Fallbericht Aspiration –„geglückte“ Rea ?

Moderator: DMF-Team

d-i-n
Topicstarter

Fallbericht Aspiration –„geglückte“ Rea ?

Beitrag von d-i-n »

Hallo Forum,

wieder mal in etwas längerer Fallbericht, diesmal nicht zum Raten, da die Diagnose von vorneherein eindeutig war. Mir geht es hier auch gar nicht so um den rein medizinischen Teil, sondern den letzlich unglücklichen Ausgang trotz "geglückter" Rea... aber lest erstmal selbst bitte:


Alarm 21.12.04, 18:17 Uhr, Altenheim, Oesophagus-Varizenblutung (keine Ahnung, wie es eigentlich zu dieser Diagnose kam ?)

Eintreffen NEF 18:21, RTW 18:22 Uhr.

Lage vor Ort: Patient liegt im Ess-Saal des Altenheimes, 4 Altenpflegerinnen stehen um ihn herum. Patient habe (wie immer) das Essen unheimlich heruntergeschlungen, plötzlich um Luft gerungen, geröchelt, gehustet, sei bewusstlos zusammengebrochen. Er hätte aber bis zu dem Moment, als ich zur Türe hereinkam, selbst noch etwas geatmet, man habe ihm mit den Fingern viel Essen aus dem Mund geräumt und ihn mit einem Ambu-Beutel beatmet.

Befunde: Patient Jg.44, leicht vorgealtert, leicht adipös, liegt bewusstlos ohne Schutzreflexe in Seitenlage, Gesicht, Hals und Hände zyanotisch, Atemstillstand, keine peripheren Pulse, bradykarder schwacher Carotispuls, Sätt. 50 %, Pupillen seitengleich, mittelweit, lichtstarr. EKG Sinusbradykardie mit etwas verbreiterten QRS-Komplexen, Frequenz 20-30, langsamer werdend.

Therapie/ Verlauf: kräftiger Schlag zw. die Schulterblätter, kurzes manuelles Austasten des Mundes (keine Gegenwehr, kein Schluckreflex) -> leer, kein Gebiß.
Absaugung fördert 2 gut walnußgroße, massive Batzen Essen (Hühnerfrikasse) aus dem Kehlkopfbereich. Bei tieferem Absaugen großer Sauger jedes Mal sofort durch Essenstücke verstopft.

Arbeitsdiagnose: massive Aspiration von fester Nahrung -> Hypoxämischer Kollaps
-> hypoxämische Bradykardie, Atemstillstand, drohender Herzstillstand.

Ambu-Beutel mit 0 2 (Sättigung steigt auf 90-94 %), Herzdruckmassage, Venen-Zugang, O-Linie -> 1mg Suprarenin i.v. -> weiter Null-Linie. Intubation (massiv grobblasige RG`s gesamte Lunge), weiter Beutel-Beatmung (sehr hoher Atemwegswiderstand merkbar), dazwischen immer wieder Absaugung, über Tubus, wobei der Sauger sofort mit Essens-Stücken verstopft.

Mittlerweile Info, dass Patient wegen Demenz bei Korsakow-Syndrom nach langjährigem Alkoholismus im Heim ist und eine Hypertonie hat. Letztes Jahr einmaliger, generalisierter Krampfanfall. Lt. Pflegepersonal dement, aber gut kontaktierbar, läuft und isst selbstständig, Hilfe bei Körperpflege/ Anziehen.

Weiter O-Linie, nochmal 1 mg Suprarenin, weiter HDM, Umstellung auf maschinelle Beatmung (100 % O2, 8 l/min, Fr.12, Peep 5), hoher Atemwegswiderstand (Pmax muß auf 40 mmHg hochgedreht werden). Sätt. 97-99 %. Pupillen etwas weiter als Erstbefund, rechts fraglich einen Tick größer als links, keine LR.

