Kindernotfall zum MitDENKEN

Moderator: DMF-Team

d-i-n
Topicstarter

Kindernotfall zum MitDENKEN

Beitrag von d-i-n »

Hallo Forum,

hier ein "frischer" Fall aus meinem letzten Dienst.

9.Jan.05 ALARM RTW+NEF mit SR 21:01 h: Kind 5 Jahre krampft.

Eintreffen 21:07.Uhr

Lage vor Ort: Kind 5 Jahre liegt auf der Seite im Bett, reichlich Speichel/ Schleim vor dem Mund und auf Kopfkissen, nicht eingenässt, krampft. Mutter hat es um 20 Uhr ins Bett gebracht, um 21 Uhr noch mal reingeschaut und Kind so gefunden.

Befund: 5-jähriges, leicht adipöses (20 kg) Mädchen, rosig (Sätt.spontan 95 %), RR 100 syst., HF 115, tief sommnolent bei offenen Augen, keine Reakt auf Schmerzreize, fokales, starkes, kleinschlägiges Krampfen ges. linke Körperhälfte armbetont (sorry, bin kein Neurologe, könnte man sicher besser ausdrücken). Frisch verkrustete Risswunde re Stirn am Haaransatz mit ganz geringem Hämatom.

Vorgeschichte: Kind war bis zum Krampfanfall völlig unauffällig. Am Vortag hat es den Kofferraumdeckel des Familienautos auf die Stirn gekriegt, kein Sturz, keine Bewusstlosigkeit, keine neurol. Auffälligkeiten. Kind wurde vom HA untersucht, Wunde nicht genäht (da zu klein). Keine ernsthaften Vorerkrankungen, keine Fieberkrämpfe früher, keine Epilepsie in der Familienanamnese.

So, jetzt mach ich’s wie grisu :lol: : Leute, da liegt nun Eure kleine Patientin, was macht ihr ? :?:

:?: Welche weiteren Untersuchungen ?
:?: Welche Therapie ?

Zum Glück sind die Eltern sehr ruhig und hilfreich :lol: .

Viel Erfolg beim Weiterraten ! doc-in-not :wink:
d-i-n
Topicstarter

...auch für Rettungsassis-/sanis

Beitrag von d-i-n »

Hallo Forum,

wollte noch sagen, daß die Diskussion zum Kindernotfall natürlich nicht nur für docs gedacht ist, sondern auch für Assis/ Sanis ect. ! Ihr steht ja sehr oft als Erste bei einem Krampfkind und müßt alleine agieren, bis der NA kommt.

Also wäre toll, wenn ihr Euch auch beteiligt ! Ruft dann einfach den NA dazu, wenn ihr nicht weiterkommt !

Gruß an alle ! doc-in-not :wink:
Gast
Topicstarter

Beitrag von Gast »

Tjaaaa,
Verdachtsdiagnose Epidurales Hämatom re. oä. (wäre akut ohnehin sekundär...).
5mg Rektiole Diazepam initial
30° OK hochlagern
Zugang
O² bB
Dann sofort ab in die Klinik mit Neurochirurgischen Ressourcen und CT!

Weiter: Nach CT
Watcher
d-i-n
Topicstarter

Beitrag von d-i-n »

Hallo Watcher,

war schon ein guter Anfang ! Ich sehe, daß Du schon eine konkrete Verdachtsdiagnose im Kopf hast :idea: . Das ist schon o.k. und bisher hast Du auch alles richtig gemacht. Aber sollte man nicht immer auch noch ein bißchen an mögliche andere Ursachen denken ?

Welche 2 einfachen Diagnostik-Maßnahmen könnte/ sollte der RA/RS vielleicht noch durchführen (ihr habt alles dafür im Koffer...) ? :?:

Jetzt dürfen die Ärzte hier aber erstmal nix sagen, bis die zwei Antworten von RA/RS kamen !

