(präklinische)Narkoseführung bei Schwangeren und Frühgeboren

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Roy Barsch
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(präklinische)Narkoseführung bei Schwangeren und Frühgeboren

Beitrag von Roy Barsch »

Guten Abend!

Hatte heute eine interessantes Gespräch mit einem Kollegen bzgl. Narkose bei Schwängeren und Neugeborenen (bzw. Frühgeborenen), das mich noch einmal sehr zum nachdenken angeregt hat...

Gibt es bei euch einen Standart was die Wahl der Drugs angeht?
Relaxans?
Narkotikum? Sedativum?
Analgetikum?

Danke, ich freue mich auf interessante Informationen!
Die Steine des Leids bauen die Säulen des Glücks
Dr. A. Flaccus
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Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Moin!

Schwieriges Thema, kein Wunder das noch keiner geantwortet hat... :wink:

Ich denke auch, so pauschal kann man das nicht sagen - welche Notfallsituation liegt denn genau vor?

Wie "schwanger" ist denn die Pat. (Woche 1 oder Woche 39)?
Und warum soll das Neu-/Frühgeborene intubiert werden? Trauma? Ateminsuffizienz?

Oder um es mal anders anzugehen: Bei einer Polytraumatisierten in der 38. Woche bestimmt das Trauma die Auswahl meiner Maßnahmen .
Bei Verdacht auf Lungenembolie in der 14 SSW. überlege ich, ob man das Thema "Narkose" nicht bis zur Diagnosesicherung in der Klinik aufschieben kann...
Falls das nicht geht: Die MUTTER ist der primäre Patient und wenn es darum geht, ihr Leben zu retten, wird sie behandelt! Mit den gängigen Narkosemedikamenten kann man da auch kaum etwas falsch machen.

Um tiefer in die Materie einzusteigen, müßte die Frage präzisiert werden.
Dr. A. Flaccus
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fa7x110
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Beitrag von fa7x110 »

Was die intensiv Versorgung von Frühgeborenen angeht kann ich dir nur die aktuelle Ausgabe der Rettungsmedizin (Springer) empfeheln. Sehr ausführlicher Artikel über invasive Maßnahmen und Medikation.
Roy Barsch
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Beitrag von Roy Barsch »

In erster Linie hätte mich interessiert, ob bei euch irgendwelche Standarts/Protocols/Algorythmen existieren.
Wir hatten eine Patientin 27 SSW mit Z.n. Sturz (auf Treppe), Mittelgesichtsfeldfraktur und Hirndruckzeichen mit Dormicum und Ketanest -> Intubation und normofrequenter IPPV-Beatmung therapiert.
Darauf entstand die Duskussion ob Dormicum/Ketanest da so geeignet waren...
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Beitrag von fa7x110 »

Meine unqualifizierte Antwort wäre mal unabhängig von der gravidität der Patientin, das ihr mit Fentanyl/Dormicum/ plus Hypnotkum besser gefahren wäret, bei der Diagnosestellung.
Relaxation (vor Intubation) wäre auch schön gewesen.
Helmy
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Beitrag von Helmy »

Benzodiazepine.... sind Plazentagangig, und können ein Flappy-Infant-Syndrom machen.

Soweit mir bekannt ist, ist jedes mir bekannte Relaxans plazentagänging, aber ich lese mich da nochmal rein.

War die Pat ansprechbar?
Wie alt war die Pat'in?
Risikoschwangerschaft?
Vorsorgeuntersuchungen?
Gewicht?

aber i muß mi da no mal nei lesen,... *sorry*
Dr. Ch. Erbschwendtner
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Beitrag von Dr. Ch. Erbschwendtner »

Hallo !
Schwieriges Thema, kein Wunder das noch keiner geantwortet hat... Winken

Ich denke auch, so pauschal kann man das nicht sagen - welche Notfallsituation liegt denn genau vor? (Doc Alf)
Wie Kollege Dr. Flaccus schon geschrieben hat, hängt es sehr stark von der Situation ab.
Dazu kommen einerseits Ihre persönliche Erfahrung und andererseits die Ausstattung des jeweiligen Rettungsmittels.

