Zusammenarbeit zwischen Pflegeheimen und Rettungsdiensten

Moderator: DMF-Team

Annette Koch
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Zusammenarbeit zwischen Pflegeheimen und Rettungsdiensten

Beitrag von Annette Koch »

Hallo Rettungsdienstler!

Habe ja mittels meiner Pflegestation viel mit Akut- bzw. Notfällen zu tun. Welche Wünsche hätte da wohl der eine oder andere Rettungsdienstler bei der "Übergabe" von den Fachkräften? So wie ich das kenne gebe ich RR, BZ, Puls, evtl. Temp., Symptome, "Bewußtseinsskala" weiter! Na dann höre ich mal..................... :wink:


Liebe Grüße

corectly
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Liebe Corectly,

vielen Dank für diesen Thread. Di sprichst ein sehr wichtiges Thema an, schließlich führen nicht wenige unserer Einsätze das Team in ein Pflegeheim oder zu ambulant betreuten Patienten.

Zu denn von dir genannten Daten interessiert mich persönlich immer noch die Dauermedikation, Vorerkrankungen, aber noch viel wichtiger....wie ging es deinem Bewohner vorher. Wie mobil war er? Wie beeinträchtigt? Gerade bei schwerst pflegebdürftigen Patienten fällt es mir persönlich immer schwer abzugrenzen, was denn jetzt wirklich neu an Beschwerden ist und zum Notruf geführt hat.

Bin gespannt auf Eure Beiträge.
Erik Eichhorn
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Thomas H.
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Beitrag von Thomas H. »

Hallo Corectly,

ich gebe Erik vollkommen Recht wenn er sagt das dies ein wichtiges Thema ist.

Leider ist es mit zunehmenden Pflegekräftemangel im Bereich der Pfelgeheime immer schwieriger als eintreffender Rettungsassistent eine qualitativ hochwertige Übergabe zu bekommen. Häufig ist es ja sogar so (besonders im Nachtdienst) das der Pat. der Pflegekraft überhaupt nicht bekannt ist. Hier wäre sinnvoll wenn bereits Verlegungsberichte bestehen würden welche auf dem aktuellen Stand gehalten werden.

Aus meiner Erfahrung heraus würde ich behaupten das wir als eintreffendes RD-Personal in den seltensten Fällen überhaupt eine Übergabe, geschweige denn erhobene Werte, erhalten. M.E. ist es erschreckend wie selbst qualifiziertes examiniertes Pflegepersonal massive Wissensmängel im Bereich der einfachen Ersten Hilfe offenbaren!

Eine Übergabe mit Werten und Medikamenten ist sicher schön und empfehlenswert, wenn aber in der Zeit in der der RR gemessen wird der Pat. aspiriert ist das denkbar ungünstig. In meiner mehrjährigen RD-Erfahrung habe ich es (leider) kein einziges Mal erlebt das bei Eintreffen ein Pat. in der SSL gelegt worden war oder gar eine BLS-CPR durchgeführt wurde.

Was ich damit sagen will ist, eine gute Übergabe ist schön, aber die Maßnahmen sind wichtiger. Hier sehe ich noch einen hohen Nachhohlbedarf von Seiten der Pflegeinstitutionen.

Gruß
Annette Koch
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Beitrag von Annette Koch »

Hallo Hr. Eichhorn!

Ich bedanke mich erstmal für ihre Antworten!

Erik Eichhorn hat geschrieben: Zu denn von dir genannten Daten interessiert mich persönlich immer noch die Dauermedikation, Vorerkrankungen, aber noch viel wichtiger....wie ging es deinem Bewohner vorher. Wie mobil war er? Wie beeinträchtigt? Gerade bei schwerst pflegebdürftigen Patienten fällt es mir persönlich immer schwer abzugrenzen, was denn jetzt wirklich neu an Beschwerden ist und zum Notruf geführt hat.

