach einer Abiparty.

Also nochmal: Handle jederzeit wieder so, wie Du es getan hast. Keiner von den Rettungsdienstlern wird Dir das übel nehmen, im Gegenteil. Und deinen anderen Klassenkameraden würde ich doch dringenst raten einen Erste Hilfe Kurs zu besuchen.

Gruß

Uwe

Fachkrankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie
Rettungsassistent
Gesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie / Rettungsassistent
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