Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambulanz

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Dr. A. Flaccus
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Um noch mal etwas klarer zu formulieren, warum ich hier so "gegen den Trend" komische Fragen stelle:

1. Der Leistellendisponent schickt trotz eindeutiger klinischer Beschreibung (akut aufgetretene Atemnot und Thoraxschmerz) nur einen RTW. :arrow: Ja, so etwas kommt immer wieder mal vor, ich erlebe das in meiner NA-Tätigkeit auch immer wieder.
Aber: Möglicherweise war auch kein NEF frei (um nur mal so eine Alternative zu nennen.)
Und das Krhs. ist nur 1,5 km entfernt. Dann kann das auch ein RTW managen.

2. Der RTW braucht 20 min. :arrow: Ja, das kann ebenfalls vorkommen, wenn z.B. der nächstgelegene RTW im Einsatz ist. Oder der Disponent hat es "nicht so eilig" gemacht und den RTW ohne Alarm geschickt.

3. Das RTW-Team misst Fieber (Wann macht man das denn als Primärmaßnahme bei Atemnot???) und es wird die Lunge abgehört. Von der simpelsten Maßnahme, die (in meinem RD-Bereich) so gut wie immer durchgeführt wird, nämlich der Pulsoximetrie ist nicht die Rede. :arrow: Entweder: Tatsächlich nicht durchgeführt oder der Wert war gut oder ein schlechter Wert wurde ignoriert.

Bis hierhin würde das im "worst case" bedeuten:

- Eindeutige Symptome ignoriert
- RTW ohne Alarm geschickt
- einseitiges Atemgeräusch überhört!
- Sättigung nicht gemessen oder schlechten Wert ignoriert

Fakt ist wohl: Der RA hielt den Patienten nicht für sehr krank und lässt ihn laufen.
Warum?

4. Im Krankenhaus findet keine symptombezogene Untersuchung statt. :arrow: Warum hört die aufnehmende Ärztin nicht auf die Lunge bei einem primär beschriebenem Lungenproblem?

5. Es wird offenbar kein Röntgenbild der Lunge gemacht. :arrow: Warum unterbleibt diese Standardmaßnahme bei einem Lungenproblem? Der Pneu wäre sofort erkannt worden.

6. Stattdessen ist von einem CT die Rede :arrow: Ein CT ohne klinische Untersuchung ist absolut unüblich und widerspricht jeglicher klinischen Praxis. Wer macht bei V.a. Bronchitis ein CT???

Wenn man das liest, denkt man: Hier waren nur Stümper am Werk.

Ich hingegen hätte gerne mehr Informationen und Antworten auf die vielen Fragen, die für mich offen sind. Für mich sind das irgendwie zuviele Fehler auf einmal. Aber ich lasse mich gern belehren. Auch im deutschen Gesundheitswesen ist nichts unmöglich.

Sinnvoll zur Aufklärung wären also: Entlassungsbrief der Klinik mit Diagnosen und Befunden, Rettungsdienstprotokoll mit Zeiten und erhobenen Befunden sowie ein Mitschnitt des Anrufes bei der Leitstelle (wenn es über 112 war, existiert ein solcher).

Gruß

Dr. A. Flaccus
Dr. A. Flaccus
Facharzt für Anästhesie
- Notfallmedizin -
DMF-Moderator
stubentiger
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von stubentiger »

jaeckel hat geschrieben: Schauen Sie sich mal das System PASIS an und klicken Sie links auf Fallberichte...
Danke für die Info!
Dieses PASIS System ist ja eine hervorragende und vorbildliche Sache!
Sehr beruhigend zu wissen, dass bestimmte Fälle erkannt und beschrieben werden,
um eine Wiederholung ggf zu vermeiden.
Toll wäre es sicher, wenn so ein System überall verwendet würde
und eben auch in die Arbeitszeit etc integriert würde, also dass eine Reflexion
automatisch stattfinden könnte.
Aber dazu müsste wahrscheinlich erst einmal die Zeit vorhanden sein,
um solchen Arbeitsaufwand zu ermöglichen.
Aber ich kann von hier aus natürlich nur schlau reden, ohne dass ich einen Einblick
in den Klinikalltag etc habe.

