Fallbericht zum Mitraten - ein seltener "Klassiker"

Moderator: DMF-Team

doc-in-not
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Fallbericht zum Mitraten - ein seltener "Klassiker"

Beitrag von doc-in-not »

Hallo Forum,

hier bringe ich einen Fallbericht aus meinem letzten Dienst. Vorsicht lang !

Damit Ihr eigene Überlegungen anstellen könnt, habe ich im ersten Absatz die reinen Befunde geschrieben, im 2.Absatz den Verlauf, im 3.Absatz die abschließenden Diagnosen. Wir sind übrigens nur zu dritt (RA, RS +NA), weil das NEF bei uns keinen Extra-Fahrer hat. NA ist während des Transportes alleine mit dem Patienten.

Freue mich schon sehr auf „Manöverkritik“, Fragen und Anregungen !

17.Dezember 2004, 5:07 Uhr. Alarm RTW + NEF mit SR. Person nicht ansprechbar.
Unterwegs Nachmeldung der Leitstelle, Patient sei ein älterer Herr, nach einem häuslichen Sturz bewusstlos.

5:17 Uhr Eintreffen (12 km Anfahrt überland).

1.ANAMNESE +BEFUNDE

Bericht der sehr aufgeregten Ehefrau: ihr Mann sei nach einem hörbaren Sturzgeräusch von ihr in der Küche liegend aufgefunden worden, primär für 1-2 Minuten bewusstlos, jetzt „wach“ aber nicht kontaktierbar. Habe vorher Bauchschmerzen geklagt.

Befunde: 72-jähriger, sehr schlanker, deutlich vorgealterter Patient auf dem Boden einer winzigen Küche halb unter dem Tisch liegend, motorisch extrem unruhig, versucht mehrfach, sich halb aufzurichten und sackt sofort wieder zusammen. Sauerstoffbrille in der Nase mit langem Schlauch zum Nebenraum (auf Nachfrage bekanntes Lungenemphysem, häusl. Sauerstoffversorgung, sonst keine Vorerkrankungen). Pat. ist auf Ansprache nicht kontaktierbar, Augen geschlossen, heftige Abwehr beim Anlegen von RR-Manschette und Monitoring, stöhnt.

Kaltschweissig, grau-fahle Hautfarbe, leichte Exsikose, geringe Zyanose der Fingerspitzen, Pupillen seitengleich, mittelweit mit träger LR, alle Extremitäten werden spontan bewegt, Reflexe bei heftiger Gegenspannung nicht prüfbar,Babinski negativ, keine peripheren Pulse, Carotispuls nicht sicher tastbar, Leistenpulse nicht tastbar, RR nicht messbar, Sinustachykardie, Frequenz 130-140, keine Extrasystolen, keine signifikanten ST-Veränderungen. Sättigung 74 %, BZ 109 mg/dl. Lunge bei sehr leisem Atemgeräusch seitengleich belüftet und frei, Herz auskultatorisch ohne pathologischen Befund. Unter- und Mittelbauch prall gespannt (Epigastrium weich), Harnblase nicht tastbar, spärliche, aber regelrechte Darmgeräusche.

Weitere Anamneseerhebung: Ehefrau gibt auf Nachfragen zur akuten Vorgeschichte jetzt an, der Patient hätte im Bett über plötzlich einsetzende, heftige Schmerzen im Unterbauch und beiden Leisten geklagt, sei deshalb aufgestanden, zur Küche gegangen, dort hätte sie ihn stürzen hören. Stuhlgang, Wasserlassen u. Appetit wären bis zum Vorabend völlig normal gewesen, er hätte insgesamt eher wenig getrunken.. Die häusliche Sauerstoffversorgung hätte er wegen Belastungsdyspnoe bei Emphysem. Atemnot habe er akut nicht geklagt. Sonst keine ernsthaften Vorerkrankungen.

