Dialyse und Unfall

Moderator: DMF-Team

Unfallzeuge
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Dialyse und Unfall

Beitrag von Unfallzeuge »

Hallo !

Ich bin Zeuge und Ersthelfer bei einem Unfall auf der Autobahn gewesen.

Ein junger Mann (Fahrer) war ziemlich schwer verletzt. Der Notarzt hat ihn in "Tiefschlaf" versetzt und einen Beatmungsschlauch eingeführt. Dann hat er, wenn ich es richtig verstanden habe, einen Dialyseschlauch in den Brustkorb gesteckt.

Bekommt ein Schwerverletzter so schnell eine Blutvergiftung durch Nierenversagen ?
Dialyse ist doch Blutwäsche bei Blutvergiftung durch die Nieren ?

Ich habe das alles mitbekommen, weil ich nebenan einer verunfallten Frau die Hand gehalten habe und versucht habe sie abzulenken und etwas zu trösten.

Ich hoffe ich habe nicht zu dumme Fragen gestellt, aber die Bilder vergesse ich nicht so schnell und so möchte ich mich genauer auskennen.

Danke
downcase
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schlauch

Beitrag von downcase »

hallo unfallzeuge,

iich sehe 2 möglichkeiten, um was es sich dabei gehandelt hat:

1. eine thoraxdrainage
bei verletzungen des brustkorbs kann luft aus der lunge oder von aussen in den spalt zwischen lunge und brustkorb gelagen. da die lunge elastisch ist, zieht sie sich dann auf der betroffenen seite zusammen und es gelangt keine luft mehr in die lunge selbst hinein und hinaus. das ganze nennt man einen pneumothorax; ähnliches kann auch durch blut bedingt sein, dann wäre es ein hämatothorax und es gibt auch mischformen.
um die lunge wieder zu entfalten müssen luft und/oder blut aus dem brustkorb entfernt werden, was über eine thorax-drainage gemacht wird. meistens wird dabei ein etwa fingerdicker durchsichtiger plastikschlauch über einen kleinen schnitt an der seite des brustkorbs relativ weit oben (fast in der achselhöhle) eingelegt. mit einem dialyseschlauch hat das aber nichts zu tun -- vielleicht handelt es sich um ein missverständnis.

2. ein sheldon-katheter
der einzige zusammenhang zu einem dialyse-schlauch ist der, dass man manchmal einen solchen (sog. sheldon-katheter) in eine vene legt, weil man hierüber in kurzer zeit sehr große mengen flüssigkeit zuführen kann, um starke blutverluste auszugleichen. durch einen sheldon-katheter (dialyse-katheter) bekommt man in der gleichen zeit wesentlich mehr flüssigkeit als über mehrere infusionsnadeln.
es gibt verschiedene stellen, an denen man einen solchen legen kann; eine möglichkeit ist eine vene die unter dem schlüsselbein verläuft. der katheter würde in diesem fall also an der vorderen seite des brustkorbs, relativ weit oben "rauskommen".
bei der versorgung am unfallort ist das aber eine relativ seltene massnahme, so dass ich eher glaube, dass es sich bei dem was sie beobachtet haben, um eine thoraxdrainage gehandelt hat.

nierenversagen kann nach einem schweren unfall auch auftreten und auch dazu führen, dass ein patient an die dialyse muss. das ist aber ein problem, dass erst nach einigen tagen auftritt. deswegen würde man am unfallort auf keinen fall zeit damit ergeuden, das schon einmal vorzubereiten, zumal man nicht weiss, ob es überhaupt dazu kommen wird.
in der mehrzahl der fälle müssen die patienten übrigens nicht dauerhaft an der dialyse bleiben, weil sich die nieren nach einem solchen akuten nierenversagen in der regel wieder erholen.

grüße

downcase
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Hallo downcase und Unfallzeuge,

downcase dir schonmal vielen Dank für die ausführliche Erklärung, sie wird unserem Unfallzeuge denke ich, einiges weiterhelfen.

Und dir Unfallzeuge nochmal einen ganz besonders großen Dank und meine Anerkennung, du bist einer der wenigen, die anhalten und helfen.
Leider geht dann in der allgemeinen Betriebsamkeit oft unter, daß unter Umständen auch die Ersthelfer zu Opfern werden.

"... aber die Bilder vergesse ich nicht so schnell ..."

Ich wünsche Dir, das du das erlebte bald verarbeitest. Solltest du doch glauben Hilfe zu benötigen, wende dich doch bitte per pn oder mail an mich, ich werde dann für dich entsprechende Kontakte herstellen.
Erik Eichhorn
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G. Ast
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Beitrag von G. Ast »

M.E. gibt es nur extrem selten die Indikation für zentrale Zugänge "draussen". :shock:

Würde mich aber interessieren, wie das in den einzelnen RD-Bereichen gehandhabt wird?
Und: Hat jemand überhaupt nen Shaldon (nach Dr. Stanley Shaldon), Schleuse oder Quinto, etc. aufm Auto?
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Die Gasmänner legen doch ganz gerne mal einen ZVK draussen, wenngleich sicher der Indikationsbereich recht eng ist.
IdR also nur bei extrem schlechten Venenverhältnissen (Schock, Reha).
Wir führen einmal einen einlumigen Basilica-Katheter mit und einen doppellumigen Multicath für jugularis bzw. subclavia- Punktionen.
Erik Eichhorn
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Martin Stadler
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Beitrag von Martin Stadler »

Hallo Erik!
Erik Eichhorn hat geschrieben:Die Gasmänner legen doch ganz gerne mal einen ZVK draussen, ... IdR also nur bei extrem schlechten Venenverhältnissen (Schock, Reha)
ZVK im Rahmen der notärztlichen "Reha!?! :shock: :lol:


PS: Kannst aber gerne ausbessern und meinen Beitrag wieder löschen! :wink:
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Danke Martin,

kommt davon, wenn man Beiträge zwischen Tür und Angel verfasst.