Gruß von COYOTA :wink:
Gast
Topicstarter

Beitrag von Gast »

Naja...nen Zucker hätt`ich schon noch gemacht...möglicherweise wäre mir dann ein hyperosmolares Koma in den Sinn gekommen...
Wahrscheinlich hätt ich aber erstmal symptomatisch behandelt und den Zucker im Auto nachgeholt um im Fall des Falles keine Zeit verloren zu haben.

Jetzt bin ich aber mal gespannt was es wirklich war...
Watcher
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Ich packe zum Blutzuckertest mal noch die Pupillenleuchte aus. Seitengleich? Lichtreaktion prompt?
Erik Eichhorn
Rett-Med
DMF-Moderator im Forum Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin
Gast
Topicstarter

Beitrag von Gast »

Jetzt aber...
Rosa Kind?
Wie ist denn die Temperatur?
Watcher
Gast
Topicstarter

Beitrag von Gast »

Hallo :D ,

joooo, Blutzucker war das eine und das würde ich sofort am Bett machen, dauert eine Minute und wenn Ihr eh schon einen Zugang legt ja wirklich kein Problem. Ich würde auch eher an einen Unterzucker, als gleich ein hyperosmolares Koma denken. Aber BZ ist schon mal klasse und gehört wirklich bei jeder unklaren Bewußtseinstrübung gemacht. BZ bei unserer kleinen Patientin ist 85 mg%, also normal.

Erik, die Pupillenleuchte habe ich als 2. zwar nicht gemeint, ist aber sicher auch eine sehr gute Idee. Wenn die Pupillen seitendifferent (verschieden groß) sind, dann brennts ja nun doch !
Die Pupillen unserer Patientin sind vor der Gabe von Diazpam seitengleich, weit mit prompter Lichtreaktion (d.h. sie werden beim Anleuchten sofort maximal klein).

Aber eines fehlt mir noch... :?: auch wenn das Kind schon 5 Jahre alt ist, kann es immer noch passieren... :roll: Kind KRAMPFT !!! So, jetzt aber !!! :shock:

Gruß von doc-in-not !!! Laßt Euch nicht entmutigen, ihr schafft es !!!
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Na lass es doch raus, Watcher hat ja schon gefragt.

/me macht schonmal die Wadenwickel startklar :-)
Erik Eichhorn
Rett-Med
DMF-Moderator im Forum Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin
Anja.
Topicstarter

Beitrag von Anja. »

Tja, hört sich fast an wie bei meiner Tochter, es war ihr erster Epileptischer Anfall, auch ohne vorherigen Fierberkrämpfen, auch ohne Epilepsie in der Familie.

Anja
Anja.
Topicstarter

Beitrag von Anja. »

Hmm, Fieberkrampf?? haber halbseitiges Krampfen wäre doch dafür nicht typisch...
Anja, total gespannt
d-i-n
Topicstarter

Beitrag von d-i-n »

Sorry, hatte gerade an meinem Posting geschrieben, als Watcher seins schon abgeschossen hatte... genau... Fieberkrampf mit 5 ist zwar selten, aber möglich. Aber Erik, kannst die Wadenwickel wieder wegpacken -Temperatur rektal 36,8 Grad. :D

Das Kind bekam von mir noch vor Zugang oder sonstigem 2 Supp. Diazepam 5 mg, da mir 5 mg bei 20 kg Körpergewicht zu wenig waren. Leider blieb die Medikation völlig wirkungslos - trotz hoffnungsvollem Zuwarten :cry: neiiin, hab natürlich nicht untätig gewartet, sondern in der Zeit Fieber gemessen, Zugang gelegt und neurol. untersucht. Sauerstoff ins Näschen, Monitoring (Sätt. unter O2 bei 97-98%, EKG o.B.)