Ich überlege gerade, aufgrund der Gesamtsituation und Pupillenreaktion (hypoxämischer Hirnschaden wird immer wahrscheinlicher) die Rea abzubrechen, als der Patient ca. 3 min nach Supra plötzlich in eine Sinustachykardie (160) umspringt, überall kräftige, periphere Pulse, RR 250 mmHg !

Innerhalb der nächsten Minuten (weiterhin intermittierende Absaugung von Essensresten) Kreislauf- Stabilisierung, HF 110, RR 130-150 syst., Sätt. 99 %, sinkender Atemwegswiderstand, Lunge wenige, grobblas., feuchte RG`s ubiquitär. Pupillen gut mittelweit, lichtstarr. Sedierung / Relaxierung nicht nötig, da keinerlei Schutzreflexe, keine Gegenwehr gegen Beatmung.

Transportbeginn 18:54 Uhr, Eintreffen Krankenhaus Innere Intensiv ca. 19:00 Uhr.

Patient kreislaufstabil, Sätt.99 %, beim Umlagern schluckt Patient mehrmals und atmet gegen die Maschine. Pup. Gut mittelweit, lichtstarr.

Nachfrage am nächsten Tag (22.12.) mittags im Krankenhaus:

Patient weiter kreislaufstabil, Beatmung auf 60 % Sauerstoff, PEEP 10, bei tiefer Bewusstlosigkeit ohne Schutzreflexe keine Sedierung/ Relaxierung. Niedrig dosierter Dopaminperfusor um wegen cerebraler Situation höhere RR-Werte zu erreichen, Heparinperfusor, Antibiose. Phenytoinperfusor (ohne Erfolg), da der Patient seit kurz nach Einlieferung immer wieder generalisiert krampft und am ganzen Körper zuckt (sorry, weiß das Fachwort nicht, bin kein Neurologe). Hinzugezogener Neurologe geht von schwerstem, hypoxämischen Hirnschaden aus.

Die behandelnden Internisten wollen aufgrund der Gesamtsituation eigentlich keine maximale Therapie fahren und auch nicht noch einmal reanimieren. Die Betreuerin (keine Angehörige, gerichtlich eingesetzt) fordert trotz eingehender Aufklärung über die med. Befunde max.Therapie und ggfls. Reanimation.

Ich bin sehr betroffen über den Fall. Ich mache mir Gedanken, ob ich die Reanimation nach Bekanntwerden der Grunderkrankungen und der bereits anfangs (negativ im Sinne einer hypoxämischen Hirnschädigung zu wertenden) Pupillensituation nicht früher hätte abbrechen sollen.

Wahrscheinlich haben die Angaben der Heim-Pflegerinnen nicht ganz gestimmt und der Patient war bereits über längere Zeit VOR unserem Eintreffen schwer hypoxämisch. Ob das mit der Beutel-Beatmung durch das Pflegepersonal so stimmte, sehe ich auch als fraglich, denn erstens hat keiner gebeutelt, als wir kamen (war auch kein Beutel zu sehen) und zweitens dürfte eine Beutel-Beatmung in Seitenlage nicht viel bewirken. Aber dieses Licht ist mir halt erst nach dem Einsatz aufgegangen.

Ich wäre dankbar, wenn hier Kollegen/innen sich äußern würden, wie sie in meiner Situation gehandelt hätten !

Vielen Dank fürs geduldige „Zuhören“ !

Doc-in-not
Erik Eichhorn
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Beitrag von Erik Eichhorn »

Lieber Doc-in-not,

schön, daß du uns auch diesmal wieder an diesem interessanten Fall teilhaben lässt.

