Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

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seppl
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Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von seppl »

Hi,
es geht um einen Angestellten im öffentlichen Dienst, der von einem Kollegen (Beamter) nachweislich und unbestritten diskriminiert (Mobbing) wird.
Allerdings verweigert dessen Vorgesetzter dessen Disziplinierung oder Versetzung mit der Begründung, er sei beamtenrechtlich zu sehr geschützt und wegen Fachkräftemangel leider unersetzbar.
Nun kann der Gemobbte zum Arzt gehen, der ihn sicher mit der Begründung „Anpassungsstörung“ monatelang krankschreiben würde. Dies würde aber als Makel am Opfer klebenbleiben.

Müsste er bei Bewerbungen auf andere Stellen diese „Krankheit“ erwähnen?
Kann der Arzt, z. B. der Betriebsarzt, wenn ihm das Mobbing als plausibel belegt erscheint und das Opfer sonst als arbeitswillig und -fähig, nicht ein „professional distancing“ zum Mobber vorschreiben oder erwirken?
Also keine generelle Krankschreibung, sondern nur die Feststellung, dass der Umgang und die Zusammenarbeit mit dem Mobber krankmachend ist?! Mit der Konsequenz, den Kontakt und die Zusammenarbeit des Opfers mit dieser Person auf ein Minimum zu reduzieren.
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jaeckel
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Re: Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von jaeckel »

Hallo seppl,

in jeder Behörde sollte es eine(n) Mobbing-Beauftragte(n) geben. Ggf. mal beim Betriebsrat/Gewerkschafter nachfragen. Manchmal ist auch gut, die vorgesetzte Stelle/Ebene einzuschalten. Meist fällt dann auch diese Ausrede für Untätigkeit
seppl hat geschrieben: 15.04.20, 15:22 dessen Vorgesetzter dessen Disziplinierung oder Versetzung mit der Begründung, er sei beamtenrechtlich zu sehr geschützt und wegen Fachkräftemangel leider unersetzbar.
weg, weil das Ignorieren eines Mobbing-Vorfalls sich auch in der Personalakte des Vorgesetzten nicht gut macht. Nur Mut. Mobbing ist keine Kleinigkeit.

Vgl. https://www.monster.de/karriereberatung ... pfer-64012

Wir haben auch ein Schwesterforum für Arbeitsrecht, Beamtenrecht und Polizeirecht... www.recht.de
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
Klinische Akut- und Notfallmedizin
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Intensivmedizin, Notfallmedizin, Hypertensiologe (DHL), ABS
seppl
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Re: Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von seppl »

Leider wird Mobbing auch oder besonders im öffentlichen Dienst toleriert!
Ich weiß, dass ein Arzt einen deshalb wegen "Anpassungsstörung" generell krankschreiben kann,
aber die (unentgeltliche) Ausübung eines Teils der betr. Arbeit an einem anderen Ort, z. B. Fortbildung, durchaus als wohltuend erlauben kann.
Kann er dann nicht auch erwirken: Da der mobbende Kollege xy seinen Patienten glaubhaft krank macht ,
wird der Kontakt und die Zusammenarbeit mit dem Mobber auf ein Minimum reduziert,
sodass der Gemobbte für seinen Arbeitgeber arbeitsfähig bleibt?!
Brigitte Goretzky
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Re: Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von Brigitte Goretzky »

seppl hat geschrieben: 15.04.20, 17:14 Kann er dann nicht auch erwirken: Da der mobbende Kollege xy seinen Patienten glaubhaft krank macht ,
wird der Kontakt und die Zusammenarbeit mit dem Mobber auf ein Minimum reduziert,
sodass der Gemobbte für seinen Arbeitgeber arbeitsfähig bleibt?!
Nein, das kann ein Arzt nicht. Ärzte sind keine Polizei oder Behörde, die verbindliche Bestimmungen treffen können, von ganz wenigen gesetzlich genau definierten Fällen abgesehen.

Ein Betriebsarzt ist ein Berater, er kann Vorschläge machen, aber nicht vorschreiben, wie mit einer Situation umgegangen werden kann/sollte. Dabei hütet sich ein versierter Betriebsarzt vor zu speziellen Vorschlägen, denn zum einen kann dies auch zur Kündigung des Betroffenen führen, wenn man etwas als notwendig beschreibt, das gar nicht machbar ist. Zum anderen kennt man als Arzt nur eine Seite, und auch wenn die Beschreibung und der Betroffene glaubhaft erscheinen, weiss man nicht, ob es wirklich so ist oder lediglich so wahrgenommen wird.
Ganz zum Schluß: wenn die Situation am Arbeitsplatz so unerträglich ist, daß man sich immer wieder oder für lange Perioden krankschreiben lassen muss, ist der Wechsel des Arbeitsplatzes für den Betroffenen oftmals die beste Entscheidung.
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seppl
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Re: Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von seppl »

