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Thoracic Outlet Syndrom (TOS)

Beschreibung: Definition, Symptomatologie, Diagnostik, Therapie

Kategorie: Chirurgie

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Thoracic Outlet Syndrome (TOS)



Definition/Synonyme/Einteilung:

Synonyme:
- neurovaskuläres Kompressionssyndrom des Armes
- Schulter-Arm-Syndrom
- (Hyperabduktionssyndrom)

Definition:
Bezeichnung für den Symptomenkomplex, welcher durch eine permanente oder intermittierende Kompression (unterschiedlicher Ursache) des zum Arm ziehenden Gefäß-Nerven-Bündels im Bereich der oberen Thorax-Apertur (oberer Eingang des Brustkorbes) entsteht!

Epidemiologie:
Das TOS manifestiert sich statistisch gesehen meist zwischen dem 20. und 50. Lebensjahr mit einem durchschnittlichen Geschlechtsverhältnis von Männern zu Frauen von etwa 2 : 1. Es sind bestimmte Berufsgruppen bzw. Sportarten, welche eine erhöhte Gefährdung aufweisen ein TOS auszubilden infolge besonderer Belastung der Schulter-Arm-Strukturen, wie z. B. Gewichtheber, Automechaniker, Über-Kopf-Arbeiter.

Einteilung:
Prinzipiell kann man anhand anatomischer Strukturen 3 Orte der Kompression (unterschiedlicher Ursache) unterscheiden, welche sog. präformierte Engstellen darstellen:
- Skalenuslücke (zw. vorderen und mittleren Musculus scalenus, seitlich unterer Hals):
(Bezeichnungen für diesen Ort: Skalenussyndrom, Syndrom der 1. Rippe, Halsrippensyndrom)
- Kostoklavikularspalt (Raum zwischen Schlüsselbein und 1. Rippe):
(Kostoklavikularsyndrom, Hyperabduktionssyndrom)
- Korakopektoralraum (Raum seitlich des Kostoklavikularspaltes unter dem Brustmuskel M. pectoralis
in Richtung Schultergelenk bzw. Achselhöhle):
(Korakopektoralsyndrom)


Ätiopathogenese:
Mögliche Ursachen des TOS (Kombinationen sind möglich):

1) von lokalen knöchernen Strukturen ausgehend (ossär):
o Halsrippenbildung
o Dysostosis craniocleidalis
o Hypertrophie des Processus transversus (v. a. des HWK 7)
o verschiedene Pseudarthrosen
o Klavikulafraktur (Schlüsselbein)
o Dislokation der Klavikula
o präformierte kostoklavikuläre Engstelle
o sternoklavikuläre Hyperostose
o Anomalien des Korakoids (Teil des Schulterblatts)
o Steilstand der 1. Rippe
o Hyperplastische 1. Rippe
o Exostosen der 1. Rippe

2) von den lokalen Muskeln ausgehend (myogen):
o Hypertrophie der Skalenusmuskeln
o Hypertrophie des Musculus pectoralis minor
o Musculus scalenus minimus (Größe, Lage, Ausbildung)
o Tonusverlust der Schulter- und Schultergürtelmuskulatur

3) von lokalen bindegewebigen Strukturen ausgehend (fibrös):
o fibromuskuläre Bandstrukturen
o Fibrosen (bindegewebige „Wucherungen“ unterschiedlicher Ursache)
o Vernarbungsprozesse im Bereich der Engstellen (z. B. nach Schleudertrauma)
o postoperative Verwachsungen und Narbenbildungen

4) von lokalen Tumoren ausgehend (tumorös):
o Pancoast-Tumor der Lungenspitze
o verschiedene Weichteiltumoren (Sarkome, Fibrome, Hämangiome) sowie Neurome

5) konstitutionelle Ursachen bzw. Haltungsanomalien

6) Gefäßanomalien bzw. variable Gefäßverläufe und Gefäßaufzweigungen


Klinik/Symptome:
Mögliche Symptome und Befunde als Ausdruck bzw. auch als Folge der vorgenannten Erkrankungen!