In dem von Ihnen kurz geschilderten Fall würde ich eine Intubation, wie bei jedem "normalen" SHT, mit entsprechender Narkoseführung durchführen.

Entscheidungskriterien für die Medikamentenwahl wären hier natürlich das Verletzungsmuster (isoliertes SHT oder komplexe Mehrfachverletzung) und der hämodynamische Status der Patientin.

Ketamin und Midazolam sind sicher eine denkbare Option (plus Relaxans)

Fentanyl, Etomidate, Midazolam sicher auch.

Bei guten hämodynamischen Parametern wäre auch ein Barbiturat oder Propofol eine Option.

Auf Ihre Frage nach den Algorhythmen kann ich Ihnen keine fixen für den Rettungsdienst anbieten. Wir haben zwar "Leitlinien" für die Notärzte, aber die ärztliche Entscheidung richtet sich eben auch nach obigen Punkten.

Gruß

Erbschwendtner
Zuletzt geändert von Dr. Ch. Erbschwendtner am 14.09.05, 00:16, insgesamt 1-mal geändert.
Dr.Ch. Erbschwendtner
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Helmy
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Beitrag von Helmy »

Da möchte ich gerne einhacken,

Sie schreiben, hier der primäre Pat. ist die Mutter und ihr Verletzungsmuster, aber sollte man nicht auch das Kind berücksichtigen das noch im Uterus ist, mir fallen dort nur so Worte ein wie Floppy Infant Syndrom, Hemmung der Surfuctant Bildung, können sie vieleicht auch dazu einen Tipp geben, was Ihrer Meinung nach Mittel der Wahl wäre?
Dr. A. Flaccus
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Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Moin!
Helmy hat geschrieben: Sie schreiben, hier der primäre Pat. ist die Mutter und ihr Verletzungsmuster, aber sollte man nicht auch das Kind berücksichtigen das noch im Uterus ist, mir fallen dort nur so Worte ein wie Floppy Infant Syndrom, Hemmung der Surfuctant Bildung, können sie vieleicht auch dazu einen Tipp geben, was Ihrer Meinung nach Mittel der Wahl wäre?
Ich hab´ das jetzt zwar nicht nachgelesen, aber ich glaube nicht, daß diese Dinge bei einmaliger Anwendung der bisher genannten Medikamente zum Tragen kommen.

Außerdem haben wir ja im RTW nicht ganz so viele Alternativen, oder?

Und wer sagt denn auch, daß gleichzeitig zum müttterlichen Notfall die Geburt ins Haus steht? IM Mutterleib stören weder Diazepam, noch Succinylcholin, denn das Kind muss nicht eigenständig atmen.

Das Thema ist recht komplex, da muß man es sich eben einfach machen:

Ist die Mutter vital gefährdet - dann ist auch das Kind in Gefahr. Ergo: Eine tote Mutter nutzt mir nix, nur weil ich vielleicht mit Medikamenten "gespart" habe...
:arrow: Die Mutter retten und ihr das geben, was sie zum Überleben braucht :!:

Ist die Mutter nicht vital gefährdet: Dann in eine Klinik mit Geburtshilfe/Gynäkologie UND Unfallchirurgie (bei Trauma). Dort können dann die "Experten" unter Hinzunahme von Sono, CTG usw. ihre Entscheidungen treffen.

Und noch eine Variante möchte ich vorschlagen, die ich selbst schon praktiziert habe, denn solche Notfälle sind selten und man kann als NA nicht alles wissen. Aber man muß wissen, wann man um Hilfe fragen muß :!:
:arrow: In der Klinik anrufen und je nach Fragestellung den diensthabenden Gyäkologen oder Anästhesisten um Rat fragen.

Lieber ein Gesichtsverlust (warum eigentlich befürchten wir das :?: ) gegenüber den Kollegen, als jahrelang Gewissensbisse, wegen eines Fehlers, den man hätte vermeiden können.
Dr. A. Flaccus
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Roy Barsch
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Beitrag von Roy Barsch »

Hallo!