Kommentar: Ja, das sind Sie eben, die Grenzfälle moderner Intensivmedizin. Auch ich habe mich nach geglückten Reas schon häufiger gefragt, was wir da eigentlich "angerichtet" haben. Leider lässt sich das eben nicht vorher beurteilen. Und es gibt eben auch Fälle, in denen Patienten das Krankenhaus ohne neurologisches Defizit verlassen haben.
Ich erinnere mich da gerne an einen Fall zurück, als wir einen Mitbürger auf dem örtlichen Stadtfest vor der Hauptbühne und 10.000 Zuschauern im Takt von "I like Icecream" reanimiert haben. Bein Intubieren wehrte sich der "Hund" plötzlich, ich hab's anfangs gar nicht bemerkt, weil's so ungewöhnlich und überraschend war.
10 min später saß er äusserst aufgeschlossen kommunizierend auf der RTW-Trage und verließ zwei Stunden später das KH auf Revers. Ich seh ihn heute immer mal noch in der Stadt rumstolpern und muss grinsen.
Wann soll man da abbrechen, nach drei, fünf, dreissig Minuten?

So long.
Erik Eichhorn
Rett-Med
DMF-Moderator im Forum Rettungsdienst und präklinische Notfallmedizin
d-i-n
Topicstarter

Rea geglückt

Beitrag von d-i-n »

Hallo Erik

und vielen Dank, Deine Antwort hat mir sehr gut getan !!!

Ja, ich hab jetzt auch wieder der ehemaligen Patienten gedacht, die ich trotz eigentlich auswegsloser Situation erfolgreich und ohne "Schäden" reanimieren konnte.

Am eindrucksvollsten war eine Rea bei einem 86-jährigen, der wegen tiefer Beinvenenthrombose auf meiner Station lag. Ich hatte zufällg Nachdienst, als er eine fulminante Lungenembolie bekam. Ich habe reanimiert, lysiert und er hat es ohne Schaden überlebt. Die Gefahr eines Hirnschadens durch Lyse/Hirnblutung war bei diesem Patientn riesig. Ich habe es in Kauf genommen, weil ich ihn gut kannte und wußte, wie er an seinem glücklichen Leben hing. Und er war sooo glücklich bei der Entlassung, jetzt wieder in seinem heißgeliebten Garten werkeln zu können... :D

Ich bin ehrlichgesagt sehr froh, daß ich nicht in der Klinik Entscheidungen über den von mir vorgestern reanimierten Patienten treffen muß. Aber ich habe doch auch ein Gefühl der Mitverantwortung und Schuldgefühle, daß die Rea so ausging... auch wenn ich von der Vernunft her natürlich weiß, daß ich nichts falschgemacht habe. Tja, bin halt doch so ein sensibler Internist und kein Trauma-Manager... :?


Und jetzt werde ich mich erstmal mit einem herrlichen Sauna-Tag entspannen !!!

Lieben Gruß !!! doc-in-not :shock:
AnnettLoewe
DMF-Moderator
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Beitrag von AnnettLoewe »

Hallo doc-in not,
vielleicht hilft es Ihnen ein bisschen, wenn ich schreibe, dass ich bei DEM Alter und DER Vorgeschichte als Betreuerin anders entschieden und Ihnen die Verantwortung abgenommen hätte.
Korsakow-Syndrom bei Alzheimer ist ohnehin schon katastrophisch genug, eine Erholung von einem neuen Hirnschaden (ganz gleich welchen Ausmaßes) unter diesen Umständen wohl aussichtslos, weil das Gehirn keine Ressourcen mehr hat auch nur annähernd an den Zustand vor der Rea ranzukommen. Ich hätte den "mutmaßlichen Willen" des Betroffenen hier im Sinne eines Abbruches der Rea "ermittelt", weil kein vernünftiger Mensch sich in eine Situation wünscht, die im Hinblick auf eine Verbesserung völlig aussichtslos ist.
Irgendwann ist es genug.
Schöne Grüße,
Annett Löwe
Gast
Topicstarter

So bite nicht !

Beitrag von Gast »

Sehr geehrte Frau Loewe,

Ihr Engagement bei den Diskussionen in diesem Forum hier in allen Ehren, aber mit einer fachlichen Beurteilung der medizinischen Befunde sind medizinische Laien sicherlich überfordert und ich würde mir hier deshalb auch etwas mehr Zurückhaltung wünschen. Bis auf wenige Ausnahmen sind meines Erachtens die gerade in diesem Fachforum aufgeworfenen medizinischen Fragen deshalb auch nicht an Laien gerichtet, sondern an medizinische Kollegen und Kollegen des Rettungsdienstes.