1) neurologisch/neuromuskulär:
o Schulterschmerzen (v. a. bei aktiver und passiver Bewegung)
o Schmerzen an Ober-/Unterarm und Hand (v. a. an Innenseite bzw. Ulnarseite)
o Gefühlsstörungen in Bereichen betroffener Armnerven (v. a. des N. ulnaris)
o evtl. Hyperreflexie (Verstärkung der Reflexe)
o mittelfristig evtl. auch Muskelatrophie (Schwund) je nach betroffenem Nerv

2) arteriell:
o belastungsabhängige Armschmerzen (v. a. Oberarmbereich)
o schwache oder fehlende Armpulse
o vasomotorische Störungen bzw. Vasospasmen (Raynaud-Symptomatik)
o thromboembolische Verschlüsse peripherer Armarterien (z. B. durch ein thrombosiertes poststenotisches Aneurysma der A. subclavia) und Mikroembolien

3) venös:
o venöse/vasogene Ödeme des Armes infolge venöser Abflussstörung (z. B. durch Kompression der V. subclavia, sog. „Thoracic Inlet Syndrome, TIS – oder durch eine Thrombose der V. subclavia, sog. „Paget-von-Schroetter-Syndrom“)
o blaulivide Hautverfärbungen am Arm infolge des venösen Rückstaus
o evtl. sichtbare oberflächliche Stamm- und Kollateralvenen

4) lymphatisch:
o Lymphödeme am Arm und selten auch im Gesicht (je nach Kompressionsort) infolge Überschreiten der venösen und schließlich lymphatischen Transportkapazität
o Linke Seite: evtl. Enteropathie infolge Kompression des Ductus thoracicus (Milchdrüsengang, welcher im linken Venenwinkel mündet)
o Lymphknoten-Vergrößerung (supraklavikulär, axillär)


Diagnostik/Differentialdiagnose:

1) Inspektion bzgl. möglicher sichtbarer klinischer Symptome:
o Hautfarbe von Finger, Hand, Arm
o Umfangsdifferenzen von Abschnitten der oberen Extremität im Seitenvergleich
o sichtbare Kollateralvenen
o Muskelatrophie

2) Palpation:
o evtl. tastbarer pulsierender Tumor unter dem Schlüsselbein (Aneurysma der A. subclavia)
o Druckschmerzhaftigkeit des Musculus trapezius sowie bewegungsabhängige schmerzhafte Verspannungen dieses Muskels (was auch die Schmerzen im Schulter- und Schulterblattbereich der Gegenseite erklären könnte!)
o Tastung vergrößerter Lymphknoten (Hinweis auf Abflussstörung oder regionale Tumoren)

3) Funktionstests (im Seitenvergleich!):
o AER- bzw. Roos-Test:
Beide Arme des Patienten werden, im Ellenbogengelenk gebeugt, rechtwinklig vom Körper weggeführt (abduziert bzw. eleviert) und die Handflächen nach außen rotiert und über 3 Minuten Faustschlussübungen durchgeführt. Pathologische Erscheinungen können sein: Abblassung und Blauverfärbung der Extremität sowie Schmerzen.
o Faustschlußprobe/Ratschow-Test/”Elevated-Arm-Stress-Test”:
Hebung der im Ellenbogengelenk gestreckten Arme über den Kopf und mind. 30 Faustschlussübungen. Anschließendes Herabhängenlassen beider Arme. Pathologische Erscheinungen können sein: Abblassung der Hand und verzögerte Venenfüllung der Hand-/Unterarmvenen (Erfassung von Kompressionen der A. subclavia oder axillaris bzw. der V. subclavia)
o Adson-Test:
Seitliches Anheben des gestreckten Armes und Kopfdrehung zur Gegenseite oder Dorsalflexion des Kopfes bzw. Kopfdrehung zur kranken Seite bei tiefer Inspiration. Pathologisch wäre eine Abschwächung des Radialispulses (Erfassung von Engstellen bzgl. der A. subclavia, v. a. bzgl. eines Skalenus-Syndroms)
o Manöver nach Wright:
Armhebung (im Ellenbogengelenk gestreckt) zur Seite mit Außenrotation der Arme. Pathologische Erscheinungen können sein: Abblassung und Pulsverminderung, verzögerte Venenfüllung (Erfassung von Kompressionen der A. oder V. subclavia sowie Kompressionen von unter dem M. pectoralis minor ausgehend)
o Haltung nach Eden:
Schulterbewegung nach hinten und/oder unten zur Provokation einer kostoklavikulären Enge. Pathologische Erscheinungen entsprechen denen bei Adson-Test