Dr. A. Flaccus hat geschrieben:Sofort ein CT?
Kein Röntgenbild der Lunge?
So etwas ist in den meisten Kliniken das erste und geschieht i.d.R. recht früh.
Gerade bei Atemnot.

Hat der Rettungsdienst ein Pulsoximeter (eine Art Fingerclip) angelegt?
Können Sie etwas über die gemessenen Werte sagen?
Hat der Rettungsdienst außer abhören und Fiebermessen noch etwas gemachtß
Blutdruck, venöser Zugang?
Nein, es wurde leider kein Röntgenbild gemacht.
Es sollte ein CT gemacht werden (mit Kontrastmittel) wegen des Verdachts auf Lungenembolie.
Hätte man ein Thorax-Röntgen gemacht und mich dann liegen lassen (nach einer kurzen Erklärung,
was meine Symptome auslöst), wäre es für mich auch weniger schlimm gewesen.
So hätte man als patient zumindest die Erleichterung, dass die Ursache gefunden wurde (und einem geglaubt wird) und sobald wie möglich eine Behandlung stattfindet.
Aber es wurde ja nun leider nichts veranlasst.
Warum nun genau der Verdacht auf Lungenembolie bestand, kann ich nicht sagen.
Jedenfalls kam ich in die Radiologie und habe nun drei Bilder- laienhaft ausgedrückt zwei Querschnitte des Thorax und einen Längsschnitt.
Der Radiologe teilte dann auch gleich mit, dass nach den Übersichtsaufnahmen abgebrochen wurde,
da man den Pneu deutlich sehen konnte.
Er erklärte mir sogar den Befund, obwohl ich wirklich nicht mehr auf der Höhe war
und an das Kommende nur noch äußerst verschwommene Erinnerungen habe.

Was das Pulsoximeter betrifft, so kann ich mich nicht erinnern, dass dies zum Einsatz kam.
Werte dazu habe ich dementsprechend keine.
Aber da man den Clip einfach an den Finger steckt, muss ich ehrlicherweise sagen, dass ich nicht
mit 100%iger Sicherheit sagen kann, ob es zum Einsatz kam, da ich während der Fahrt
an der Seite saß und wir über Kopfsteinpflaster fuhren, was starke Schmerzen verursachte.
Mit absoluter Sicherheit kann ich sagen, dass keine Zugänge gelegt wurden.
Wobei ich mir diesbezüglich gerade überlege, wie schnell es denn überhaupt zu einem
Spannungspneu kommen kann- könnte es evtl sein, dass dieser sich erst im Rahmen des
Aufenthaltes in der notfallambulanz ausgebildet hat und vorher ein einfacher Pneu vorhanden war,
der bloß nicht erkannt wurde?
Aber wie gesagt, ich erinnere mich nicht, dass so ein Clip angelegt wurde.
Da könnte bestimmt das Protokoll helfen.
Dr. A. Flaccus hat geschrieben:Sinnvoll zur Aufklärung wären also: Entlassungsbrief der Klinik mit Diagnosen und Befunden, Rettungsdienstprotokoll mit Zeiten und erhobenen Befunden sowie ein Mitschnitt des Anrufes bei der Leitstelle (wenn es über 112 war, existiert ein solcher).
Den Entlassungsbrief habe ich ja bereits- bis auf die Uhrzeit (7 Uhr) steht dort als Diagnose
"Spontaner Spannungspneumothorax", weiter "32-jähriger Patient in gutem Allgemein- und Ernährungszustand. pulmonal abgeschwächte Atemgeräusche links, hyposonorer Klopfschall links, rechts o.B.
Ct Thorax nativ:
Bei vollständig kollabierter linker Lunge: Pneumothorax links mit ausgeprägten Spannungszeichen."
stubentiger
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von stubentiger »

Der Vollständigkeit halber sei noch gesagt, dass ich nach dem CT wieder in den Raum
zurückgebracht bzw -gefahren wurde, diesmal mit warmer Wolldecke und
dass ein weiterer Arzt zu mir kam, mich abhörte und zu den Schmerzen befragte
und leicht hektisch wurde.
Was danach passierte, erinnere ich nicht. Nur, dass ich dann irgendwann mit Drainage aufwachte.