Es hängt natürlich viel von den Rahmenbedingungen eines Heimes ab. So hatte ich z.b. an meinem vorherigem Arbeitsplatz PC und durch ein paar Knopfdrucke war der Notfallverlegungsbericht ausgedruckt mit Dauermedis, Diagnosen, Pflegebericht usw. .So blieb einer beim "Patienten" und der andere kümmerte sich um die "Bürokratie". Bei Dokumappensystemen wirds schon etwas schwieriger, meist ist nur erlaubt den Kopf vorzufertigen, der Rest erfolgt dann erst bei Bedarf. Der Grund des Notrufes wird beim Anruf soweit ich das kenne getätigt, oft kommen aber nur Bruchstücke an??

Vielleicht könnte ja sowaß wie ein "Standard" geschaffen werden von beiden Seiten um die Arbeit zu erleichtern?? Dafür wäre es schön wenn hier bis ins Detail diskutiert wird! Für die Mithilfe hier wäre ich sehr dankbar! :wink:

Liebe Grüße

corectly
Thomas H.
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Beitrag von Thomas H. »

Hallo,

Wie Erik schon gesagt hat, ist es besonders wichtig den Zustand des Pat. vor dem akuten Ereignis (z.B. Schlaganfall) einschätzen zu können. Als Mittel hierfür wäre z.B. die Glasgow-Coma-Scale für den Bewusstseinszustand gut zu gebrauchen. Wenn eine solche Eingruppierung z.B. wöchentlich der Fall wäre, wäre es dem Rettungsdienst gut möglich einen Verlauf nachvollziehen zu können. Um andere Bereiche des Patientenzustandes zu beurteilen (z.B. Rescourcen) sind Scores aus der Pflege sicherlich besser geeignet. Schön wäre es wenn man durch eine regelmässige Eingruppierung einen Verlauf erkennen könnte.

gruß
virus
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Beitrag von virus »

Hallöle

Also ich kann mich da nur anschließen! Was sehr wichtig ist, wäre eine Verlaufsdokumentation in allerlei Hinsicht. Die Glasgow - Coma - Scale ist dort auch schon eine gute Verlaufskurve. Hinzu kommen, kann dann auch noch eine Verlaufskurve des Blutdruckes. Wie ist der Blutdruck am Morgen, mittags oder abends.
Welchen durchscnittlichen Blutdruck hat der Patient?
Wird der Blutdruck medikamentös behandelt?
Wie war der RR vor der Medikation?
Welche Medikation bekommt der Patient jetzt?
Welche Änderungen der Medikationen lagen seit kurzem vor (welche Medikamente nahm der Patient zuvor)?
Welche Vorerkrankungen liegen vor und wann stellten diese sich ein?
Gab es Auffälligkeiten in der letzten Zeit?
Wie unterscheidet sich der Patient in jeder Hinsicht vom jetztigen Zeitpunkt im Gegensatz zu davor?
Hat der Patient schon vor kurzem einen Krankenhausaufenthalten?
War ein Doktor / Hausarzt schon vor Ort? Wenn nein, was im Notfall ja üblich ist: Wann wurde der Patient durch einen Arzt besucht [oder umgekehrt]?
Hat der Hausarzt Dokumente da gelassen?
Wie sieht seine Nahrungsaufnahme auf?
Wieviel trinkt der Patient am Tag?
Sind schon mal akute Notfälle aufgetreten? Wenn ja, welche?!


Ich hoffe, dass diese Fragen eventuell noch etwas weiterhelfen könnten...
Thomas H.
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Beitrag von Thomas H. »

Auch ich hab noch ein paar sachen:

Wichtig: ist der Pat infektiös (Hepatitis/HIV/o.ä.)
Es gibt ein paar wenige Fakten die uns als Rettungsdienstler sofort (Bei Eintreffen) zur Verfügung stehen sollten bei jeder Art von Notfall, m.E. sind das:

- Diabetes mellitus (Insulinpflichtig?)?
- Marcumar/Ass in der Dauermedikation (Quick-Kontrolle?)?
- Schrittmacher/implantierter Defi?
- Allergien bekannt?

Bei Marcumar und SM/Defi sollten die entsprechenden Dokumente (-pässe) direkt beim Pat. aufbewahrt werden.

Auch wäre es besonders in Pflegeheimen schön, wenn mit den Pat. bereits über Reanimation, bzw. lebenserhaltende Maßnahmen gesprochen wurde und hierzu ein Dokument vorliegt. Das gibt uns RDler viel Sicherheit bei wichtigen Entscheidungen.

