Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Koronare Herzerkrankung, Hypertonie, Herzinfarkt, Stents, Herzkatheter, Blutverdünnung, Lungenembolie, Herzklappenfehler etc. Hier können auch EKGs befundet werden. Vgl. öffentliche FB-Gruppe "Smartwatch-EKG"

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the ghost of elvis
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Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von the ghost of elvis »

Guten Tag,
es geht um einen Patienten Mitte fünfzig, dem kürzlich zwei Stents implantiert wurden (koronare 1-Gefäßerkrankung (RIVA Segment 6/7).
Seine Cholesterinwerte liegen nur knapp außerhalb des Normbereichs: Cholesterin [mg/dll] = 191, LDL = 125, HDL = 33. Lt. europ. Gesellschaft für Kardiologie soll aber bei Patienten mit Ablagerungen an den Herzkranzgefäßen der Cholesterinwert unter 70 mg /dl gesenkt werden. Deshalb wurde dem Patienten nach dem Stent-Eingriff im Krankenhaus bis auf weiteres die tägliche Einnahme von Atorvastatin 40mg verordnet. Der Kardiologie vor Ort und der Hausarzt haben dies bestätigt.
Angesichts der möglichen Nebenwirkungen kommt mir die Dosierung von 40mg täglich aber bedenklich und recht hoch vor.
FRAGE: gibt es Richtlinien, in denen beschrieben ist, welche Dosierung für welchen Typ Patienten sinnvoll ist?
Oder Erfahrungswerte oder andere Vorgaben?
Für Antworten danke im Voraus.
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jaeckel
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von jaeckel »

Bei Patienten mit bestätigter KHK und Z.n. Stentimplantation wird das Statin empfohlen, ob Cholesterin erhöht ist oder nicht. Es hat nachweisbare Vorteile in der Rate unerwünschter Ereignisse. In seltenen Fällen gibt es Unverträglichkeiten, die zum Umsetzen, zur Reduktion etc. führen.
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
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Beitrag von the ghost of elvis »

@Dr.Jäckel: vielen Dank für die Auskunft.
Und in Bezug auf die Dosierung: anhand welcher Kriterien/Richtllnien/Erfahrungswerte wird entschieden, ob 20 oder 40 oder 80mg angebracht sind? Und über welchen Zeitraum?
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jaeckel
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von jaeckel »

Wenn man keine subjektive oder objektivierbare Muskel- o. Weichteilreaktion hat und sonst keine Unverträglichkeiten vorliegen ist der Standard bei bestätigter KHK und Z.n. Stentimplantation täglich 40 mg lebenslang.
Alles Gute!

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Dr. med. Achim Jäckel
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Beitrag von the ghost of elvis »

Heute gelesen, ein aktueller Artikel bei
https://www.herzstiftung.de/ihre-herzge ... holesterin
"...bei Patienten mit bekannten Gefäßverkalkungen, z. B. mit einem Stent in den Herzkranzgefäßen oder Patienten nach Herzinfarkt oder Schlaganfall und anderen Personen mit sehr hohem Risiko liegt der LDL-C-Zielwert unter 55 mg/dl (1,4 mmol/l). Bei besonderen Risiko-Konstellationen kann es sinnvoll sein das Cholesterin noch weiter zu senken..."