Gruß,
Manuel
fa7x110
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von fa7x110 »

Hallo in die Runde

Ich habe mir den thread gründlich durch gelesen und bin nicht so ganz sicher was ich glauben soll. Eine Möglichkeit wäre eine Eskalation nach spontan Pneumothorax. Morgens aufgewacht vieleicht Husten im Schlaf, starker Schmerz --> spontan Pneumothorax. Geringe objektive Symptomatik mit starker subjektivem Schmerz und Angst.
Eintreffen des RTW, Sättigung gut, Auskultatorisch gar nicht bis minimal abgeschwächte AG links, keine Untersuchung auf fremitus oder resonance durchgeführt (nicht jeder RAs Sache). Frage nach Husten, produktiv? Temperaturmessung --> Verdachtsdiagnose Atemwegsinfekt. Der Rest nahm dann seinen Lauf.
Bei einer Lage wie durch das CT bestätigt wäre niemand mehr 4 Stockwerke und 300 Meter weit gelaufen.
Im KH verschleppte Untersuchung, wer weis wie viel los war, Eingangsdiagnose mit geringer Dringlichkeit.
Nach Diagnose anscheinend ja kompetente und sofortige Versorgung.
Weder der Rettungsdienst noch die Aufnahmeschwester kann an den Patienten einen Laptop anschließen und einen Fehlercode auslesen. Eine ausgeprägte Spannungssymptomatik zu übersehen traue ich allerdings fast niemandem zu, deshalb glaube ich bei der bekannten Datenlage an meine geschilderte Version die sicherlich nicht befriedigend für den Patienten ist, allerdings medizinische Realität.
Hätte man sich Mühe gegeben bei der Anamnese etc hätte man auf das Geschehen als DD kommen sollen, allerdings ist dies immer schwer zu beurteilen ohne Unterlagen.

Edit:
Warum CT? Bei der bestehenden Eingangsdiagnose mit Atemnot --> Röntgen thorax und Diagnose. Pneumothroax und Mediastinalverschiebung sind nun kein Diagnostisches Meisterwerk bei einem Röntgenbild. Kommt mir alles sehr spanisch vor.
mfg Marcus

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stubentiger
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von stubentiger »

Guten Abend!

Die Sache ist die, dass ich ganz sicher keinen Atemwegsinfekt hatte, nach produktivem Husten im Speziellen wurde meiner Erinnerung nach nicht gefragt, aber ich hatte trockenen Husten, der sehr schmerzhaft war, da Husten an sich kaum möglich, daher auch meine Aussage, meine Lunge sei „kaputt“.
Die Bronchitis-Diagnose ist eine Sache, aber ich denke auch, dass man davon ausgehen dürfte,
dass ein erwachsener Mensch in der Lage ist, einen Atemwegsinfekt von Schwerwiegenderem unterscheiden zu können.
Zumindest war mir persönlich (und ich hatte, wie die meisten, in meinem Leben schon einige Atemwegs- und grippale Infekte) von Anfang an klar, dass dies etwas anderes sein muss.
fa7x110 hat geschrieben:Geringe objektive Symptomatik mit starker subjektivem Schmerz und Angst.
Woran ist objektive Symptomatik zu messen?
An sichtbaren Schmerzen, z.B. gebückter Haltung? Atemnot? Fieber/nicht vorhandenem Fieber?
Fehlenden Atemgeräuschen? Zyanose?
fa7x110 hat geschrieben:Eine Möglichkeit wäre eine Eskalation nach spontan Pneumothorax.
Also können die Spannungszeichen im Verlauf der Stunden Wartezeit entstanden sein?
Dies würde aber dennoch nicht erklären, warum ich nicht untersucht wurde, mit deutlichen Schmerzen und Atemnot.
Natürlich weiss niemand, was an diesem Morgen in der Notaufnahme los war (ich sah dort niemanden, aber das muss sicher gar nichts bedeuten), aber ich wurde zudem weder ernst genommen, noch wurde ich untersucht- möglicherweise hätte das Abhören ja bereits zu einem ersten Verdacht führen können.
fa7x110 hat geschrieben:Eingangsdiagnose mit geringer Dringlichkeit.
Nach Diagnose anscheinend ja kompetente und sofortige Versorgung.
Ja genau- Eingangsdiagnose mit geringer Dringlichkeit. Aber warum? Denn es wurde ja nichts wirklich untersucht und angesichts der Symptome
(sicher, zum Teil subjektiver Art, aber dennoch sind extreme Schmerzen, starke Atemnot, ein Patient, der in gebückter Haltung über den Flur der Notaufnahme kriecht, meines Erachtens auch relativ objektive, zumindest sichtbare Symptome).
Ich weiss nicht, ob der Spannungspneu da so ausschlaggebend ist, denn ich gehe mal davon aus,
dass auch ein einfacher Pneu schon behandlungsbedürftig genug ist!

