Wo sind die guten Ärzte?

Moderator: DMF-Team

emilnick
Topicstarter

Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von emilnick »

Hallo,
ich weiß nicht, ob mir jemand helfen kann, aber mich würde interessieren, ob ich alleine mit meinem Problem bin oder wie andere damit umgehen:

Ich bin so etwas wie ein Hypochonder. Krankheiten faszinieren mich (sonst wäre ich auch nicht hier...), ich habe mal regelmäßig den Pschyrembel gelesen und ich sauge alle medizin. Infos auf wie ein Schwamm. Solche Leute sind ja als Patienten für jeden Arzt der Horror :wink:

Früher bin ich so damit umgegangen, dass ich ein wahres Doctor's hopping betrieben habe: Ich bin aus einer Praxis raus und gleich in die nächste, wenn ich mit dem Ergebnis des Arztes nicht zufrieden war. Dummerweise - und das ist das Problem - lag ich mit meiner Skepsis sehr oft richtig: Mein Kind hatte mal eine pseudomembranöse Kolitis nach Antibiotika, und ich habe vier Ärzte abgeklappert, bis uns mal jemand ernst genommen hat. Ich selbst habe ähnliche Erfahrungen mit meinen eigenen Wehwehchen gemacht: sehr viele Arztbesuche, viele davon umsonst, aber eben auch viele, bei denen es sich gezeigt hat, dass meine Hartnäckigkeit wichtig war, z.B. ein angebl. harmloser Leberfleck, der sich als Krebsvorstufe entpuppt hat - dafür musste ich zu fünf (!) Ärzten gehen, bis ich überhaupt mal jemanden gefunden habe, der mich ernst genommen hat.

Irgendwann habe ich die ständigen Arztbesuche eingestellt. Die Wehwehchen habe ich natürlich immer noch, aber ich bin mittlerweile so dermaßen misstrauisch, weil ich sowieso jedem Arzt erstmal unterstelle, seinen Job nicht richtig gut zu machen (das behalte ich natürlich für mich): Zu oft habe ich erlebt, dass nach Schema F gearbeitet wird, zu viele Fehldiagnosen aufgrund von schlampiger Diagnostik haben mich langfristig verunsichert: Wem kann ich überhaupt noch trauen?

Grundsätzlich habe ich das Gefühl, es gibt entweder Ärzte, die mindestens genauso panisch sind wie ich und bei jedem blauen Fleck am besten ein Blutbild machen - oder es gibt Ärzte, die einen nicht ernst nehmen und meinen, man bilde sich alles nur ein: So bin ich einen ganzen Winter von Arzt zu Arzt gerannt, bis mal jemand meinen Husten als hyperreagibles Bronchialsystem diagnostiziert hat. Warum kann das nicht der erste Arzt? Warum bekomme ich wegen des Hustens ein Antibiotikum nach dem anderen, Röntgenuntersuchungen ("falls da was ist, was da nicht hingehört")? Wieso sagen mir drei verschiedene Frauenärzte, was ich bei meinen Brustbeschwerden machen soll, und jeder sagt was anderes? Wieso kann es nicht einmal[/b] so sein, dass sich mehrere Ärzte einig sind, was bei einem bestimmten Beschwerdebild getan werden muss?

Wieso hab ich immer das Gefühl, es gibt die guten Ärzte nur im Internet oder bei irgendwelchen Ratgebersendungen im Fernsehen? Wieso hat man immer das Gefühl, dass jeder Arztbesuch nur noch mehr Unklarheit schafft? Hinzu kommen noch die Ärzte, die gleich bei der Begrüßung das Ultraschallgerät einschalten usw., und man sieht an der Praxiseinrichtung, dass damit der Kredit abbezahlt werden muss :evil:
Vigeo
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied
Beiträge: 337
Registriert: 19.04.10, 08:07
Wohnort: Emden
Kontaktdaten:

Beitrag von Vigeo »

Hallo,
mal zu Ihren Beispielen:
Wenn Sie anhaltenden Husten haben (oder therapieresistenten) ist es sehr vernünftig, Ihre Lunge röntgen zu lassen - eben um zu sehen "ob da etwas ist, was da nicht hingehört!"
Wenn Sie nicht geröngt worden wären und später wäre statt eines hyperreagiblem Bronchialsystems ein Tumor entdeckt worden, wäre das doch weitaus schlimmer, oder?