Unter 55 mg/dl, das ist wirklich heftig. :cry: Vor der Stent-Implation vor 6 Monaten lag der LDL-Wert bei mir bei 125.
Wenn eine Senkung unter 55 mg/dl notwendig ist, dann wird mir auch weiterhin die tägliche Einnahme von Atorvastatin 40mg mit seinen gefährlichen Nebenwirkungen nicht erspart bleiben.
Die Pharmazeutin von ... schreibt: "Allen Vertretern der Wirkstoffgruppe der Statine scheint eine schädliche Wirkung auf die Nerven gemeinsam zu sein!"
Und die Nebenwirkungen bei https://www.apotheken-umschau.de/medika ... 24281.html :
"... Gelegentliche Nebenwirkungen: ...Haarausfall... Benommenheit... Bauchspeicheldrüsenentzündung, Gedächtnisverlust, Nervenstörungen ...Impotenz, Unwohlsein...Seltene Nebenwirkungen: Leberentzündung, Gelbsucht mit Gallestau, entzündliche Muskelerkrankungen, Rhabdomyolyse (Zerfall der quergestreiften Skelettmuskulatur)... Muskelzerfall aufgrund einer Autoimmunreaktion...Muskelzerfall...Schäden an den Lungenbläschen..."
Haarausfall und Benommenheit (Blutdruck <50 vor dem Frühstück) habe ich jetzt schon. Husten muss ich auch häufiger als früher.
Meine Frau (Pharma-Skeptikerin) hat mich immer wieder vor der Einnahme von Statinen gewarnt. Mir scheinen Pro- und Contra-Argumente gleichermaßen sehr schwerwiegend zu sein...
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von MarPod »

Hallo und guten Tag,

ich habe zwar keine Stents, aber die Frage der richtigen Dosierung von Atorvastatin ist genau das, was mich umtreibt.
(zumal ich auch noch andere Medikamente nutzen muss - Candesartan 8mg und Estriol-Creme - dazu jetzt noch 20mg Atorvastatin)

Ich hatte immer einen relativ hohen Cholesterinspiegel, aber noch im Normbereich und vom "guten" Cholesterin. Das diesjährige Blutbild zeigte jedoch einen hohen Cholesterinwert, vom "schlechten" Cholesterin. Mein Arzt hat mir die Wahl gelassen, ob man diese Messung als "Ausreißer" bewerten soll, oder ob ich gleich Statine einnehmen will.

Ich habe mich für die Statine entschieden und wir haben vereinbart ich nehme mal eine Packung von den 20mg, dann soll ich sie 4 Wochen absetzen und dann wird nochmal Blut genommen um zu sehen, ob auch weniger reichen könnten.

Wenn ich nun genau darüber nachdenke, frage ich mich, ob das schlau ist? Müsste man nicht eine Blutprobe messen WÄHREND man die Statine einnimmt um zu sehen, wie weit dadurch der Cholesterinwert gesenkt wird um DANN ggf. nachzujustieren? Was bringt es das Medikament abzusetzen bevor man die Blutprobe misst?

Viele Grüße
Maria (53)
the ghost of elvis
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Beitrag von the ghost of elvis »

Meine Erfahrung: seit etwas mehr als einem halben Jahr nehme ich Atorvastatin 40mg. Lt. aktuellem Laborbericht ist mein LDL-Cholesterin nun auf 60 gesunken. Vor 6 Mon. lag er bei 125 (s. oben -> 1.Beitrag im Thread). Mein Hausarzt meinte heute, evtl. könne man jetzt einmal testen ob mit einer geringeren Dosis (Atorvastatin 20mg) der Cholesterinwert auch noch niedrig bleiben würde. Die Herzstiftung gibt < 55 an (s. oben).
Zusätzlich nehme ich morgens noch Candesartan 10mg und ASS100. Mein Puls ist morgens bei der ersten Messung manchmal <50, Ursache ist noch unklar. Mutmaßlich auch durch eines der Medikamente bedingt.
Morgen soll ich meinen Hausarzt anrufen, ob die neuen Laborwerte schon vorliegen.
Mein (Zwischen)Fazit: Atorvastatin hilft, die Cholesterinwerte deutlich zu senken. Aber es bleiben die Bedenken wegen der möglichen Neben- und Langzeit-Wirkungen der Statine
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jaeckel
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von jaeckel »

Die Dosierung bei KHK-Patienten sollte 40 mg Atorvastatin betragen, egal wie hoch der Cholesterinspiegel ist. Denn es verbessert die Prognose auch bei normalen Cholesterinwerten.
Alles Gute!

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Beitrag von the ghost of elvis »

Vielen Dank für den Hinweis.
Gibt es eine neue Studie bezgl. "verbessert die Prognose auch bei normalen Cholesterinwerten"?