Untersuchung zeigt leicht übersteigerte Arm-und Beinreflexe links, kein Babinski, kein Meningismus (= keine Nackensteifikeit), keine Blickdeviation (= kein "Herdblick"), keine Spontanbewegungen. Tja, Kind krampft immer noch fokal linksseitig armbetont, jetzt insgesamt mindestens 20 min (plus die Zeit, bevor die Mutter es gefunden hat).

Nun wirds für RA/Rs schwierig, mehr konntet ihr erstmals nicht tun, jetzt sind glaube ich die docs dran ? :wink:

Bin gespannt, was ihr weitermacht. Mein Weg zur nächsten Kinderklinik mit CT und Neurochirurgie: wenns gut geht 40-45 Minuten !

Gruß von doc-in-not und shon mal bravo an den Rettungsdienst ! :wink:
grisu112
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Beiträge: 91
Registriert: 20.12.04, 11:53

Beitrag von grisu112 »

Hallo Doc-in-not!

Jetzt ist der Doc wirklich in Not !

Also meine Diagnose: Status epilepticus !

Was ich bei ruhigen Eltern doch noch gerne wissen möchte ist:

Besteht die Möglichkeit einer Vergiftung ? Fehlen Medikamente, Putzmittel, etc.

Bei langer Krampfdauer (=Status) und langem Transportweg würde ich das Kind (falls Intox. unwahrscheinlich) doch intubieren. Am ehesten bei stabilen Kreislaufverhältnissen, die gute alte Barbituratnarkose.

Bin gespannt, wie es weitergeht.

liebe Grüße

Grisu112
Schöne Grüße von

Grisu

(dem kleinen Rettungsdrachen)
d-i-n
Topicstarter

Beitrag von d-i-n »

Hallo Forum,

ich will Euch ja nicht zu sehr auf die Folter spannen, sondern jetzt in einem Stück schreiben, wie es weiterging.

Also das waren absolut geordnete Verhältnisse, die Eltern waren so um die 40 und einfach beherrscht und nicht nach außen aufgeregt oder hysterisch. Ich konnte sie aber auch sehr mit einbinden, also Vater für Beleuchtung, Mutter für Handtuch zum Unterlegen ect. Eine Intox oder Kindesmißhandlung waren sehr unwahrscheinlich.

Ich hab dem Kind im Kinderbett noch 3 mg Diazepam i.v. gespritzt, dann erst mal (mit Monitoring/Sauerstoff) in den RTW gebracht. Dort Seitenlage, ich saß direkt neben dem Kopf. Transportbeginn.
Im RTW war das Krampfen dann etas milder -> nochmal 2 mg+ 2 mg Diazepam i.v. im 2 -min-Abstand bei guter Atmung. Krampfen sistiert (und ich mach 3 Kreuze !). Kind klart sehr rasch auf,echt erstaunlich, binnen 5 Minuten, betrachtet interessiert die Umgebung, findet das Tatütata klasse und spricht auch ganz klar.

Die erneute neurol. Untersuchung bringt unauffäll. Pupillen und Reflexe, aber erschreckenderweise eine komplette, schlaffe Parese der linken Hand und des linken Unterarmes. Es war echt schrecklich, das arme Mädchen guckte ganz entsetzt ihre Hand an, wollte eine Faust machen und es ging gar nichts. Gut daß wir supersüße Teddys dabeihaben !!!

Naja, um 22:20 dann mit recht fröhlichem Kind und durchgeschwitztem NA endlich in der Klinik, super organisiert, Kinderarzt, Neurologe, Neurochirurg und zwei (!) Radiologen warten schon, Kind geht sofort ins CT.

So und jetzt bitte nicht enttäuscht sein... das CT war völlig unauffällig ! JEDER der Beteiligten hätte seine Hand ins Feuer gelegt, daß das Mädel ein subdurales Hämatom oder eine intracerebrale Blutung nach dem Kofferraumdeckel-Trauma hat. Das Kind wird selbstverständlich sehr gründlich weiter untersucht. Nachdem das ganze erst vorgestern abend war, gibts noch keine weiteren Resultate. Die Lähmung der Hand ist binnen weniger Stunden von alleine weggegangen.