Warum verschiedene Frauenärzte verschiedene Meinungen zu Ihren Brustbeschwerden haben, weiß ich nicht, da ich Ihre Beschwerden nicht kenne. Wenn es keine eindeutige Diagnose gibt, ist es doch klar, dass die Meinungen auseinander gehen...

Bei Leberflecken, die sich verändern, gibt es ja bestimmte Kriterien, aufgrund derer dann weitere Untersuchungen anstehen. Wie Ihr Leberfleck aussah, weiß ich nicht.

Bin ich kein Arzt, aber vermute, dass jeder Arzt doch auch aufgrund seiner Erfahrungen, die er in seiner bisherigen Laufbahn gemacht hat, behandelt. Und ich fände das auch okay.

So wie ich Sie verstehe, geht es primär nicht darum, von einem Arzt ernst genommen zu werden. Sie wollen Ihre Diagnose bestätigt haben (sorry, wenn ich da falsch liege!).
Wenn ich einen Leberfleck hätte, den ich für verdächtig halte, gehe ich zum Arzt. Wenn der sagt, es ist alles okay, suche ich evtl noch einen zweiten auf, um seine Diagnose bestätigen zu lassen. Aber doch nicht fünf...
Viele Grüße, Linda
emilnick
Topicstarter

Beitrag von emilnick »

Linda, wenn ich die fünf nicht aufgesucht hätte, dann hätte ich jetzt ein Melanom. Wenn ich auf die Ärzte gehört hätte, die die Pseudomembranöse Kolitis für Quatsch gehalten haben, wäre mein Sohn mit Sicherheit auf der Intensivstation gelandet.

Wegen des Thorax-Röntgen: Der Arzt, der das veranlasst hat, war ein AIPler in der Ersten Hilfe, die ich mit einem schweren Hustenanfall aufgesucht hatte. Er wollte sogar noch eine Bronchioskopie machen. Die niedergelassenen Ärzte haben über dieses Vorgehen - warum auch immer - den Kopf geschüttelt.

Es geht nicht darum, dass ich einzelnen Ärzten etwas vorwerfen möchte; ich denke, jeder tut, was er kann bzw. wovon er meint, dass es das Richtige ist. Dazu gehören auch Irrtümer und Fehldiagnosen. Das Problem, das ich damit habe, ist, dass ich das Gefühl hab, der informierte Patient ist ein Störfaktor. WENN es denn so wäre, dass ich als Hypochonder ständig falsch liegen würde, wäre ich ja beruihgt, aber es macht mir regelrecht Angst, dass ich teilweise mehr weiß als die Ärzte (dies trifft v.a. auf die Ärzte in der Ersten Hilfe zu, die man mit Kindern ja hin und wieder aufsuchen muss): Da werden einem Sachen nicht geglaub ("das kann nicht sein"), und hinterher stellt sich heraus, dass der doofe Patient doch recht hatte.

Und diese Erfahrungen führen dann dazu, dass ich mittlerweile das Vertrauen in die ganze Ärzteschaft verloren habe - abgesehen mal von den immensen Kosten für das Gesundheitssystem, wenn die Patienten sich nicht wirklich gut betreut fühlen.
Penetranto
DMF-Mitglied
Beiträge: 80
Registriert: 27.07.08, 23:42

bravo Emil ;-)

Beitrag von Penetranto »

bravo Emil ;-)

es ist so wie du sagst
ich hab ähnliche erfahrungen gemacht mit ärzten: viele sind inkompetent und, schlimmer noch, desinteressiert
das liegt vielleicht zum einen an dem auswahlprinzip für medizinstudenten, da kommen streber in den genuss einen med studiums, die womöglich gar keine affinität zur medizin oder zu patienten haben und für die das nur so eine art prestige und modeberuf darstellt?

ich beobachte, wie sich das böatt dreht:
es wird nur noch BAGATELLISIERT, wo man keine lust aufs weiterbehandelt hätte oder das ganze zu kostenträchtig würde,
das prinzip scheint simpel: was ich nicht bemerke, nicht dignastiziere, muss iche ergo auch keiner behandlung zuführen?
die andere form einer bagatellisierung erlebt man bei unsicheren ärzten, welche die angst vor eigenen fehldiagnosen scheuen....
eine groteske entwicklung, die uns angst machen kann!