Zum Glück erfolgte dann eine zügige Behandlung- dafür bin ich auch sehr dankbar!

Aber dies ist ja auch nicht Inhalt der Diskussion, sondern vielmehr die Frage,
warum Symptome übergangen wurden, keine Untersuchung erfolgte und ich zweieinhalb Stunden
warten musste, bis dann ein Ct veranlasst wurde, ohne dass ich vorher wenigstens abgehört oder
ein Röntgen oder ähnliches veranlasst wurde.
fa7x110 hat geschrieben:Eine ausgeprägte Spannungssymptomatik zu übersehen traue ich allerdings fast niemandem zu
Ich weiss ja nicht, wie schnell sich so etwas entwickeln kann,
aber wenn ein Patient nicht untersucht wird, wie soll dann etwas festgestellt werden?
fa7x110 hat geschrieben:Edit:
Warum CT? Bei der bestehenden Eingangsdiagnose mit Atemnot --> Röntgen thorax und Diagnose. Pneumothroax und Mediastinalverschiebung sind nun kein Diagnostisches Meisterwerk bei einem Röntgenbild. Kommt mir alles sehr spanisch vor.
Warum ein Ct veranlasst wurde und dass kein Röntgen gemacht wurde, habe ich ja bereits mehrfach geschrieben.

Natürlich läge es im Bereich des Möglichen, dass es unglücklicherweise genau zu diesem Zeitpunkt einige offensichtlich und akut lebensbedrohlichen Fälle gab und ich somit auf die „Warteliste“ geschoben wurde. Das lässt sich natürlich nicht mehr nachvollziehen.
Aber vielleicht wäre ja trotzdem jemand da gewesen, der mich abhört oder ein Moment frei für ein Röntgen (immerhin wurde ich ja auch von einer Schwester angesprochen und es erfolgte die Aufnahme anamnestischer daten).

Gruß und einen angenehmen Abend,
Manuel
stubentiger
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Re: Auch: Verhalten des Rettungsdienstes und der Notfallambu

Beitrag von stubentiger »

Ich habe mir zu der Sache gestern noch einmal Gedanken gemacht und möchte mich erst einmal für die rege Beteiligung an dieser Diskussion bedanken!
Beim nochmaligen Durchlesen des threads merke ich, wie wenig doch eine klare Grenze zu ziehen ist zwischen Vorgängen, die man als Patient einfach nicht mitbekommt, menschlichen Fehlentscheidungen oder ungünstigen Situationen, Unterlassungen oder Unbedachtheit und der situationsbedingten subjektiven, individuellen Angst, von der die Wahrnehmung einer derartigen Situation geprägt ist.
Gerade wenn man ganz unmittelbar persönlich in so etwas involviert ist, wird es umso schwieriger,
weil letzteres doch sehr ausgeprägt ist.
Ihre Fragen und Kommentare zeigen aber auch (selbst unabhängig davon, wie ich speziell die Vorgänge erlebt habe), dass dieser Sachverhalt gar nicht so einfach zu erklären ist.
Ich habe mir überlegt, der Geschichte so weit es möglich ist nachzugehen und mich zu „beschweren“ bzw. zu erklären, wie ich das Ganze als Patient erlebt habe.
Vielleicht nützt es ja insofern, als zumindest für ähnliche Fälle die Aufmerksamkeit geschärft wird.
Sie haben mir sehr geholfen, das Erlebte differenzierter zu betrachten.
Selbst wenn für mich „meine Version“ immer noch absolute Gültigkeit hat und ich diese als „richtig“ ansehe, ist es sehr schwer zu sagen, ob und wer die Verantwortung für das Vorgefallene trägt,
da so viele Faktoren eine Rolle spielen.

Gruß,
Manuel
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