Gruß
Annette Koch
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Beitrag von Annette Koch »

Hallo Thomas H., hallo Virus!

Na da kommt ja schon einiges zusammen was brauchbar ist! Die Glasgow-Coma-Scala finde ich nicht schlecht, brauchbar wäre für den Vergleich "davor" auch die Braden- oder Norton-Skala die im Rahmen der Dekubitusprophylaxe angefertigt wird.
Um einen Standard zu entwickeln sollte man sich auch überlegen was machbar ist. So schreibt Virus RR Messung am Morgen, Mittag und Abend?Die RR Medikation ist ja auf dem Mediblatt aufgezeichnet! Meist wird die tägl. RR-Messung ärztl. angeordnet, wir messen im Bedarfsfall, d.h. wenn Auffälligkeiten seitens der Pflege bestehen und natürlich im Notfall.
Thomas H. bringt denke ich noch sehr wichtige Punkte mit ins Spiel so z.b. auch ob eine Hepatitis-Erkrankung besteht. HIV-Testung denke ich kann im Vorfeld nur der Hausarzt bestimmen? Hab Erfahrung damit denn ich hatte mal eine Nadelstichverletzung wo weder feststand ob diese Dame an Hepatitis erkrankt ist noch an HIV da sie Jahre zuvor Bluttransfusionen erhielt und einen erhebl. Risikofaktor darstellte!

Welche Anforderungen sollten Pflegekräfte noch erfüllen?? Der Punkt mit dem Nachtdienst scheint leider in vielen Fällen so zu funktionieren oder auch nicht, da der N-Dienst meist auch überfordert damit ist!

Ich hoffe noch auf viele Antworten und verbleibe mit

lieben Grüßen

corectly
Thomas H.
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Beitrag von Thomas H. »

Wer hat noch Vorschläge? Tips oder Infos?


Gruß
virus
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Beitrag von virus »

Ich denke, dass man schon viele Informationen zusammen gesammelt hat.

Aber eines würde ich noch hinzufügen. Oftmals kommt man als RD-Personal ins das Pflegeheim zu einem chirurgischen Einsatz (zumindestens bei uns). Einige Pflegebedürftige können ja unter Umständen auch noch selbstständig laufen, fallen jedoch oftmals unglücklich zu Boden. Und hier kommt auch die Pflegekraft ins Spiel. Es muss nicht zwingend sein, dass der Patient wieder ins Bett zurück geschleppt wird, was wir zu oft erleben. Außerdem lege ich auch einen großen Wert auf die Wiedergabe, wie die Pflegekraft den Patienten vorgefunden hat und ob der Patient zu diesem Zeitpunkt Schmerzäußerungen von sich gegeben hat. Unsere Besatzung hatte heute den Fall, dass ein Mann im Bad gestürzt ist. Die Pflegekraft hat uns gesagt, dass der Patient Schmerzen in den Knien hätte. Nach der körperlichen Kontrolle stand fest, dass die Knie verdachtsdiagnositsch i.O. waren, jedoch im Wirbelsäulenbereich massivste Schmerzen bei leichtem Druck entstanden. Die Pflegekraft hat das jedoch nicht für wahr haben wollen und das auf das Alter des Patienten zurückgeführt, so ihre Aussage. Da hat sie halt ein subjektives Empfinden mit einbezogen, weil sie ihn ja kannte. Ob es angebracht ist oder nicht, kann man sich drüber streiten. Aber wichtig ist halt auch, dass die Pflegekraft genau das wiedergibt, was akustisch und visuell wahrgenommen wurde. Das erleichtert auch die Arbeit (soll sie aber nicht verkürzen)...