[CAVE: Ferndiagnostik & Fernbehandlung sind UNSERIÖS; Infos/Fragen zu eigenen Krankheiten oder persönlichen Erfahrungen ersetzen NIE eine direkte Arztkonsultation!]
Benutzeravatar
jaeckel
Administrator
Beiträge: 9080
Registriert: 15.09.04, 10:49
Wohnort: Bad Nauheim

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von jaeckel »

Liebe DMF-Mitglieder,

auch als Mediziner, der
- viele Überweisungen zu Fachärzten ausstellt
- viele Einweisungen in Kliniken vornimmt
- viel in die Notfallversorgung eingebunden ist
habe ich den Eindruck, dass die medizinische Versorgung der Patienten im Durchschnitt schlechter wird.

Über Ursachen und eine vorteilhafte Strategie für Patienten und Ärzte können wir hier gerne diskutieren.
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
Klinische Akut- und Notfallmedizin
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Nephrologie
Intensivmedizin, Notfallmedizin, Hypertensiologe (DHL), ABS
Benutzeravatar
jaeckel
Administrator
Beiträge: 9080
Registriert: 15.09.04, 10:49
Wohnort: Bad Nauheim

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von jaeckel »

Zu den Ursachen:
Penetranto hat geschrieben:viele sind inkompetent und, schlimmer noch, desinteressiert
das liegt vielleicht zum einen an dem auswahlprinzip für medizinstudenten, da kommen streber in den genuss einen med studiums, die womöglich gar keine affinität zur medizin oder zu patienten haben und für die das nur so eine art prestige und modeberuf darstellt?
Von Penetranto wurden
  1. Inkompetenz
  2. Desinteresse
  3. Prestige- und Modedenken
  4. Auswahl für Medizinstudenten
als mögliche Ursachen genannt. Begründet wurde keine der Möglichkeiten.

ad Inkompetenz)
Dagegen spricht, dass die Ausbildungsinhalte standardisiert sind und durch Examen das formale Wissen nachgewiesen werden muss.

ad Desinteresse)
Niemand hält ein so langes Studium und die ersten Jahre als Arzt durch, der desinteressiert ist.

ad Prestige- und Modedenken)
So wie überall (auch hier!) pauschal auf Ärzte eingedroschen wird, ist kein Prestige zu gewinnen bzw. in anderen Sparten mit wenige Arbeit mehr Prestige zu gewinnen.

ad Auswahl für Medizinstudenten)
Die Auswahl ist sicher schwierig und unbefriedigend gelöst. Diesen Zusammenhangkann man aber kaum begründen

Meine Hypothesen:
  • Tendenz zu Spezialisierungen
    Engagierte Ärzte spezialisieren sich im Durchschnitt im Laufe ihrer Laufbahn immer mehr. Dadurch geht der erfahrene Generalist, der insbesondere in Notfallaufnahmen und in der hausärztlichen Versorgung gefragt ist, zunehmend verloren. Hier gibt und gab es in der Vergangenheit Fehlanreize, wodurch sich das noch verschärfen wird.
  • Wer bleibt, wer geht?
    Durch Überlastung der Klinikärzte, durch viele undurchdachte Gesundheitsreformen, durch Bestandsschutzdenken der etablierten Arztkollegenschaft in den vergangenen Jahren wurde die Lebens- und Karriereplanung für Jungärzte recht unüberschaubar und immer unattraktiver. Viele engagierte Kollegen wanderten daher in neue Berufsfelder oder das Ausland ab.
  • Systemschwächen und Berufsethik
    Zunehmend werden Rationierungen in der Versorgung auf der letzten versorgenden Schulter ausgetragen. Diesen Mißstand spürt man an dieser Stelle als Insider sehr stark, z.B. unterschiedliche Versorgungsstandards in der 2-Klassenmedizin, kann aber nichts bzgl. Systemverbesserung bewirken. Das raubt, da berufsethische Prinzipien und Illusionen verletzt werden, Motivation.
  • Bürokratismus
    Der bürokratische Aufwand neben der Patientenversorgung hat groteske Ausmaße angenommen. Das führt zu erst zu Textbausteinen und Standardprozeduren im Arztbrief aber später auch zu DRG- bzw. GOÄ- optimierten "Schema-F-" Medizin.
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
Klinische Akut- und Notfallmedizin
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Nephrologie
Intensivmedizin, Notfallmedizin, Hypertensiologe (DHL), ABS
emilnick
Topicstarter

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von emilnick »

Ich kann nicht beurteilen, ob "früher alles besser" war. Aber ich kann definitiv sagen, dass viele Ärzte nicht ausreichend kompetent sind. Das heißt nicht, dass sie unbedingt ausgesprochen schlecht sind, aber sie sind eben nicht gut.