4) Apparative Diagnostik:
o Konventionelles Röntgenbild des Thorax und der HWS:
Ausschluß oder Vermutung v. a. ossärer Ursachen
o Doppler- bzw. Duplex-Sonographie der Venen und Arterien:
Bildgebende Dokumentation (z. B. während des Adson-Tests)
o Röntgendarstellung mit Kontrastmittel der Arterien (Arteriographie/Angiographie):
Durchführung in Ruhe (statisch) oder unter Provokation/Belastung (dynamisch) mögl.
o Röntgendarstellung mit Kontrastmittel der Venen (Phlebographie):
Durchführung v. a. in Elevation und Außenrotation des Armes
o evtl. Röntgenaufnahmen der Gefäße in DSA-Technik:
Absicherungsmöglichkeit bei nicht eindeutigen arteriographischen Befunden
o Computertomographie (CT)/Magnetresonanztomographie (MRT):
Diagnosemöglichkeit insbesondere von Tumoren der Region und (v. a. mit MRT) genaue Darstellungsmöglichkeit der Weichteilstrukturen um das Gefäß-Nerven-Bündel
o Elektroneuronographie (ENG) mit Messung der Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG), v. a. des N. ulnaris:
evtl. (nicht obligat vorkommende) Verminderung der NLG, insbesondere des N. ulnaris, jedoch auch der anderen beiden großen Armnerven (N. medianus / radialis)

5) Differentialdiagnosen:
o degenerative HWS-Schäden (Röntgen!)
o Insertionstendopathien im HWS-, Schulter- und Armbereich (lokale oder Systemerkrankung von Bindegewebe wie Muskelsehnen oder lokale Entzündung der Muskelansätze an den Knochen unter Berücksichtigung der eingelagerten Schleimbeutel) (orthopädische Funktionstest sowie Bildgebung)
o Entzündungen von nervalen Strukturen ([Poly-]Radikulits, [Poly-]Neuritis) vielfältiger Ursache (infektiös/nicht-infektiös: Diabetes, neurotrope Viren, etc.) (klinisch-symptomatologische und neurologisch-apparative Untersuchung)
o Kombinationen verschiedener (Einzel-)Erkrankungen und resultierender TOS-Symptomatik (Nachweis krankheitsspezifischer Befunde, wie z. B. spezielle laborchemische Parameter in Blutserum/-Plasma)


Therapie/Prognose:
(je nach Ursache, falls bekannt!)

1) Konservative / symptomatische Therapie:
o physikalische Maßnahmen bestehend aus lokaler Wärmeanwendung, Lockerungsmassagen, krankengymnastische Übungen, etc.
o bei venösen bzw. Lymphödemen physiotherapeutische Entstauungsbehandlung durch Kompressionsstrümpfe bzw. –verbände und Lymphdrainage, entstauender Bewegungstherapie (Vorsicht: Kompressionsbehandlung sollte erst 4 Wochen nach Beginn einer Bewegungstherapie begonnen werden!)
o medikamentöse Behandlung von Schmerzen und evtl. auch antientzündliche Medikation

2) Operative (invasive) und evtl. kausale Therapie:
o evtl. transaxilläre Resektion der 1. Rippe oder einer evtl. vorhandenen Halsrippe, evtl. auch mit Beseitigung von fibromuskulären Verengungen (Thoraxchirurgie)
o evtl. Durchtrennung der beiden Skalenusmuskeln bzw. Versetzung ihrer Muskelansätze (Allgemeinchirurgie)
o evtl. operative Entfernung eines A. subclavia-Aneurysmas und Überbrückung mit einem autologen Gefäß- oder künstlichen Interponats (Dacron-, Goretex-Prothese) (Gefäßchirurgie)
o evtl. Durchtrennung / Teilentfernung des M. pectoralis minor bzw. Versetzung des Muskelansatzes am Processus coracoideus (Allgemeinchirurgie)
o evtl. (zusätzl.) thorakale Sympathikolyse/Sympathektomie zur Besserung einer Raynaud-Symptomatik, wenn medikamentöse Durchblutungsverbesserung nicht ausreichend sein sollte (Neurochirurgie)
o evtl. Tumorresektion (Thoraxchirurgie)


Prognose:
Nicht vorhersagbar, völlig unterschiedlich, abhängig von der Qualität der Therapie, der Richtigkeit der Diagnose und Art der Ursache!