2. VERLAUF:Monitoring, RR-Meßversuch, körperliche Untersuchung, Braunüle 18 G Unterarm, Zuckertest, O2-Maske 8 l/min, Sättigung steigt auf 85 %, Atmung weiter regelmäßig (20/min). 500 ml HAES 10% als Druckinfusion in 5 min, dann Ringer als Druckinfusion, Schocklage wegen motorischer Unruhe nicht mögl., zeitweise fadenförmiger peripherer Puls tastbar. Da weitere Maßnahmen in der kleinen Küche nicht möglich sind, Lagerung auf Trage in Seitenlage (Patient bleibt nicht auf dem Rücken) in Kopf-Tieflage. Verbringen in RTW (wegen extrem enger Wohnverhältnisse mit 60 cm-Türen sehr zeitaufwendig).
Im RTW Herzfrequenz 95/min, Sätt. 86 %, Sinusrhythmus, Pupillen seitengleich weit mit sehr träger LR, Patient liegt ruhig, ungezielte Reaktion auf Schmerzreize.

5:43 Uhr Transportbeginn. Aufgrund meiner Verdachtsdiagnose, die ich hier nicht verrate, sofortiger Eil-Transport ins nächstgelegene Krankenhaus, während der Fahrt Legen einer zweiten Braunüle 22 G mit HAES 10% 500 ml im Schuß. Unter- und Mittelbauch prall gespannt und zunehmend vorgewölbt.

Ca. 5:50 UhrTransportunterbrechung wegen plötzlichem Sättigungsabfall auf 50 %, Bradykardie 30-40/ min, Atemstillstand. Sofortige Intubation mit Etomidat 20 mg (Pat.beißt), Beutel-Beatmung mit 10 Liter O2, Herzdruckmassage. Weiterfahrt unter Reanimation. NEF bleibt stehen.

5:57 Uhr: Eintreffen Krankenhaus unter Reanimation. Herz-Eigenfrequenz 20/min mit breiten Kammerkomplexen. Im Krankenhaus (kleines Haus der Grundversorgung) brachten wir den Patienten sofort in den Ultraschallraum, brachen aufgrund des Ultraschallbefundes sowie Nulllinie und weiten lichtstarren Pupillen die REA um 6:00 Uhr ab. Im Ultraschall des Abdomens fand sich leider genau das, was ich befürchtet hatte:

3. DIAGNOSEN:

Die Bauchaorta war ca. 3 cm oberhalb der Bifurkation massiv aufgeweitet und von freier Flüssigkeit (bis zu Wirbelsäule) umgeben. Ca. 2 cm weiter cranial fand sich zwischen Aorta und Wirbelsäule ein fast hühnereigroßer, solider, blumenkohlartiger Tumor.

Der Patient ist an einem rupturierten Bauchaortenaneurysma verblutet. Es besteht der Verdacht, dass es sich bei dem unklaren Tumor um ein Karzinom oder Lymphknotenmetastasen handelt, die evtl.in die Aorta eingewachsen sind und die Ruptur verursacht haben. Eine Obduktion wurde von den Angehörigen leider abgelehnt.

Eine Durchsicht der Arztbriefe früherer Krankenhausaufenthalte erbrachte, dass bereits 2001 im Ultraschall ein langstreckiges (ca. 20 cm) Aneurysma der Bauchaorta einschließlich Bifurkation bis in die linke A.femoralis diagnostiziert worden war. Ich hatte die Ehefrau vor Ort explicit gefragt, ob Veränderungen der Bauchaorta bekannt seine, dies war verneint worden.

Ich hoffe, es war interessant genug...

Gruß von doc-in-not :wink:
AnnettLoewe
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Beitrag von AnnettLoewe »

Ja, sehr.
Sie hätten auch nix ändern können, wenn der Frau irgendwas von einer Aortenveränderung in den Sinn geschossen wäre, oder?
Hätten Sie dann augenblicklich operieren wollen/können?
Glaub ich eher nich. :roll:
Trotzdem einen schönen Sonntag Ihnen.
Gast
Topicstarter

Aortenaneurysma

Beitrag von Gast »

AnnettLoewe hat geschrieben:Ja, sehr.
Sie hätten auch nix ändern können, wenn der Frau irgendwas von einer Aortenveränderung in den Sinn geschossen wäre, oder?
Hätten Sie dann augenblicklich operieren wollen/können?
Glaub ich eher nich. :roll:
Trotzdem einen schönen Sonntag Ihnen.
Sehr geehrte Frau Loewe,

Ihre Fragen fasse ich eher als rhetorisch oder ironisch auf. Mit meiner Feststellung, die Ehefrau hätte nichts von dem Befund gewusst, wollte ich dokumentieren, daß ich nochmals gezielt nachgefragt habe bei der Anamnese, nachdem ich anhand des klinischen Verlaufes den Verdacht auf eine Aortenruptur hatte. Ein bekanntes Aortenaneurysma hätte diese Diagnose noch wahrscheinlicher gemacht.