Letztlich geht es mir um die Frage, ob der Nutzen durch Atorvastatin größer ist als die möglichen Schäden, bzw. Risiken, über welche immer wieder berichtet wird

Wobei die dt. Herzstiftung ja recht eindeutig pro Statine argumentiert: https://www.herzstiftung.de/ihre-herzge ... in-statine

Beim Netdoktor war allerdings 2019 zu lesen, Zitat: "....Wie stark die Auswirkung auf das Diabetesrisiko ist, hat jetzt eine niederländische Studie untersucht....Team um Prof. Bruno Stricker vom Erasmus Medical Care Center in Rotterdam fand heraus, dass Teilnehmer, die Statine einnahmen, tendenziell höhere Nüchtern-Blutzuckerwerte hatten. Außerdem reagierten ihre Körperzellen weniger gut auf das Zuckerhormon Insulin. Eine solche Insulinresistenz ist ein zentraler Krankheitsmechanismus bei Typ-2-Diabetes.
„Es gibt verschiedene Mechanismen über die Statine die Insulinresistenz begünstigen“, erklärt Fariba Ahmadizar, die Erstautorin der Studie...Zum einen bewirkten die Blutfettsenker, dass weniger Glukosetransporter in den Zellmembranen gebildet würden. So gelangt der Zucker aus dem Blut langsamer in die Zellen. Außerdem griffen Statine direkt in den Insulin-Signalweg ein, über den Insulinausschüttung und Insulinempfänglichkeit der Zellen reguliert werden. ...
Diabetesrisiko steigt um 38 Prozent
...Damit ist das Risiko deutlich größer als bislang angenommen..."
Dies klangt dann doch recht beunruhigend :(
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von jaeckel »

the ghost of elvis hat geschrieben: 06.05.21, 15:33 Gibt es eine neue Studie bezgl. "verbessert die Prognose auch bei normalen Cholesterinwerten"?
Das sind so alte Erkenntnisse, dass es inzwischen in jedem seriösen Lehrbuch der Inneren Medizin steht.
Was beim Netdoctor steht, hat mich noch nie interessiert ;-).
Statin-Nebenwirkungen sind meist ein Nocebo-Effekt: vgl. https://www.kardiologie.org/aha-kongres ... -/18588582
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Beitrag von the ghost of elvis »

Vielen Dank für die Information!
Der o. g. Beitrag ist wirklich sehr interessant.
Etwas beunruhigt mich aber immer noch der mögliche Zusammenhang zwischen Statinen und erhöhtem Diabetesrisiko.
Dazu habe ich bei https://www.kardiologie.org/diabetesris ... utton=true nur einen Beitrag aus 2015 gefunden, in welchem eine finnische Studie besprochen wird. Zitat: "...In der Detailanalyse hielt der signifikante Zusammenhang sowohl für Simvastatin als auch für Atorvastatin, wobei jeweils eine Dosisabhängigkeit demonstriert werden konnte. Die anderen Statine erhöhten – bei allerdings nur geringen Patientenzahlen – das Diabetesrisiko nicht....Die Autoren sehen ihre Ergebnisse als weiteren Hinweis dafür, dass Statine das Diabetesrisiko erhöhen. Möglicherweise sei das Risiko bisher unterschätzt worden,.."
Dies klingt dann doch wieder besorgniserregend. Werde nächste Woche mal meinen Hausarzt ansprechen, ob nicht wenigstens eine Verringerung der Atorvastatin-Dosis von 40 auf 20mg sinnvoll wäre.
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Re: Gibt es Richtlinien oder andere Vorgaben, wie Atorvastatin dosiert werden sollte?

Beitrag von jaeckel »

the ghost of elvis hat geschrieben: 07.05.21, 16:54 ob nicht wenigstens eine Verringerung der Atorvastatin-Dosis von 40 auf 20mg sinnvoll wäre.
Wenn Sie an einer KHK leiden, ist die Antwort: Nein, ist nicht sinnvoll.
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