PM: Mehrheit der Kinderärzte gegen Schulschliessungen

Medizinische Fragen zu COVID-19 (Coronavirus), Infektiologie, Hygiene und Reisemedizin

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jaeckel
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PM: Mehrheit der Kinderärzte gegen Schulschliessungen

Beitrag von jaeckel »

Corona-Krise: Mehrheit der Kinderärzte gegen Schulschliessungen

- Mediziner kritisieren Vorgehen der Politik zu Lasten der Kinder
- Schulen sollten auch im Fall einer zweiten Corona-Welle
offenbleiben


Leverkusen, 05. August 2020 - Schule im Regelbetrieb, aber mit
festen Gruppen - das ist die Empfehlung der Mehrheit der Kinderärzte
in Deutschland. Rund ein Drittel der Mediziner spricht sich sogar für
einen Schulbetrieb ohne Einschränkungen aus. Dies sind Ergebnisse der
Studie "Homeschooling und Gesundheit 2020" der pronova BKK, für die
150 niedergelassene Kinderärzte und Kinderärztinnen befragt wurden.

Die Rückkehr zum Schulalltag ohne Einschränkungen halten für
Grundschulen 30 Prozent, für Mittelstufen 27 Prozent und für
Oberstufen 36 Prozent der befragten Mediziner für den richtigen Weg.
Normalen Betrieb, aber in festen Gruppen mit jeweils
unterschiedlichen Pausenzeiten und dem Verzicht auf Sport und Musik
empfehlen 53 Prozent der Ärzte für Grundschulen, 57 Prozent für
Mittelstufen und 51 Prozent für Oberstufen. Für Unterricht in
Kleingruppen an nur einzelnen Tagen pro Woche, wie er in vielen
Bundesländern noch bis zu den Sommerferien praktiziert wurde,
sprechen sich derzeit lediglich knapp ein Sechstel der
Kinderärztinnen und -ärzte aus. Zu einem Regelbetrieb ohne jegliche
Einschränkungen raten derzeit besonders Mediziner, die in sozial
schwächeren Gebieten praktizieren. In diesem Umfeld sind gut 40
Prozent für eine Rückkehr zum normalen Schulalltag.

Kindeswohl aus den Augen verloren

Die Ärztinnen und Ärzte üben deutliche Kritik am staatlichen Vorgehen
während der Corona-Krise im vergangenen Schuljahr. Die Politik habe
das Kindeswohl bei der Festlegung der Einschränkungen und auch bei
den Beschlüssen zur Lockerung zu wenig beachtet, meinen 78 Prozent
der befragten Ärzte. 71 Prozent teilen die Einschätzung, dass derart
starke Einschränkungen für Kinder nicht noch einmal verhängt werden
können. Mit dem Infektionsrisiko durch Kinder müsse eine Gesellschaft
leben.

Die Ärzte verweisen auf die negativen Folgen, die Schul- und
Kitaschließungen sowie Kontaktbeschränkungen für die gesunde
Entwicklung junger Menschen hätten. Das ließe sich in den Praxen
beobachten: Eine Mehrheit der Pädiaterinnen und Pädiater spricht von
einer Zunahme seelischer Leiden bei jungen Patienten infolge der
Corona-Einschränkungen. 68 Prozent rechnen mit Corona-bedingten
Traumata bei Heranwachsenden. "Kindern und Jugendlichen wurde ihr
gewohnter Alltag genommen, vertraute Strukturen brachen weg. Für
viele eine einschneidende Erfahrung, die sie noch lange beschäftigen
wird", sagt Gerd Herold, Beratungsarzt bei der pronova BKK. "Bei der
Entscheidung über Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie dürfen
auch die zum Teil gravierenden gesundheitlichen Folgen für Kinder
nicht übersehen werden."

Schulschließungen bei zweiter Welle keine Option

Bei einer erneuten Infektionswelle wäre die große Mehrheit der
Mediziner gegen abermalige Schul- und Kitaschließungen. Ein Drittel
spricht sich sogar gänzlich gegen Einschränkungen von Grundschulen
und Kitas aus, gut die Hälfte würde den Betrieb unter Auflagen wie
Hygienemaßnahmen weiterlaufen lassen. Der Unterricht an
weiterführenden Schulen sollte aus Sicht von 28 Prozent der Ärztinnen
und Ärzte ohne Eingriffe weiterlaufen, 67 Prozent würden bestimmte
Auflagen empfehlen.

Gut 40 Prozent der Pädiater wenden sich darüber hinaus gegen die
Schließung von Spielplätzen wie auch von Beratungsstellen und Zentren
für Familien. Jeder zweite Kinderarzt möchte den Nachwuchs künftig
von Einschränkungen zur Pandemie-Bekämpfung möglichst ausgenommen
sehen. "Kinder haben ein Recht auf Bildung und gesellschaftliche
Teilhabe - auch in Pandemie-Zeiten", sagt Herold von der pronova BKK.
"Ziel muss ein gangbarer Kompromiss sein, der den Infektionsschutz
mit dem Recht der Kinder auf Bildung vereint."

Sympathien für digitale Unterrichtsformen

Dabei sind die Kinderärzte nicht grundsätzlich gegen Fernunterricht,
sondern stehen virtuellen Angeboten durchaus offen gegenüber: 82
Prozent halten die Nutzung digitaler Methoden für eine sinnvolle
Ergänzung zum klassischen Unterricht. 72 Prozent heben hervor, dass
Kinder dadurch einen verantwortungsvollen Umgang mit Medien und ihren
Inhalten lernen und zudem gut auf das spätere Berufsleben vorbereitet
werden. Allerdings sieht knapp die Hälfte den Einsatz digitaler
Konzepte an Grundschulen skeptisch und befürchtet, dass dadurch die
kognitive und motorische Entwicklung eher gebremst würde.

Zur Studie

Die Kinderärztebefragung "Homeschooling und Gesundheit 2020" wurde im
Juni und Juli 2020 im Auftrag der pronova BKK im Rahmen einer
Online-Befragung durchgeführt. Bundesweit nahmen 150 niedergelassene
Pädiater daran teil.

Über die pronova BKK

Die pronova BKK ist aus Zusammenschlüssen der Betriebskrankenkassen
namhafter Weltkonzerne wie BASF, Bayer, Continental und Ford
entstanden. Bundesweit für alle Interessenten geöffnet, vertrauen der
Krankenkasse bereits über 650.000 Versicherte ihre Gesundheit an. Ob
per App, im Chat, über das rund um die Uhr erreichbare Servicetelefon
oder in den 60 Kundenservices vor Ort - die pronova BKK kümmert sich
jederzeit um die Anliegen ihrer Kundinnen und Kunden. Weitere
Informationen auf pronovabkk.de.

Pressekontakt:
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