Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

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Dr. A. Flaccus
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Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Moin, moin,

ich möchte gern ein Fallbeispiel schildern, das ich kürzlich erlebt habe:

Alarmmeldung: "Z.n. Krampfanfall", auf Nachfrage erklärt die Leitstelle, der Pat. komme schon wieder zu sich.

In der Wohnung findet sich ein 60jähriger Pat. auf der Couch liegend mit geschlossenen Augen. Auf Nachfrage antwortet er gezielt und orientiert, dabei werden die Augen auch geöffnet. Zum Ereignis besteht Amnesie.

Die Ehefrau ergänzt: "Von 10 min. Kurzzeitig weggetreten...Augen verdreht", "Z.n. Reanimation und langer Klinikaufenthalt vor 3 Jahren", "Krampfpotientiale im EEG seit langem bekannt, machmal Absencen", "So etwas wie das hier noch nicht gehabt".

RTW und NEF haben sich mittlerweile postiert und alles Notwendige bereitgelegt. :)

Was sind nun die nächsten Schitte?
Gibt´s erste Verdachtsdiagnosen?

Bin gespannt. Ich werde den Fall dann Schritt für Schritt fortsetzen...

Gruß

A. Flaccus
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Hab mal vom Fachforum ins "öffentliche" geschoben. Vielleicht diskutieren hierr ja mehr Leute mit. :wink:
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Lizard
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Lizard »

Was sagt uns das EKG und das restliche Monitoring, BZ, Pulsdefizit ?
Weitere Vorerkrankungen?
Welche Medikamente nimmt der Patient und nimmt er sie auch wirklich ?
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Blutdruck 120/80
BZ: 121 mg/dl
SpO2: 97%, dort angezeigte Frequenz: 110/min, Signalstärke +++ (von 5 möglichen)
SpO2-Kurve wirkt aber verwackelt
Der Körper ist total verschwitzt, EKG-Elektroden sind schwierig...
Eingenässt hat der Patient nicht, Zugenbiß ist auch nicht sichtbar, Pupillen mittelweit und lichtreagibel.

Damals war wohl "irgendeine Rhytmusstörung" im Rahmen eines NSTEMI auslöser für die Reanimation. Danach lange Reha wg. neurologischer Folgestörungen. Nach drei Jahren immer noch etwas verlangsamt aber sonst aktiv am Leben teilnehmend. Und wie gesagt: Krampfpotentiale im EEG sind bekannt, nur einen "echten" Anfall wie diesen gab´s noch nie.

Medis:
ASS 100
Betablocker
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Muppet »

Hautfarbe während Anfall?
Viel Speichel produziert?
Initialschrei?
Versive Kopfbewegung?
Tonisch dann clonische Phase?
Seitendifferenz?
Sofort orientiert?
Keine antiepileptische Behandlung?
EPs im EEG können irreführend sein
Absencen treten bei Fokalepilepsie nicht auf (wenn dann, sind das dialeptische Anfälle),
Abwesenheitszustände können aber auch bei Herzprobleme/Perfusionsstörungen auftreten.
Patient schläfrig?
Ca Spiegel?
Prolaktin?
Kreatin?

Also, wenn keine tonische Phase, Gesicht blaß und verschwitzt, Cloni erst nach Bewusstseinsverlust, keine versive Kopfbewegung, Augen nach oben verdreht, sofort orientiert - tendiere eher zu Herzrhythmusstörung/konvulsive Synokop.
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Also...die meisten Fragen können hier nicht beantwortet werden. Wir befinden uns am Notfallort in einer Wohnung.

:arrow: Laborwerte scheiden aus, alte sind nicht vorhanden
:arrow: Exakte Anamnese durch Partner (Laie!) ist nicht möglich
:arrow: Das Bewußtsein kehrte "relativ schnell" wieder zurück, der Patient antwortet langsam auf alle Frasgen, Amnesie zum Geschehen
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Lizard »

Hat der Patient einen Schrittmacher ?
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Nein, hat er nicht...
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Lizard »

Trotz der Anamnese mit Krampfpotentialen usw. würde ich jetzt nicht direkt von einem epileptischen Anfall ausgehen.
Der Patient ist ja direkt wieder Ansprechbar und orientiert.
Würde jetzt mal versuchen das EKG trotz verschwitzer Haut dranzubasteln :D . Kann ja z.B. auch ein Adam Stokes Anfall gewesen sein.
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

:)
Hartnäckigkeit zahlt sich aus....

Wir kleben also das EKG und schon die ersten hörbaren Tonfolgen lassen nicht gutes vermuten:

Sichtbar wird eine Tachycardie von 260 Schlägen pro Minute (220 bis 285).
Wirkt auf dem Monitor am ehesten wie eine Kammertachycardie.

RR jetzt noch 90/60.

Und nun?
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Lizard »

Die Tachykardie scheint ja durchaus hämodynamisch wirksam zu sein, daher kann an sich überlegen ob man unter Kurznarkose mit 200J (biphasisch) kardiovertiert oder wenn es die Klinik erlaubt ein Loading mit 300mg Amiodaron i.v. beginnt und den Patient schnell in eine kardiologische Abteilung bringt.
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

ob man unter Kurznarkose
Der Patient hat vor einer Stunde eine komplette Mahlzeit zu sich genommen.

Aber: Transport in die Klinik (2. Stock, kein Fahrstuhl, reine Fahrzeit weitere 7-10 min.) unter diesen Bedingungen?
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Lizard »

Also mit einer Frequenz von ca.230/min würde ich ungern mit dem Patient die Treppen runter und dann noch 10 Minuten fahren.

Geben wir dem Patienten doch 300mg Amiodaron und schauen was passiert .
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

und schauen was passiert .
nix passiert...
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Re: Fallbeispiel: "Z.n. Krampfanfall"

Beitrag von Reddy »

Sind beide Lungen seitengleich belüftet?
Hat der Patient gestaute Halsvenen?

Sind Lungen und Halsvenen o. B. würde ich dem Patienten O2 über Nasenbrille oder Maske (was besser toleriert wird) anbieten, eine i.V.-Zugang legen und versuchen durch ß-Blocker die Frequenz auszubremsen.

Unter engmaschiger RR-Kontrolle würde ich unter Voranmeldung die nächstgelegene Kardiologie anfahren. V.a. Reentry Tachycardie
Viele Grüsse,
Reddy.

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