Ich habe den Eindruck, bei Ihnen kam meine Feststellung so an, als würde ich der Ehefrau einen Vorwurf machen, daß sie diesen Befund nicht kannte. Dies ist nicht der Fall.

Übrigens haben lt.Statistik Patienten mit dieser Erkrankung selbst dann nur eine 25-30 %ige Überlebenschance, wenn sie beim Rupturereignis in einer Großklinik liegen und sofort in den OP kommen.

Ebenfalls und "trotzdem" auch Ihnen einen schönen Sonntag

doc-in-not
Trupp
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Beitrag von Trupp »

Hallo Doc-in-not, :)

zuerst einmal fand ich deine Fallschilderung sehr interessant und lesenswert,
allderings habe ich eine frage. Was ist Babinski ?
Das einzige was ich kenne ist der Babkin Reflex. Ist das gemeint ?
Ich meine als Krankenpflegeschüler im 2. Ausbildungsjahr muss man ja nich alles wissen ;)

mfG
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

TOLL und vielen Dank.

Ein tolles Fallbeispiel, wenn auch mit tragischem Ausgang,vor allem sehr sauber aufgearbeitet. Man sieht das es richtig Mühe gemacht hat.

Auch wenn es wahrscheinlich nichts am Ausgang geändert hätte:

Warum wurde der Patient nicht schon in der Wohnung intubiert (somnolent bis soporös?), ggf. Narkoseinleitung mit Ketanest + Dormicum wegen positiv inotroper Wirkung.
Sonst ist dem nix hinzuzufügen.

By the way: Ich erinnere mich mit Schrecken an einen 16-Jährigen Jungen mit stärksten thorakalen Schmerzen. Er wurde von uns mit RTW und NEF ins Krankenhaus gebracht, Fragestellung lautete sogar auf thorakales Aneurysma.
Es wurde innerklinisch übersehen, er verstarb kurze Zeit später.

FAZIT:
Das thorakale oder auch abdominelle Aortenaneurysma stellt eine recht seltene und leider oft tragisch verlaufende Notfallsituation dar.
Es gilt auch (oder gerade) bei jungen Patienten mit unspezifischen Symptomen daran zu denken und entsprechend zu handeln.
Zuletzt geändert von Erik Eichhorn am 19.12.04, 19:13, insgesamt 1-mal geändert.
Erik Eichhorn
Rett-Med
DMF-Moderator im Forum Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin
Gast
Topicstarter

Der Babinski-Reflex

Beitrag von Gast »

Trupp hat geschrieben:Hallo Doc-in-not, :)

allderings habe ich eine frage. Was ist Babinski ?
Das einzige was ich kenne ist der Babkin Reflex. Ist das gemeint ?
Ich meine als Krankenpflegeschüler im 2. Ausbildungsjahr muss man ja nich alles wissen ;)

mfG
Hallo Trupp,

es freut mich, dass Du meinen Bericht interessant fandest. Und dass Du den Babinski-Reflex nicht kennst, ist doch nicht schlimm –kann man ja fragen ! :roll:

Der Babinski-Reflex ist kein physiologischer Reflex, also kein Reflex, den ein gesunder Mensch haben sollte, wie z.B. Patellarsehnen- oder Achillessehnenreflex. Er ist ein sog. pathologischer, also krankhafter Reflex, der bei Erkrankungen der Pyramidenbahn auftritt, die im Gehirn entspringt und zum Rückenmark zieht. Nur bei Kindern bis zum 1.Lebensjahr gilt er als nicht krankhaft. Ich untersuche den Babinski immer dann, wenn ich den Verdacht auf eine Erkrankung des Gehirnes habe.