Ich werde auf ihr Posting jetzt noch einmal eingehen, seien Sie mir aber bitte nicht böse, wenn ich dies in Zukunft bei rein medizinischen Fachthemen nicht mehr tue.

Am 23.12.04, 01:09 schrieben Sie noch:
Auf den Fall von morgen bin ich auch schon gespannt, lieber doc-in-not. Natürlich fordert die Betreuerin maximale Therapie bei einem 44j Pat. Woher soll sie schließlich wissen, was ein hypoxischer Hirnschaden ist - und woher sollen Ärtzte wissen, wie schwer der sich im Einzelfall auswirkt.
Gute Nacht,
Annett Löwe
AnnettLoewe hat geschrieben:am 23.12.04 ,10:20 Uhr Hallo doc-in not,
vielleicht hilft es Ihnen ein bisschen, wenn ich schreibe, dass ich bei DEM Alter und DER Vorgeschichte als Betreuerin anders entschieden und Ihnen die Verantwortung abgenommen hätte.
Interessant, wie sich Ihre Meinung geändert hat. Und aufgrund wie weniger Informationen Sie schon klar eine Meinung haben, während ich (vor Ort) mit sehr viel mehr Informationen Schwierigkeiten hatte, eine Entscheidung zu treffen.
Korsakow-Syndrom bei Alzheimer ist ohnehin schon katastrophisch genug, eine Erholung von einem neuen Hirnschaden (ganz gleich welchen Ausmaßes) unter diesen Umständen wohl aussichtslos, weil das Gehirn keine Ressourcen mehr hat auch nur annähernd an den Zustand vor der Rea ranzukommen.


Das durch jahrelangen Alkoholmißbrauch des Patienten entstandene Korsakow-Syndrom war für diesen Patienten nicht "katastrophisch", sondern hatte zur Unterbringung dieses 60-Jährigen, körperlich (bis auf einen behandelten Bluthochdruck) gesunden Patienten in einem Senioren-Heim geführt, in dem er ein zufriedenes und noch relativ selbstständiges Leben führte.
Bei diesem Patienten kann kein Mensch voraussagen, zu welchen Dauerschäden eine weitere Hirnschädigung führen würde.
Ich hätte den "mutmaßlichen Willen" des Betroffenen hier im Sinne eines Abbruches der Rea "ermittelt", weil kein vernünftiger Mensch sich in eine Situation wünscht, die im Hinblick auf eine Verbesserung völlig aussichtslos ist.
Irgendwann ist es genug.
Schöne Grüße,
Annett Löwe
Ich habe den mutmaßlichen Willen des 60-jährigen Patienten hier als "Willen zum Leben" ermittelt. Dazu hatte ich ca. 10 Sekunden Zeit, weil dummerweise gerade seine Betreuerin nicht neben mir stand. Und selbst, wenn die Betreuerin es mir "verboten" hätte, hätte ich die Reanimation begonnen. Denn eine massive Nahrungsaspiration per se ist ein behandelbares Krankheitsbild. Unbehandelt hätte es zu einem Tod durch Ersticken geführt.

Als ich nach ca. 8 min Reanimation überlegte, meine Bemühungen wegen der Gefahr eines Hirnschadens (die ich einzig und allein am Pupillenstatus festmachen kann !) abzubrechen, hat der Patient sein Leben wieder selbst in die Hand genommen. Mit einem Blutduck von 250 und einer Herzfrequenz von 160-170. Hätte ich ihm jetzt den Tubus rausziehen sollen und warten bis er an einem Atemstillstand stirbt ?

Mit etwas mehr Abstand zu diesem Einsatz bin ich mittlerweile der Meinung, daß mein Entschluß zur Rea 100 % richtig war. Auch die Dauer der Reanimation. Das entgültige "Resultat", nämlich ein vermutlich schwerer hypoxämischer Hirnschaden sowie eine hohe Letalität durch die Pneumonie nach massiver Aspiration waren zu Beginn der Reanimation nicht absehbar. Genausogut hätte ich ein einzelnes Stück Hühnerfleisch, das die Trachea verlegte, entfernen können und der Patient hätte wieder spontan geatmet und die Augen aufgeschlagen.