Vielleicht ist mein Anspruch an einen guten Arzt zu hoch? Hat man als Patient das Recht auf einen guten Arzt? Darauf, dass beim ersten Kontakt die richtige Diagnose gestellt wird oder zumindest die richtige Diagnostik eingeleitet wird? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass ein Arzt quasi drei Fehlversuche hat, bis er die adäquate Untersuchung durchführt? Und hat der Patient dann das Recht, eine Zweitmeinung einzuholen?

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es durchaus auch richtig schlechte Ärzte gibt: Schlecht ist ein Arzt, wenn der falsche Dinge folgert, obwohl die Symptome glasklar sind: Man schildert ihm die Anamnese und er sieht den klinischen Befund - und als Diagnose bekommt man etwas, was gar nicht sein KANN. Und wenn ich als Laie weiß, wie sich bestimmte Dinge äußern und was ausgeschlossen werden kann, dann erwarte ich in der Tat, dass auch ein Arzt diese Zusammenhänge kennt -> Kreislaufzusammenbruch aufgrund von Medikamentenüberdosierung wurde nicht erkannt, obwohl ich als Mutter dem Arzt die Symptome mitsamt dem Kind vorgelegt habe; statt dessen wurde ich mit "das Kind brütet etwas aus" abgestempelt. Das ist schon richtig gruselig!

Und dann wäre natürlich noch die schlechte Kommunikation(sfähigkeit) zu nennen - darüber stand ja vor einigen Wochen etwas im Spiegel (darf ich den hier nennen?). Viele Ärzte wollen nicht zuhören und würgen den Patienten ab. Es scheint dann so, als hätte der Arzt Zeit und Geld gespart (und damit auch die Krankenkasse), aber wenn der Patient dann den zweiten und womöglich dritten Arzt konsultiert, dann freut das die Krankenkasse nicht unbedingt. Kostengünstig ist es also nicht, wenn die Ärzte im Minutentakt behandeln.
granreserva
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied
Beiträge: 1145
Registriert: 14.11.08, 13:31
Wohnort: Essen

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von granreserva »

1. Warum sollte ausgerechnet im Bereich der Medizin nicht die übliche Mischung aus engagierten, kompetenten und desinteressierten oder persönlich ungeeigneten Menschen vorzutreffen sein?

2. Die Gesellschaft scheint nicht mehr gewillt oder in der Lage zu sein, die Ansprüche die sie an die Qualität ihrer medizinischen Versorgung hat entsprechend zu honorieren. Wie schon gesagt wird Quantität belohnt, nicht Qualität. Ich verdiente weit mehr, wenn ich meine Patienten im Viertelstundentakt (der Mindestzeit an Aufwand laut Rahmenvertrag) untersuchen und behandeln würde statt mir die notwendige Zeit für eine Untersuchung zu nehmen, was i.d.R. wesentlich weniger Behandlungen zum Therapieerfolg nach sich zieht (oder der schnellen Erkenntnis dass Manuelle Therapie nicht indiziert ist). Manchmal fragt man sich ob man bescheuert ist, dies so zu tun, in anderen Branchen würde sich jeder an den Kopf fassen, in der Medizin erwartet man ein selbstaufopferndes Helfersyndrom von allen Akteuren. Im Übrigen macht die Anamnese der Untersucher und sie soll nicht vom Patient geschildert werden, der Unterschied liegt darin, dass die A. in eine Form gebracht werden muss, in der ich als Untersucher mit meiner Gedankenstruktur die bestmögliche Information erhalte. Das kann dann schon mal als Abwürgen verstanden werden, meine Fragen werden dann oft nicht mehr richtig beantwortet, weil die Kommunikation gestört ist. Ich habe es versucht: Wenn ich versuche, Patienten zunächst "erzählen" zu lassen dauert die Anamnese im Endeffekt doppelt so lange und der Informationsfluss gelingt nur zur Hälfte. (Grob geschätzt)

3. Sie sagen, sie seien "Hypochonder". Diese Patientenart ist per se schwierig zu behandeln, da in der häufig ohne ernsthaft vorliegende Pathologie spektakuläre Symptome geschildert werden. Gerade gute Ärzte haben ein feines Gespür für Über- und Untertreibungen in den Schilderungen der Patienten, dadurch stehen hypochondrisch veranlagte Menschen immer in der Gefahr, nicht ernst genommen und deshalb, wenn tatsächlich eine ernsthafte Pathologie vorliegt, nicht rechtzeitig oder falsch behandelt zu werden.