Und wie mach ich das ? Ich streiche mit dem Stiel des Reflexhammers mit kräftigem Druck an der Außenkante der Fußsohle entlangstreiche, von der Ferse zur kleinen Zehe. Normalerweise krallt der Patient die Zehen zusammen oder es passiert (z.B. bei Bewusstlosen) gar nichts, dann sagt man, der Babinski ist negativ (nicht auslösbar). Positiv ist er, wenn sich beim Bestreichen die große Zehe nach oben hebt/ streckt, manchmal werden zusätzlich die anderen Zehen auseinandergespreizt.

Ich versuch mal hier einen Link zusetzen mit einm schönen Bild dazu:

http://www.ms-service-center.de/mslife/ ... 04,00.html

Ursache für einen positiven Babinski können z.B. Gehirntumore, Gehirnblutungen, Gehirn-Ischämien (z.B. Schlaganfall durch verstopfte Gehirnarterie)oder eine starke Meningitis sein.

Problem ist, dass vor allem nach Schlaganfällen der Babinski auch noch positiv bleiben kann, wenn die Lähmungen bereits wieder weggegangen sind. Wenn dann ein Patient einen 2. oder 3.Schlaganfall hat und Du findest einen positiven Babinski, dann kannst Du nicht sagen, ob der neu oder alt (vom 1.Schlaganfall) ist, wenn Du die Vorbefunde des Patienten nicht kennst.

So, ich hoffe, es war verständlich erklärt. Und nun habe ich noch eine Frage an Dich. Was ist denn der Babkin-Reflex, den kenne ich nämlich nicht ?

Lieben Gruß doc-in-not :wink:
staggo
Topicstarter

Beitrag von staggo »

>Zitat: Auch wenn es wahrscheinlich nichts am Ausgang geändert hätte:

>Warum wurde der Patient nicht schon in der Wohnung intubiert (somnolent bis soporös?), >ggf. Narkoseinleitung mit Ketanest + Dormicum wegen positiv inotroper Wirkung.
>Sonst ist dem nix hinzuzufügen.



Wenn eine akute Dissektion oder Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas vermutet wird sollte die Narkoseeinleitung wenn irgendwie möglich erst im OP bei bereitstehendem OP-Team erfolgen. Durch die erniedrigte Bauchdeckenspannung nach Narkoseeinleitung kann die Blutung deutlich verstärkt werden.

Eine Blutdrucksteigerung ist bei rupturiertem Aneurysma ebenfalls bis zum Abklemmen der Aorta kontraindiziert.


Grüße

Oliver
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Hallo staggo,
Wenn eine akute Dissektion oder Ruptur eines Bauchaortenaneurysmas vermutet wird sollte die Narkoseeinleitung wenn irgendwie möglich erst im OP bei bereitstehendem OP-Team erfolgen. Durch die erniedrigte Bauchdeckenspannung nach Narkoseeinleitung kann die Blutung deutlich verstärkt werden.

Eine Blutdrucksteigerung ist bei rupturiertem Aneurysma ebenfalls bis zum Abklemmen der Aorta kontraindiziert.
Die Sache mit der Narkoseeinleitung leuchtet mir ja ein, aber soll ich amöboide Blutdruckverhältnisse wirklich akzeptieren, auch wenn ich damit eine Minderperfusion wichtiger Organe in Kauf nehmen muss?
Erik Eichhorn
Rett-Med
DMF-Moderator im Forum Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin
staggo
Topicstarter

Beitrag von staggo »

Hallo Erik,

wenn du wirklich eine Ruptur befürchtest hilft nur einladen und ziemlich flott (natürlich auch schonend) in die Klinik, sogern man sonst präklinisch tätig werden möchte.
Denn niedrigen Perfusionsdruck muß man hinnehmen (RRsys <80) um die Blutungssituation nicht noch zu verschlimmern.