Zur Frage der Intubation. Ja, ich gebe zu, vom GCS her hätte ich intubieren müssen. Aber ich habe halt gerade bei Krampfern schon so oft erlebt, daß sich der Krampfanfall doch behandeln ließ und die Patienten schnell aufklarten. Zudem hatte das Kind ja schon mindestens 20-25 min gekrampft und nicht erbrochen. Daher hielt ich die Gefahr des Erbrechens/ Aspiration für hinnehmbar.

Problem ist ja auch, daß man durch die Intubationsnarkose für Stunden die neurologische Beurteilbarkeit extrem einschränkt.

Hätte das Kind nicht aufgehört zu krampfen, hätte ich weiter mit Diazepam behandelt, bei Sättigungsabfall dann intubiert.

Hatte vor einigen Wochen einen 5-jährigen Jungen in ganz ähnlichem Zustand, aber generalisiertes Krampfen (mit 1 Diazepam Rektiole aufgehört), kein Trauma, 37,2 Grad Temperatur, BZ 252, ebenfalls auf dem Transport wachgeworden. Am Folgetag dann 38,2 Temperatur. Das wurde von den Kinderneurologen als Fieberkrampf beurteilt.

Bei dem Mädchen bin ich sehr gespannt und hoffe natürlich, daß es nicht wie bei Anjas Kind die Erstmanifestation einer Epilepsie war und der Kofferraumdeckel nur Zufall.

Tja, ich werde mich natürlich bemühen, die endgültige Diagnose zu klären und selbstverständlich posten.

Bis dann ! doc-in-not :wink:
Martin Stadler
DMF-Mitglied
Beiträge: 3329
Registriert: 12.10.04, 17:22

Beitrag von Martin Stadler »

doc-in-not hat geschrieben:...das CT war völlig unauffällig ! JEDER der Beteiligten hätte seine Hand ins Feuer gelegt, daß das Mädel ein subdurales Hämatom oder eine intracerebrale Blutung nach dem Kofferraumdeckel-Trauma hat. Das Kind wird selbstverständlich sehr gründlich weiter untersucht. Nachdem das ganze erst vorgestern abend war, gibts noch keine weiteren Resultate. Die Lähmung der Hand ist binnen weniger Stunden von alleine weggegangen.

Hätte das Kind nicht aufgehört zu krampfen, hätte ich weiter mit Diazepam behandelt, bei Sättigungsabfall dann intubiert.
Hallo doc-in-not!

Du schreibst (wenn ich "Du" sagen darf?) hier von einer durchaus klassischen Diff.-D-Situation, sowohl im Kindes- als auch im Erwachsenenalter!
Es werden häufiger mal fokale Symptome als Ischämie/Blutung fehlgedeutet, während in Wirklichkeit ein Migräneanfall mit Aura oder eine fokale Epilepsie ohne neuroradiologisches Korrelat vorlag!
Hier in dem vorliegenden Fall wäre z. B. denkbar:
- Migräne-Anfall (5 - 10 % Erstmanifestation vor. 10. Lj.!) mit fokal-betonter (...-)motorischer Aura; es gibt auch Migräne-Auren ohne Kopfschmerzen!!
- sensomotorischer Jackson-Anfall (einfach fokal), mit untypischer Vigilanzstörung, aber durchaus typischer postparoxysmaler Todd'scher Lähmung

Eine Alternative zur weiteren Diazepam-Gabe, wenn 20 oder 30 mg bei einem Kind nicht reichen, wäre 250 mg Phenytoin als Kurzinfusion über 10 - 20 Minuten. Man muß diese nicht fertig laufen lassen.
Den mir bekannten Neurologen war immer wichtig, daß bei epileptischem Anfall präklinisch kein Dormicum verwendet wird!
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