Alles Gute,
Wolfgang Pokorski, Physiotherapeut
Praxis Klaus Orthmayr in Essen


Die Körper wären nicht schön wenn sie sich nicht bewegten
(Johannes Kepler)
Brigitte Goretzky
DMF-Moderator
Beiträge: 3989
Registriert: 26.08.06, 21:00
Wohnort: Kohlenpott

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von Brigitte Goretzky »

emilnick, wieviele Aerzte kennen Sie, dass Sie sich solch ein Urteil
dass viele Ärzte nicht ausreichend kompetent sind
leisten koennen? Fuenf? Zehn? Fuenfhundert? Fuenftausend?

Menschen sind viel zu kompliziert, als dass Diagnosen immer sofort korrekt gestellt werden koennten. Wenn ich einen Kollegen mit einer derartigen Selbsteinschaetzung haette, wie Sie hier von sich und Ihren diagnostischen Faehigkeiten aeussern, wuerde ich meinen Vorgesetzten informieren und mir Gedanken machen, ob dieser Kollegen nicht besser dem General Medical Council gemeldet werden sollte - bevor seine Selbstueberschaetzung schwerwiegende Folgen hat.
And God promised men that good and obedient wives would be found in all corners of the earth.


Then she made the world round and laughed and laughed and laughed...
emilnick
Topicstarter

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von emilnick »

... glauben Sie mir: Die Zahl ist hinreichend groß, um ein "viele" davor setzen zu können (was übrigens u.a. auch daran liegt, dass viele meiner Bekannten und Verwandten im Gesundheitswesen tätig sind).

"Viel" ist relativ: Das können erst einmal ganz allgemein, ohne dass das näher erläutert wird, 5%, 40% oder 90% aller Menschen einer Gruppe sein. Je nachdem, wieviel schlechte Ärzte einfach - womöglich im Rahmen der Gauß'schen Normalverteilung - als schlecht hingenommen werden müssen. Vermutlich wird man den Zustand, dass 100% aller Ärzte gut sind, nicht erreichen. Nun kommt es also darauf an, was gerade noch zu tolerieren ist - ist es O.K., wenn einer von hundert Ärzten schlecht ist? Oder darf man sich über diesen einen schon ärgern?

Tja, ab welcher Anzahl darf man von "vielen" sprechen? Wenn Sie hundert Ärzte kennen, von denen Sie 8% für mehr oder weniger unfähig halten - ist das dann "viel"? Ich denke, schon.

Analog: Nehmen wir an, Sie haben schulpflichtige Kinder: Dürfen Sie dann - grundsätzlich - feststellen, dass es unfähige Lehrer gibt? Oder müssen Sie alles hinnehmen, was die Lehrer Ihnen und Ihren Kindern "antun" bzw. vorsetzen? Dürfen Sie sich überhaupt über Lehrer ärgern? Und wann wäre für Sie der Punkt erreicht, an dem Sie sagen würden: "Viele Lehrer sind unfähig"? Ist dieser Punkt erreicht, wenn Sie ein Einzelkind haben, das gerade mal die erste Klasse besucht? Ich denke, nein.

Wie sieht es aber aus, wenn Sie vier Kinder haben, die alle schon in der Oberschule sind und damit eine große Zahl an Lehrern kennen gelernt haben? Dürften Sie dann feststellen, dass es ein Problem mit der Lehrerausbildung gibt? Ich denke, ja.

Oder nehmen wir an, Sie müssten einen Anwalt konsultieren. Nehmen wir an, es passiert Ihnen mehrmals, dass Sie an einen Anwalt geraten, der Sie falsch informiert, der Ihnen überhöhte Rechnungen ausstellt oder der einen Prozess mit Ihnen verliert, weil er nicht engagiert genug war - würden Sie dann irgendwann feststellen: "Es scheint ein Problem zu geben, einen guten Anwalt zu finden"? Oder würden Sie derartige Dinge als "schicksalhafte Einzelfälle" abtun? Oder, um es noch deutlicher zu machen: Stellen Sie sich einfach eine bestimmte Anzahl von Piloten vor: Ist es O.K., wenn einer von hundert nicht besonders gut in seinem Job ist?

Schließlich: Solange man derartige Diskussionen nach dem Krähen-Prinzip führt, kann man es eigentlich auch gleich lassen... Dafür ist mir meine Zeit zu schade. Aber der Spiegel-Artikel neulich hat mir gezeigt, dass es nicht meine Wahrnehmung ist, die verirrt ist, sondern dass das ein flächendeckendes Problem zu sein scheint. Ich weiß nur nicht, ob mich das eher beruhigen soll oder nicht...