Grüße
Oliver
Gast
Topicstarter

Intubation

Beitrag von Gast »

Hallo Erik,

danke für Dein Lob –rot werd... Ich habe im Dienst mein Laptop dabei und dort dann auch die Zeit, solche Berichte gleich in Ruhe zu tippen.
FAZIT:
Das thorakale oder auch abdominelle Aortenaneurysma stellt eine recht seltene und leider oft tragisch verlaufende Notfallsituation dar.
Es gilt auch (oder gerade) bei jungen Patienten mit unspezifischen Symptomen daran zu denken und entsprechend zu handeln.
Exakt richtig, daher habe ich diesen Fall auch geschrieben. Allerdings darf man sich –auch wenn man vor Ort diese Diagnose richtig vermutet- keine großen Hoffnungen machen, den Patienten retten zu können... es ist wirklich schrecklich, danebenzustehen und nichts tun zu können. Ich hatte ja in meinem Posting weiter oben an Frau Loewe schon geschrieben, wie gering die Überlebenschancen selbst unter optimalen Bedingungen im Krankenhaus sind.

Ich habe mich mit einem NA-Kollegen über den Fall unterhalten. Er hat bisher einen nicht-stationären Patienten retten können. Dieser wohnte 250 m von einem Großkrankenhaus entfernt. Die Diagnose Aortenaneurysma (das ist ja die Hauptursache für solche Rupturen) war von Anfang an bei ihm bekannt. Der Patient konnte ohne jeden Zeitverlust vom NA direkt in den OP gefahren werden, wo cell saver und Konserven (er hat 25 Erykonzentrate gebraucht) bereit standen und sofort operiert wurde.

Ich schreibe dies so ausführlich, weil es auf Deine Frage hinführt
Warum wurde der Patient nicht schon in der Wohnung intubiert (somnolent bis soporös?), ggf. Narkoseinleitung mit Ketanest + Dormicum wegen positiv inotroper Wirkung.
Sonst ist dem nix hinzuzufügen.
Klar, es war von der Bewußtseinlage her eindeutig schon vor Ort eigentlich die Indikation zur Intubation da. Ich habe vor Ort keine Narkose gemacht wegen der Zeit. Ich war mir etwa 5 min nach Eintreffen zu 90 % sicher, dass es ein rupturiertes Aneurysma ist und die einzige Chance, die ein solcher Patient hat, ist sofortige OP. Daher haben wir unheimlich auf die Tube gedrückt.

Eine Intubation in der Küche wäre schier unmöglich und unheimlich zeitaufwendig gewesen. Auf dem Küchenboden waren auch nach Entfernen alle mobilen Einrichtungsgegenstände maximal 3 qm Platz, den Koffer mussten wir aus Platzmangel bereits im winzigen Flur abstellen und von dort anreichen. Man kam nur von seitlich an den Kopf des Patienten. Wenn ich dort intubiert hätte, hätten wir noch länger gebraucht (einer muß ja dann auch beuteln), den Pat. in den RTW zu bringen, war so schon ein Riesenproblem mit Tragetuch, Sauerstoff und Monitoring rauszukommen. Wir sind ja nur zu dritt. Im RTW war der Patient dann von der Atmung her ja zunächst ausreichend stabil, hatte noch Schutzreflexe und lag auf der Seite. Ich hatte während der Fahrt nach dem Legen des 2.Zuganges schon die Intubation hergerichtet, so dass es dann sehr schnell ging und mit minimal Narkotika wegen Blutdruck.

Ich möchte hie auch Staggo für seine interessanten Kommentare danken. Das mit Intubation/ Bauchdeckenspannung habe ich nicht gewußt - danke für die Info ! Frage an Staggo: hättest Du in diesm Fall HAES gegeben, odr nur kristalloide Lösungen ???

Ich denke aber, eine Fehlentscheidung habe ich getroffen: ich hätte das NEF vor Ort lassen müssen und mir gleich den RS mit in den RTW nehmen sollen, da hätten wir zu zweit schneller arbeiten können.

Vielen Dank für Deine Fragen und Stellungnahmen, bin gespannt auf eine weitere Diskussion !!!

