Biographiearbeit

Konzept der Anregung und Förderung individueller Lernprozesse bei Patienten mit Störungen der Wahrnehmung, Bewegung und/oder Kommunikation

Moderator: DMF-Team

majad
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Biographiearbeit

Beitrag von majad »

Hallo ihr lieben Schreiber und Leser dieses Forums,

wer von euch hat: Erfahrungen in der Umsetzung, Literaturtips... zum Thema Einbeziehen der Biographie eines Menschen in die tägliche Pflege. Ich meine dabei nicht nur das gewohnte Duchgel benutzen, sondern Fragen wie -Umgang und Verarbeitung von Krankheit, -Einbeziehen und Umsetzen von spirituellen Bedürfnissen, -Einbeziehen eines gewohnten Lebensrythmus usw.

Ich habe dazu kürzlich eine für mich ziemlich prägende Erfahrung gemacht:
Es war Sonntag ich habe einen alten Menschen mit bestem Wissen und Gewissen nach der Basalen gewaschen, "gelagert", Mundgepflegt...(Zeitaufwand ca 45 Minuten am Stück) Ich habe aber das Gefühl, das Highlight an diesem Vormittag war für ihn, als ich ihm aus seinem Gesangbuch, das auf dem Nachttisch lag, ein paar Gebete vorgelesen habe (Zeitaufwand ca 5 Minuten).
Ich frage mich manchmal sind wir in der BS nicht oft zu sehr auf unsere "Techniken" fixiert. Ich habe für mich das Gefühl bei dem Patieten war an diesem Morgen das Zentrale Ziel "Sin und Bedeutung geben" wichtiger als alles andere.

Deswegen noch mal meine Frage: welche Erfahrungen habt ihr mit der Einbezeihung der Biographie eines Menschen in die Pflege?

Freue mich auf alle eure Erfahrungen; Ideen, Tips, Literaturhinweise ....
:D

Liebe Grüße ins www

Majad
Mouchette
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Beitrag von Mouchette »

Hallo

Ich halte das Biographische für sehr sehr wichtig und entscheidend. In der Basalen Stimulation leg ich sehr viel Wert auf die persönlichen Erfahrungen der PatientInnen. Ich komme zwar nicht aus der Pflege aber in der Therapie werden dann Gegenstände aus dem bekannten Umfeld der PatientInnen herangezogen.

Warum nicht mal beten, ich hatte auch so einen Fall und hab dem Patienten die Hände mal gefalten, das ist motorisch nicht so leicht anzunbahnen, gibt aber eine ganz schöne Position der Hände mit viel Eigenwahrnehmung. Weil die Finger ineinander verschränken muss man nur aufpassen, dass es nicht zu lange dauert, weil häufig viel Spannung in den Flexoren liegt und die Finger nicht blau werden sollen.

Schöne Grüße
soelvi
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Re: Biographiearbeit

Beitrag von soelvi »

Hallo!
Mache zur zeit die FWB Intensiv- und Anästhesie und schreibe gerade eine Facharbeit zum Thema: Erstellung eines biografischen Anamnesebogens für eine Intensivstation.
Wer hat hiermit Erfahrung? Gibt es soetwas schon in Anwendung
Peter Estner
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Re: Biographiearbeit

Beitrag von Peter Estner »

Hallo soelvi
es freut mich sehr zum Einen, dass Sie das Thema Basale Stimulation für die Facharbeit nehmen möchten und zum Anderen, dass Sie sich dem Thema Biographische Anamnese witmen möchten. Meiner Meinung nach gibt es tausende von Biographiebögen, alle mit viel Arbeit ausgeklügelt und erstellt, kurz und lang usw. der Haken ist, dass sie alle in der Schublade versinken und sie keiner ausfüllen mag. Manchmal werden sie kommentarlos Angehörigen mitgegeben und was diese dann damit machen weiß man nicht, vor allem nicht, welche Gedanken die Angehörigen dabei haben, wenn sie oft zu tiefst intime Fragen beantworten sollen und nicht wissen warum ....

So, d. h. jetzt, was ist sinnvoll und in welchem Rahmen kann ein Biographischer Anamnesebogen erstellt werden, denn eine letzte Frage noch im Vorfeld ist abzuklären, was geschieht mit den doch so persönlichen Bögen?

Um hier nicht zu weit zu gehen und auch nicht negativ dem Biographischen Anamnesebogen gegenüberzustehen, sind das für mich wichtige, zentrale Überlegungen, die in der Ausarbeitung des Themas wichtig sind.

Ein Anamnesebogen kann nur individuell für die jeweilige Station/Abteilung ausgearbeitet werden, denn es ist ja ein Unterschied ob ich auf einer Intensivstation arbeite, in einer Frühreha oder im Alten- bzw. Pflegeheim. Also individuell und natürlich soll so ein Bogen zum Ausfüllen schnell gehen. Heutzutage haben wir ja keine Zeit für noch zusätzliche Doku-Arbeit. Was können wir umsetzen, das wir erfragen, welche Möglichkeiten gibt es. Grundsätzlich könnten sich die Fragen nach den ATL`s beziehen und dabei eben schauen, woraus kann ich eine Pflege ableiten, die speziell für diesen Patienten machbar ist. Einen Anamnesebogen nach den Zentralen Zielen aufgebaut, habe ich auch schon einmal probiert zu erstellen, aber den konnte ich nicht ausprobieren, da er vom Team abgelehnt wurde. Dies geht dann nur, wenn jeder die Zentralen Ziele kennt und sie auch in seine Pflege mit einbezieht. Aber ATL`s kennt jeder und in den allegemeinen Pflegeanamnesebogen mit eingearbeitet, den ja eh jede Station hat, das machte für uns Sinn und hat sich auch bewährt.
Hoffe ich konnte etwas weiterhelfen, viel Erfolg und hoffentlich viele Anregungen hier im Forum
viele Grüße
Peter Estner
Moerphy
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Beiträge: 6
Registriert: 26.08.07, 18:33