Ach so, noch etwas: Ich nehme an, es ist kein Zufall, dass mein Thread ausgerechnet jetzt hervorgekramt wurde, nachdem sich ein halbes Jahr niemand dafür interessiert hat :twisted: Bevor man mir Selbstüberschätzung (völlig abstrus, übrigens :lachen: ) vorwirft, sollte man sich erst einmal fragen, ob derartige Vermutungen bzw. Feststellungen gerechtfertigt sein könnten. Da diese Bereitschaft den hier diskutierenden Ärzten abgeht, war es das von mir an dieser Stelle.
emilnick
Topicstarter

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von emilnick »

Sorry, ich habe doch noch nicht fertig: Ein schlechter Arzt ist übrigens nicht automatisch der, der Fehler macht. Richtig schlecht wird es erst, wenn diese Fehler dann auch noch nicht einmal als solche bezeichnet werden (dürfen?). Wenn man also das Gefühl hat, dass es in der Patient-Arzt-Beziehung vor allem darum geht, die Hierarchie "der Arzt ist wissend, der Patient ist es nicht", aufrecht zu erhalten, dann kann nichts dabei herauskommen.

Dort jedoch, wo es gelingt, dass Ärzte Patienten als die eigentlichen Experten für ihren eigenen Körper wahrnehmen, kann man dahingelangen, quasi Hand in Hand zu diagnostizieren und zu therapieren. Wenn mir ein Internist eine Bronchitis einredet, obwohl ich lediglich über Hustenreiz klage, die Bronchien völlig frei sind, keine erhöhte Körpertemperatur und kein Krankheitsgefühl vorhanden ist und man mich dennoch mit Antibiotika ausstattet, dann komme ich mir für dumm verkauft vor. Und wenn meine Intuition, der Arzt habe "Mist" fabriziert, dann noch von einem Kollegen gestützt wird, der die Diagnose mit "so ein Blödsinn!" kommentiert, dann weiß ich, dass ich wieder einen Arzt auf meine imaginäre Liste setzen kann. Das wäre alles nicht nötig gewesen, wenn der Arzt selbst mich nach meinem Befinden und nach meinem Eindruck gefragt hätte. Aber aus den genannten Gründen (kann ja gar nicht sein, dass der Patient mehr über seine Symptome weiß als der Arzt...) wird das zu selten praktiziert.

Mit dem Ergebnis, dass dem Gesundheitswesen eher mehr Kosten aufgebrummt werden, wenn ein zweiter Arztbesuch nötig wird und sinnlos Antibiotika verordnet werden (50% aller AB werden umsonst verschrieben, Quelle: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mens ... -2,00.html), die dann u.U. wieder behandlungsbedürftige Nebenwirkungen haben.
Gerlinde M.
noch neu hier
Beiträge: 4
Registriert: 26.12.07, 13:14

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von Gerlinde M. »

Wenn du einen Arzt finden könntest, der ganzheitlich behandelt, dann würdest du dich wahrscheinlich wohlfühlen bei ihm. Chinesische Medizin ist zB sowas, aber es gibt auch andere.
Phileas Fogg
DMF-Mitglied
DMF-Mitglied
Beiträge: 505
Registriert: 10.03.09, 17:22

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von Phileas Fogg »

Hallo Gerlinde, können Sie vielleicht genauer beschreiben, was Sie mit "ganzheitlich" meinen?
Emilnick ist ja abgemeldet. Ich finde aber, Sie sollte sich genau überlegen, ob sich 6 Jahre Medizinstudium nicht vielleicht doch noch lohnen würden... Dann könnte Sie die einzige Ärztin auf der Welt sein, die alles richtig macht.
Benutzeravatar
jaeckel
Administrator
Beiträge: 9080
Registriert: 15.09.04, 10:49
Wohnort: Bad Nauheim

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von jaeckel »

Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
Klinische Akut- und Notfallmedizin
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie und Nephrologie
Intensivmedizin, Notfallmedizin, Hypertensiologe (DHL), ABS
Andrea45
Interessierter
Beiträge: 8
Registriert: 21.12.15, 13:48
Kontaktdaten:

Re: Wo sind die guten Ärzte?

Beitrag von Andrea45 »

Ich rate Ihnen, immer mit dem ersten Arzt arbeiten und dann im Laufe der Zeit können Sie alle Ängste zu überwinden
Antworten Thema auf Facebook veröffentlichen Thema auf Facebook veröffentlichen