Freundlichen Sonntag-Morgen-Kaffee-Gruß ! :roll:

doc-in-not
AnnettLoewe
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Beitrag von AnnettLoewe »

Hallo doc-in not,
nein, meine Frage war überhaupt nicht ironisch gemeint und irgendein Vorwurf war darin auch nicht enthalten.
Ich bin froh, dass es so ein Forum und damit die Gelegenheit gibt, mal Missverständnisse zwischen Ärzten und Patienten auszuräumen - oder das zumindest zu versuchen.
Ich habe mal ein Bauchaortenaneurysma in der Körperwelten-Ausstellung gesehen. Die Dinger sind ziemlich groß und der Versuch sowas sofort zu operieren, wäre wohl eine ziemliche "Sauerei" geworden. Eben das konnte ich mir nicht vorstellen - und hatte scheinbar recht damit.
Die Information durch die Ehefrau, dass da was mit der Aorta ist, wäre allenfalls für Ihren Laptop interessant gewesen.
Ich weiß ganz gut, dass es Dinge gibt, die man hinnehmen muss - weshalb hätte ich Ihnen einen "Vorwurf" machen sollen?
Ich interessiere mich für Ihre Arbeit, also bitte, fühlen Sie sich doch nicht immer gleich so angegriffen.

Weil Sie das mit dem Babinsky so schön erklärt haben, trau ich mich gleich, noch eine Frage zu stellen:
Was bitte sind "Streckkrämpfe mit Innenrotation"? Offenbar sind sie dramatisch genug um in Berichten wiederholt Erwähnung zu finden, wenn sie mal da waren - also was ist das?


Dankeschön und herzliche Grüße,
Annett Löwe
d-i-n
Topicstarter

Streckkrämpfe

Beitrag von d-i-n »

AnnettLoewe hat geschrieben:Was bitte sind "Streckkrämpfe mit Innenrotation"? Offenbar sind sie dramatisch genug um in Berichten wiederholt Erwähnung zu finden, wenn sie mal da waren - also was ist das?


Dankeschön und herzliche Grüße,
Annett Löwe
Sehr geehrte Frau Löwe,

ich bin Internist mit zusätzlicher Anästhesie-Ausbildung, und kein Neurologe, daher kann ich Ihnen hier leider keine fachlich fundierte Antwort geben.
Am besten setzen Sie diese Frage mal in ein Neurologie-Forum.

Mit freundlichem Gruß doc-in-not
Trupp
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Beitrag von Trupp »

Wunderschönen guten Morgen doc-in-not,
So, ich hoffe, es war verständlich erklärt. Und nun habe ich noch eine Frage an Dich. Was ist denn der Babkin-Reflex, den kenne ich nämlich nicht ?
Ok dann mach ich das mal.
Der Babkin-Reflex oder auch so genannter Hand-Mund-Reflex gehört zu den Frühkindlichen Reflexen. Der Druck auf die beide Handflächen bewirkt ein reflektorisches öffnen des Mundes und Schliessen der Augen.

Nun wie du schon erwähntest sind diese Reflexe bei eventuellen Grunderkrankungen des Gehirns oder eventuellen ICB nachzuweisen.
Ich dachte dadurch beim lesen Deines Fallbeispiels an diesen Reflex.
Ältere Männliche Person ?
Grunderkrankung des Gehirns ? Vaskuläre Demenz ?
AnnettLoewe
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Beitrag von AnnettLoewe »

Hallo doc-in not,
ok, ich versuche es dann im anderen Forum.
wär ja doppeltes Glück gewesen, wenn der NA, der meinen Freund komatös vorgefunden hat, auch noch Neurologe gewesen wäre.
Als ich den ersten Bericht gelesen hatte, hab ich nicht danach gefragt, weil grad schon wieder andere Probleme aktuell waren. War grad keienZEiet für akademische Debatten ;-)
Schönen Abend dann,
Annett Löwe
g@st
Topicstarter

Beitrag von g@st »

Ein richtiger Klassiker !

Sie haben recht, Diagnose sehr wahrscheinlich präklinisch zu erwarten, Schneller Transport und hoffe rechtzeitig den OP zu erreichen ....

Funktioniert leider selten, mehrfach selbst erlebt

Trotzdem super Fallbericht !!! :D

mfG

g@st
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