Zur allgemeinen Belustigung :lol: bleibt der Beitrag so stehen, wie er ist.
Erik Eichhorn
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Unfallzeuge
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Dialyse ?

Beitrag von Unfallzeuge »

Es war keine "Thoraxdrainage" (hoffentlich schreibt man das so), davon hat das Unfallopfer zwei bekommen, seitlich, da ist Blut rausgeronnen.

Dann hat er einen Gwiton oder so verlangt und auf Frage des Sanitäters gesagt den Dialysekateter.

Die anderen Schläuche im Brustkorb haben ja nur den Bluterguß ablassen sollen, oder ?
downcase
Topicstarter

dialysekatheter

Beitrag von downcase »

hallo unfallzeuge,

was sie gehört haben klingt am ehesten nach "quinto". dabei handelt es sich um einen katheter, der in eine herznahe vene, z.b. am hals oder unter dem schlüsselbein, gelegt wird. dieses spezielle system hat insgesamt 5 anschlüsse, von denen eines sehr dick ist, d.h. man kann in sehr kurzer zeit sehr viel flüssigkeit darüber verabreichen.
zur dialyse ist dieser katheter nach herstellerinformationen meines wissens nicht vorgesehen sondern speziell zur versorgung von patienten mit starkem blutverlust u.s.w.

man muss sagen, dass da der notarzt eine sehr umfassende versorgung am unfallort vorgenommen hat. insbesodnere solche zentralen venenkatheter sind, wie das hier in der diskussion auch schon angeklungen ist, am unfallort eher die ausnahme und werden bei schwerverletzten in der regel erst bei aufnahme ins krankenhaus gelegt.

grüße

downcase
Gunnar Piltz
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Beitrag von Gunnar Piltz »

Hallo @ all !

Ist doch eigentlich richtig spannend, was ein Laie am Unfallort doch von der rettungsdienstlichen Versorgung alles so mitbekommt! Und sich in dieser Situation an die verschiedenen Fachbegrifflichkeiten und Maßnahmen vor Ort zu erinnern und dies noch im Rahmen eines solchen Forums zu hinterfragen - Respekt!

Wenn auch kaum nachzuvollziehen, daß es RD-Bereiche gibt, wo der NA über die Möglichkeit der Anlage eines Quinton-Katheters verfügt, sollte man das zumindest in Erwägung ziehen. Auch wenn dieses Procedere so mal hinterfragt gehört, kann ich mir schon vorstellen, das es anästhesiologisch geführte RD-Bereiche gibt und dort anstatt Schleuse oder Trauma-Katheter eben der Quinton zum Einsatz kommt. Vielleicht wird der dort zu günstigeren Konditionen eingekauft und kommt deshalb, anstatt genannter Möglichkeiten, auf das NEF?!

Und zu Erklärung für den "Unfallzeugen":

Bei diesem Patienten war vermutlich der Anhalt für massive Blutungen gegeben, welche ja schon über die von Ihnen beschriebene Anlage der beidseitigen Thoraxdrainagen erklärt werden kann. In einem solchen "Blutmangelschockgeschehen" ist es von größter Wichtigkeit, sowohl für die rettungsdienstliche Versorgung als auch für die Versorgung in der Klinik, großlumige Kanülen zu haben um so eben viel Flüssigkeit in kurzer Zeit in den Patienten bringen zu können. Dafür eignen sich eben auch diese Katheter hervorragen. Sie werden i.d.R. am Hals oder unterm Schlüsselbein eingebracht und liegen damit in den sehr großen Gefäßen, direkt vor dem Herzen. Durch das große Lumen (dieser Katheter an sich wirkt ja schon sehr gewaltig) können riesige Mengen an Flüssigkeit infundiert werden - im Vergleich zu normalen Kanülen am Arm ist das Verhältnis ähnlich dem von Gartenschlauch zu Abwasserkanal (mal bildlich übertrieben gesprochen).
Über diesen riesigen Zugang zum Blutkreislauf des Patienten ist auch eine Dialyse möglich und dafür ist dieser Katheter auch mal konstruiert worden, sollte aber im gegebenen Fall mit Sicherheit nicht dafür gelegt werden. Wichtig in einer solchen Situation ist der größtmögliche Zugang zum Gefäßsystem und der läßt sich u.a. mit diesem Quinton-Katheter bestens herstellen.

Herzliche Grüße
Gunnar Piltz
DMF-Moderator
Unfallzeuge
Topicstarter

Beitrag von Unfallzeuge »

Danke für Ihre ausführlichen Erklärungen!

Ich verstehe noch nicht alles.

Aber eins weiß ich jetzt dafür sicher, einen Erste Hilfe Kursus mache ich bald.

Danke

Euer Unfallzeuge
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Aber eins weiß ich jetzt dafür sicher, einen Erste Hilfe Kursus mache ich bald.
Nur ein paar mehr engagierte Mitbürger wie Du und dem Rettungsdienst und vor allem den Betroffenen wäre sehr geholfen !!!
Erik Eichhorn
Rett-Med
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