Erfolgreiche Rea ertrunkenes Kleinkind

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d-i-n
Topicstarter

Erfolgreiche Rea ertrunkenes Kleinkind

Beitrag von d-i-n »

Hallo liebe Foraner,

heute mal ein sehr erfreulicher Fallbericht, bei dem der kleine Patient ein deutlich besseres Outcome haben wird, als wir zuerst zu hoffen wagten. Ich schreibe das auch um alle zu animieren, in solchen Fällen lange, lange zu reanimieren, auch wenn es zunächst aussichtslos erscheint!!!

Kind, 22 Monate, leblos bäuchlings in Teich treibend, nicht eruierbar, wie lange schon drin. Lt. Angehörigen "höchstens 5 min", vom Zustand und Auskühlung her sicher deutlich länger, eher 30 min oder mehr. Von Ersthelfern Atemspende und HDM, dabei massives Nahrungserbrechen mit Aspiration.

Das Ganze natürlich am äußerstes Ende des Einsatzgebietes, RTW nach ca. 5 min da, Anfahrt NA aber 15 km schlechte Landstraße (10 min). Dank sehr guter Reaktion der Leitstelle wurde der LNA, der im Nachbarort eine Praxis betreibt, ausgelöst (dieser traf mit dem RTW ein) und prophylaktisch der RTH alarmiert, da die nächste Kinder-Intensiv 40 km entfernt ist.

Die Kollegen fanden ein lebloses, zyanotisches, eiskaltes Kind mit "leichenhaftem" Aussehen vor, Apnoe, Nullinie. Max. weite, lichtstarre, leicht entrundete Pupillen. Weitere Reanimation, Absaugen, Intubation, Eintreffen 2.NA, gelber Zugang Ellenbeuge +zeitgleich intraossär Unterschenkel, nach Suprarenin-Bolus Eigenfrequenz um 20/min mit relativ schmalen Komplexen -> weitere Rea, weiterer Supra-Bolus +Dopaminperfusor (5 mg Bolus, dann 10 mg/h) -> HF geht in Sinusrhytmus um 100-110/min, tastbare Leistenpulse, RR 80 syst. Zeitraum seit Eintreffen Rettungskräfte ca. 25 min.

Weiterer i.v.Zugang rosa in jug.externa möglich, Verbringen in RTW, Kleidungsreste entfernt, Umintubation 3er auf 4er Tubus, Absaugen, Sicherung aller Zugänge. Zyanose ist weg, trotz eiskalter Extremitäten zeigt die Sättigung 96-98 an, wobei die maschinelle Beatmung nicht gut funktioniert, es alarmt ständig "Stenosis", obwohl mit Beutel ohne Widerstand beatembar -> wird bebeutelt ohne Maschine, Pulmo auskultatorisch frei.
Ohrthermometer zeigt 28,1 Grad, ich ging davon aus, daß es rektal/zentral wohl etwas mehr sein würde und wir haben das Kind bewußt nicht abgedeckt (Außentemperatur über 20 Grad) und ausgekühlt gelassen. Nachdem das Kind zweimal gegenatmet, leichte Narkose mit Fenta/Dormi.
Übergabe an RTH (nur in Rettungsfolie gewickelt) ->Kinderintensiv

Die Rea lief prinzipiell sehr gut,war natürlich auch super, daß wir zwei Ärzte waren. Einziges Problem machte der Dopamin-Perfusor, da hab ich einfach nicht dran gedacht, wir ziehen 250 mg Dopamin auf 50 ml auf, da sind 10 mg/h nur 2 ml Infusionsvolumen pro Stunde. Trotz mitlaufender Infusion drückte venöses Blut über den Jug.ext.-Zugang zurück. Erst nach Aufziehen des Dopamin auf 50mg/50 ml und einer Infusionsgeschwindigkeit von 10 ml/h lief der Perfusor einwandfrei ohne Blutrückfluss.

Stand 3 Tage nach der Rea: Kerntemperatur in der Klink war auch tief rektal nur 28,5 Grad, aber problemlose, langsame Erwärmung (noch 24 h therapeutische Hypothermie), Pupillen darunter auf mittelweit verkleinert, keine pulmonalen Probleme, keine Aspirationspneumonie, bewegt seitengleich alle Extremitäten, braucht relativ viel Narkose, EEG ohne ganz gravierende Auffälligkeiten (soweit unter Narkose beurteilbar), z.Zt. wird versucht, es aufwachen zu lassen. Die Kinderärztin war über den Verlauf auch überrascht und geht davon aus, daß die Hypothermie wohl ursächlich für das vermutlich gute Outcome ist. Natürlich kann man das Ausmaß der eventuellen cerebralen Schädigung jetzt noch nicht beurteilen...

Ich muß ehrlich sagen, daß ich nie gedacht hätte, daß dieses Kind überlebt... es sah auf gut deutsch (hier im geschlossenen Bereich kann ich es ja sagen) wirklich so mausetot aus, daß mein NA-Kollege und ich eigentlich sagten "wir machen noch etwas Rea weiter wegen der Angehörigen". Ich weiß, das klingt brutal, aber unsere große Angst war tatsächlich, ein vermutlich hirntotes Kind zu reanimieren... wobei wir davon ausgingen, daß es gar nicht reanimierbar sein würde, denn trotz suffizienter Rea änderte sich am Aussehen und der Zyanose erstmal gar nichts, ich habe ehrlich schon nach Leichenflecken geguckt . :oops:

Ich schreibe das so ehrlich, weil ich zwar natürlich auch immer wieder gelesen habe, daß selbst bei langen Zeiten unter Wasser noch erstaunliche Rea-Ergebnisse möglich sind... aber das sind normalerweise Unfälle mit Einbrechen im Eis und eiskaltem Wasser. Bei unserem Patienten, dem Aussehen des Kindes und des aufgrund des warmen Wetters sicher 15 Grad warmen, flachen Teiches hab ich wirklich nicht gedacht, daß wir irgendeine Chance haben.

Daher will ich auch hier nochmal für alle, die evtl. mal so einen Fall kriegen sagen: ich würde nach den jetzigen Erfahrungen vermutlich lieber 3 h reanimieren, als eventuell zu früh abzubrechen! Hat jemand von Euch schonmal einen Ertrinkungsnotfall erlebt? Erfahrungen?

Einen sehr frohen Gruß von doc-in-not :wink:
d-i-n
Topicstarter

Beitrag von d-i-n »

Nachbericht: das Kind ist extubiert und kann vermutlich bald ohne bleibende geistige oder körperliche Schäden entlassen werden!!!

Wir Beteiligten können es kaum fassen und freuen uns natürlich riesig! :D
Land-Ei
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Beitrag von Land-Ei »

Das sind die Highlights im Leben des Profi-Retters, die den Rettungsdienst zur Sucht machen!
Gratuliere, das ist wunderschön!
Land-Ei
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