MfG
Thomas H.
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Beitrag von Thomas H. »

hi virus,

ich gebe dir vollkommen Recht. Häufig habe auch ich schon erlebt das sich das Pflegepersonal nicht sicher ist im Anfordern der korrekten Rettungsmittel, so dass man als RTW auch mal HA-Besuche macht und umgekehrt. Hier besteht m.E. noch einiges an Aufklärungspotential genauso wie das erkennen von zeitkritischen Notfällen (was meiner Meinung nach der Hauptschwachpunkt ist)

Gruß
virus
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Beitrag von virus »

Hallo Thomas,

Da stimme ich dir voll und ganz zu. Gewisse Basics müssen sitzen. Ich weiß ja nicht, was alles im Pflegedienst gelehrt wird. Aber notfallmedizinische und nicht - notfallmedizinische Patienten müssten schon auf Anhieb erkannt werden. Klar kann man nicht von einer Pflegekraft verlangen, dass sie den Patienten therapiert. Jedoch Basis - Maßnahmen sollten sitzen, wie du es ja schon beschrieben hattest.
Mir geht es da fast genauso wie dir. Ich habe bis jetzt jeden Patienten mit einer Fraktur im Bett vorgefunden. Wie die da hin kommen, ist mir bis heute noch ein Rätsel :?: ...

Aber diese Sache, dass der RD die HA - Besuche ersetzt ist schon irgendwie weit verbreitet. Ich kann aber da auch die Pflegekraft verstehen, wenn die dann sagt, dass sie sich absichern möchte. Auch wenn es nur eine Prellung ist oder ähnliches. Ich weiß nicht ganz genau, in welchem rechtlichen Rahmen die Kräfte dort agieren können oder auch müssen. Ob es nun eine Prellung oder eine Fraktur ist, kann ja keiner von uns beiden diagnostizieren.....

MfG
jaegi
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Beitrag von jaegi »

Vor ca. 1 Monat habe ich ein Praktkum beim RD in Freiburg (Stade/Buxtehude) bzgl. der Zivildienststelle dort gemacht. Dort arbeitet der RD mit dem Altenheim 100% zusammen und zwar deshalb, weil die vom Rettungsdienst selber im Altenheim arbeiten. Das kommt zustande da dort ein Fahrtendurchschnitt von 1,6 herscht. Rekord liegt bei 12 Tagen ohne Einsatz. Damit sich das dort rentieren kann, muss das Rettungsdienstpersonal im Krankenhaus arbeiten.

Ansonsten wäre dort ein RD nicht möglich.
Adler9
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Beitrag von Adler9 »

hallo!

eine möglichkeit, mit der wir sehr gute erfahrungen haben, ist das pflegebegleitschreiben, dass bei uns von jedem pflegeheim mit dem pat. mitgegeben wird.
enthalten ist neben name, versicherungsdaten (at. hat noch immer keine karte), angehörige,...
- derzeitige medikation (was, wann, wieviel)
- allgem. patientenzustand normal (mittels kreuzerl, wo und wann braucht pat. bei was hilfe) - also wie weit ist pat. selbstständig, kann gehen, bettlägrig, ansprechbar, orientiert - zum vergleich für den zeitpunkt wo wir kommen geeignet.
- bisherige diagnosen: diabetes, mci, insult, infekionen,...
- besonderes (was ist wann passiert, weshalb muss der pat. ins kh, aktueller verlauf)
ist zwar v.a. für die pflege im kh vorgesehen, aber aus diesem zettel können auch wir uns einiges rausholen.
die mündl. übergabe ist natürlich zusätzlich wichtig und funktioniert auch immer besser.
bezüglich der mündl. übergabe wurde ja oben das wichtigste geschrieben - will mich jetzt nicht mehr wiederholen.

schönen tag noch,

romy
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Im völlig neu errichteten Patientensicherheits- und simulationszentrum in Werdau biten wir seit neustem auch Simulationen speziell für Pflegekräfte an. Im Videodebriefing wir dabei besonderer Wert auf Kommunikation im Team und die Zusammenarbeit mit dem Rettungsdienst gelegt.
Beide Seiten konnten uns bestätigen, dass ein solches Training ein einmaliges Erlebnis mit hohem Lerneffekt ist.

Wer Interesse an solch einem besonderen Training hat darf sich gerne mit mir in Verbindung setzen.

Einen kleinen Einblick in Patientensimulation findet ihr im Forum Patientensimulation und unter selbigem Stichwort in der Linkdatenbank des DMF.

Gruß an ALLE Rett-Med User,
Erik Eichhorn
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