Guten Tag, Frau Goretzky und die anderen!
Sie arbeiten als Ärztin im Bereich Arbeitsmedizin?
Unter https://www.praktischarzt.de/arzt/fach ... riebsarzt/ lese ich: "Der Arbeitsmediziner kann empfehlen, dass der Arbeitsplatz des Mitarbeiters angepasst werden muss (z.B. Augenprobleme durch einen schlechten Bildschirm) oder der Mitarbeiter eine andere Arbeit im Unternehmen ausführen soll."
Eine Krankschreibung wegen Psychoterror am Arbeitsplatz, der zu einer "Anpassungsstörung" führt, kann also kein Betriebsarzt, sondern nur ein anderer Arzt vornehmen?
In dem von mir genannten Fall ist das Mobben, verübt von einem Beamten gegen einen öffentl.-rechtl. angestellten Kollegen, schriftlich und unbestreitbar belegt. Dieser Beamte stand schon zuvor wegen schweren Fehlverhaltens unter Supervision seines Vorgesetzten und seine Probezeit wurde wegen schweren Fehlverhaltens auf das Maximimum verlängert. Er wurde nur ins Beamtenverhältnis übernommen und noch nicht versetzt, weil seine Vorgesetzten überzeugt sind, sonst keinen anderen für diesen Arbeitsplatz finden zu können.
Wenn nun der Betriebsarzt aus gesundheitlichen Gründen empfehlen kann, dem AN eine andere Tätigkeit zuzuweisen (was in diesem Fall schwierig ist): Kann er dann nicht auch ein "professional distancing" zwischen Mobber und Opfer empfehlen?
Kann die Empfehlung, den AN an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, dazu führen, dass der AN eine schlechter bezahlte Arbeit akzeptieren muss?
Frdl. Grüße! Seppl
Brigitte Goretzky
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Re: Kann ein Arzt “professional distancing” zu einem Mobber erwirken?

Beitrag von Brigitte Goretzky »

seppl hat geschrieben: 17.04.20, 10:44 Eine Krankschreibung wegen Psychoterror am Arbeitsplatz, der zu einer "Anpassungsstörung" führt, kann also kein Betriebsarzt, sondern nur ein anderer Arzt vornehmen?
Zunächst einmal: "Psychoterror" ist keine Diagnose. Es ist ein emotional besetztes Schlagwort, das gerne anstelle sachlicher Argumente eingesetzt wird.

Eine Anpassungsstörung ist eine definierte gesundheitliche Störung, die auch durch Belastungen am Arbeitsplatz verursacht oder verstärkt werden kann. So etwas diagnostiziert man aber nicht in einem halbstündigen Gespräch, da braucht man in der Regel mehr Zeit und wiederholte Konsultationen.

Die Aufgaben eines Betriebsarztes sind im Arbeitssicherheitsgesetz ASiG §3 beschrieben. Der Betriebsarzt ist Berater des Arbeitgebers und involviert in der Unfallverhütung und Arbeitssicherheit im Betrieb, nicht in der Behandlung der Mitarbeiter. Eine Krankmeldung gehört aber zur Behandlung.
In dem von mir genannten Fall ist das Mobben ... schriftlich und unbestreitbar belegt.
Ich nehme an, dass die unbestreitbaren Belege die Beschwerden des Betroffenen sind? Einen objektiven Beobachter hat es vermutlich bislang nicht gegeben.
Wenn nun der Betriebsarzt aus gesundheitlichen Gründen empfehlen kann, dem AN eine andere Tätigkeit zuzuweisen (was in diesem Fall schwierig ist): Kann er dann nicht auch ein "professional distancing" zwischen Mobber und Opfer empfehlen?
Natürlich. Das bedeutet aber nicht, dass die Empfehlung oder das Endergebnis dem Wunsch des Mitarbeiters entsprechen müssen. Es kann auch eine völlig andere Lösung am Ende herauskommen, insbesondere, wenn der "Täter" für die Arbeit unersetzlich ist. Genau das beschreiben Sie ja:
Er wurde nur ins Beamtenverhältnis übernommen und noch nicht versetzt, weil seine Vorgesetzten überzeugt sind, sonst keinen anderen für diesen Arbeitsplatz finden zu können.
Dazu kommt: der Betriebsarzt kennt meist nur eine Seite - die des erkrankten Mitarbeiters. Ob das Mobbing tatsächlich stattfindet oder nur in der subjektiven Wahrnehmung des Mitarbeiters existiert, weiß der Betriebsarzt nur in ganz seltenen Fällen. Denn eine Sache scheinen Sie zu übersehen:
"Nicht die objektive Härte des Ereignisses, sondern das subjektive Empfinden der Belastung, die Menge der vorherigen schwierigen Erlebnisse, die individuelle Belastbarkeit sowie die Bewältigungsfähigkeiten sind entscheidend für die Krankheitsentstehung und ihren Schweregrad."Quelle: https://www.neurologen-und-psychiater-i ... toerungen/
Es ist daher durchaus möglich, daß völlig normale Konflikte am Arbeitsplatz, z.B. berechtigte Kritik durch den Vorgesetzten, vom Betroffenen als Mobbing empfunden wird, von Aussenstehenden aber als angemessen.
Kann die Empfehlung, den AN an einen anderen Arbeitsplatz zu versetzen, dazu führen, dass der AN eine schlechter bezahlte Arbeit akzeptieren muss?
Da müssen Sie einen Arbeitsrechtler fragen, das ist keine medizinische Fragestellung.
Allerdings können Empfehlungen grundsätzlich auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, nämlich dann, wenn die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand umsetzbar sind. Daher kann ich auch nur alle Berufstätigen warnen, ein Attest vom Hausarzt, daß man dieses oder jenes nicht kann (oder darf) oder bestimmte Bedingungen einzuhalten sind, dem Arbeitgeber in die Hand zu drücken. Die Folgen sind manchmal ganz anders als das gewünscht war.

Viele Grüße
B. Goretzky
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