Ich denke Flappy Infant hin, Flappy Infant her, ich schließe mich da dem Posting von Dr. Flaccus an:
Ist die Mutter vital gefährdet - dann ist auch das Kind in Gefahr. Ergo: Eine tote Mutter nutzt mir nix, nur weil ich vielleicht mit Medikamenten "gespart" habe...
Die Mutter retten und ihr das geben, was sie zum Überleben braucht
Eine Mittelgesichtsfeldfraktur (LeFort II), mit Hirndruckzeichen, B-losigkeit und Ateminsuff., stellt für mich eine Indikation zur Intubationsnarkose dar.
Nachdem der Grund es ein "Stolperunfall" war, und andere Ursachen des Sturzes auf der Steintreppe auszuschließen waren, denke ich, Dormicum, Ketamin und Pantolax (Suxamethonium) waren angemessen. Die Intubation verlief problemlos, ohne Präkurarisierung.

Also eine Hemmung der Surfactant-Faktor-Synthese sehe nicht als Problem an, gerade von bei einer Regelgeburt zw. in der 36./37 SSW ein entsprechendes Kortikoid (Beclo; Dexa?) appliziert wird. Gerne lasse ich mich allerdings eines Besseren belehren.
Originaltitat von fa7x110
Fentanyl/Dormicum/ plus Hypnotkum
Als ich persönlich würde da eher zu Fenta/Dormicum plus Relaxans neigen, die kardiozirkulatorischen Eigenschaften sind, denke ich hier ein wenig günstiger.
Die Hypotonie bei Midazolam, gerade bei Traumata ist - denke ich -, nicht zu unterschätzen und in Kombination mit Fenta ohne Relaxans...
Aber ich denke es kommt auch immer auf die Erfahung und "Vorlieben" des Arztes an.

Mit kollegialem Gruß,
R.B.

P.S.: Zwar etw. Off-Topic, aber ich hatte vor einigen Wochen einen Artikel über präkl. Narkosen gelesen (ich weiss allerdings nicht mehr wo). Kein NEF/RTH in angemessener Zeit verfügbar, also hat der RA eine Narkose mit 100mg Ketamin und inges. 15mg Midazolam gefahren!
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Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Zwar etw. Off-Topic, aber ich hatte vor einigen Wochen einen Artikel über präkl. Narkosen gelesen (ich weiss allerdings nicht mehr wo). Kein NEF/RTH in angemessener Zeit verfügbar, also hat der RA eine Narkose mit 100mg Ketamin und inges. 15mg Midazolam gefahren!
Der Artikel erschien in der Zeitschrift RETTUNGSDIENST aus dem SK-Verlag. Wir haben in diesem Forum ausgiebig darüber diskutiert. Benutz dochmal die Suchfunktion.

Gruss,
Erik Eichhorn
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Helmy
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Beitrag von Helmy »

Ja, ich sehe das auch so wie Ihr jetzt, nachdem ich diese schlagkräftigen argumente lese und mal so bissel nachgeschlagen habe, würde ich nicht aber ich hoffe mal der Arzt auch in diesem sinne reagieren, das was ich mir im hinterkopf behalten wollte war das ungeborene, und evtl. durch den sturz die geplatzte fruchtblase,...
aber da dies hier nichtd er fall ist udn die mutter hier primär der Pat. ist!

Vielen dank für diese guten erkläreungen.
ich lese ab jetzt mal im hintergrund mit.
Roy Barsch
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Beitrag von Roy Barsch »

Die Symptomatik einer abgerissenen Plazenta, ist doch sehr deutlich, eigentlich kaum zu übersehen...
Ich denke, du kannst auch ruhig im Vordergrund mitmachen, ich bin nur morgens in einem "hypocoffeinischen" und hyponikotinämischen" intervall bissig. :D

Ja, danke für den Tipp mit der Suchfunktion!
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