Re: Biographiearbeit

Beitrag von Moerphy »

Hallo alle zusammen,

also ich freu mich erst einmal, dass in diesem Forum doch noch ein Fünkchen Leben zu stecken scheint. Ist ja doch so ein bisschen Wachkoma hier.
Ich frage mich, wie die Basalisten überhaupt Kommunizieren?
Thema Biographiearbeit:
1. Was passiert mit den Biographiebögen?
Richtig, sie verschwinden in den Schubladen. Wer sie benutzt, der benutzt sie aus eigener Überzeugung. Und das sind nicht viele.
In der Regel wird es nicht von einem Pflegeteam erwartet, das es sich mit so etwas beschäftigt und selbst wenn, dann ist es meist nur theoretisch.
„Wir müssen das ausfüllen lassen und fertig.“
2. Was macht man mit so einem Biographiebogen?
Gute Frage. Also führe ich als überzeugter Nutzer von biographischem Wissen über Patienten ein Angehörigengespräch. Ich möchte wissen wer er vor dem Ereignis war.
Am liebsten möchte ich ein Video von ihm sehen. Wie er sich bewegt, verhält, tritt er dominant auf oder ist er eher zurückhaltend? Ich möchte mir ein Bild von seiner Persönlichkeit machen, auch um zu wissen, dass er vielleicht in seiner jetzigen Situation oder später anders sein wird als er war.
Aber was mache ich mit dem Wissen, wenn ich nach drei Spätdiensten, Nachtdienst habe und in ein anderes Zimmer wechseln muss. Es gibt keine Zimmer- oder Bezugspflege auf Intensivstationen, das Personal fühlt sich dadurch zu sehr belastet!
Wenn es doch so etwas gibt, bitte melden! Wie geht ihr mit dem Problem „Bezugspflege“ um. Bekommt ihr Unterstützung vom Haus? Wenn nicht, ist Bezugspflege vielleicht vom Haus gar nicht gewollt?

1. Frage dazu: Mache ich jetzt eine ausführliche Übergabe an den nächsten Dienst?
Würde wahrscheinlich heißen, dass jeder ständig ausführliche Übergaben machen muss. Macht kein Mensch. Der Informationsverlust bei Übergaben ist sehr hoch.
2. Frage dazu: Vertrauen Aufbauen? Wie soll das gehen, bei Rotation von Personal auf Intensivstationen? Biographiearbeit heißt etwas über die Person zu erfahren, heißt ein Stück Personenzentrierte Pflege. Um die Persönlichkeit zu kennen, muss ich mit ihr in eine Beziehung treten, was gleichzeitig bedeutet, dass ich dem Patient die Möglichkeit gebe Vertrauen zu mir aufbauen zu können. Ist ja ein Ziel der Basalen. Hier hapert es schon wieder, dass die meisten Pflegenden auf Intensivstationen, die ich zumindest kenne, überhaupt nicht Beziehungsfähig in Zusammenhang mit den Patienten, die sie betreuen sind.
„Nach dem zweiten Tag der Betreuung, fällt bei mir der Sympathiespiegel zu den Patienten“ Aussage eines Kollegen.
Person! Persönlichkeit! Wie soll ein Pflegender den Patienten als Person wahr nehmen, wenn er sich selbst nur als irgendjemand betrachtet sieht.
Als Pflegender habe ich kaum Mitspracherecht. Dienstberatungen laufen mehr als Monologe ab. Belehrungen, Ab sofort wird das so und so gemacht. Wie ist es mit der Demokratie auf einer Intensivstation? Ich muss einspringen, wenn jemand Krank wird, doch wenn ich mal Frei haben möchte, ist das immer schwierig. Eigentlich will ja keiner nur so vor sich hin pflegen, auch wir Pflegenden verfolgen Ziele mit unserem Beruf, doch wie ist das mit Zielvereinbarungsgesprächen? Wer bin ich (Pflegender) überhaupt? Wie war der Spruch?: „Am Du zum Ich werden.“ Gilt für die Pflege-Patientenbeziehung ebenso wie für die Pflege-Vorgesetztenbeziehung. Algemeines Pflegebild in Deutschland.
Jeder Mensch ist ein Stück weit ein Spiegel der Gesellschaft in der er lebt.

Die Frage also wozu Biografiebögen im Intensivbereich? Also ich sehe hier eine Sackgasse.
Oder gibt es hier andere Erfahrungen?
Ich weiß, wieder eine nicht so gute Meinung. Biografiearbeit halte ich für sehr wichtig, aber es ist eben aus meiner Sicht nur eine Theorie.
Ich hoffe ich habe mit meinem Beitrag dieses Forum nicht wieder in den Dornröschenschlaf geschickt. Vielleicht fällt mir dazu auch noch was Konstruktives ein.
Grüße Moerphy
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