Kritisch hingegen sehe ich den weiteren Verlauf, nachdem im Krankenhaus eine schwere Hirnschädigung und das Ausmaß der massiven Aspiration klarer sind. Hier eine maximale Therapie zu fahren, halte ich (aus meinem ethischen Empfinden) für nicht richtig und auch die weiterbehandelnden Krankenhausärzte sehen dies so. Die Betreuerin sieht es anders - ich bin froh, daß ich es nicht entscheiden muß.

Insofern nochmal die Bitte an Notarztkollegen (grisu, kleiner Rettungsdrache ??? :wink: ), hier mal zu posten, wie sie in meiner Situation gehandelt und welche Überlegungen sie dabei angestellt hätten.

Vielen Dank und frohe Weihnachten / ruhigen Dienst an alle, die arbeiten müssen !

doc-in-not
Martin Stadler
DMF-Mitglied
Beiträge: 3329
Registriert: 12.10.04, 17:22

Re: So bite nicht !

Beitrag von Martin Stadler »

Hallo doc-in-not!
Anonymous hat geschrieben:...Ich habe den mutmaßlichen Willen des 60-jährigen Patienten hier als "Willen zum Leben" ermittelt. Dazu hatte ich ca. 10 Sekunden Zeit, weil dummerweise gerade seine Betreuerin nicht neben mir stand. Und selbst, wenn die Betreuerin es mir "verboten" hätte, hätte ich die Reanimation begonnen. Denn eine massive Nahrungsaspiration per se ist ein behandelbares Krankheitsbild. Unbehandelt hätte es zu einem Tod durch Ersticken geführt.

Als ich nach ca. 8 min Reanimation überlegte, meine Bemühungen wegen der Gefahr eines Hirnschadens (die ich einzig und allein am Pupillenstatus festmachen kann !) abzubrechen, hat der Patient sein Leben wieder selbst in die Hand genommen. Mit einem Blutduck von 250 und einer Herzfrequenz von 160-170. Hätte ich ihm jetzt den Tubus rausziehen sollen und warten bis er an einem Atemstillstand stirbt ?

Mit etwas mehr Abstand zu diesem Einsatz bin ich mittlerweile der Meinung, daß mein Entschluß zur Rea 100 % richtig war. Auch die Dauer der Reanimation. Das entgültige "Resultat", nämlich ein vermutlich schwerer hypoxämischer Hirnschaden sowie eine hohe Letalität durch die Pneumonie nach massiver Aspiration waren zu Beginn der Reanimation nicht absehbar. Genausogut hätte ich ein einzelnes Stück Hühnerfleisch, das die Trachea verlegte, entfernen können und der Patient hätte wieder spontan geatmet und die Augen aufgeschlagen.

Kritisch hingegen sehe ich den weiteren Verlauf, nachdem im Krankenhaus eine schwere Hirnschädigung und das Ausmaß der massiven Aspiration klarer sind. Hier eine maximale Therapie zu fahren, halte ich (aus meinem ethischen Empfinden) für nicht richtig und auch die weiterbehandelnden Krankenhausärzte sehen dies so. Die Betreuerin sieht es anders - ich bin froh, daß ich es nicht entscheiden muß.

Insofern nochmal die Bitte an Notarztkollegen (grisu, kleiner Rettungsdrache ??? :wink: ), hier mal zu posten, wie sie in meiner Situation gehandelt und welche Überlegungen sie dabei angestellt hätten.

Vielen Dank und frohe Weihnachten / ruhigen Dienst an alle, die arbeiten müssen !

doc-in-not
Ich bin zwar noch nicht aktiv als Notarzt tätig gewesen, hab aber seit meiner Zivizeit 97 RD-Erfahrung.
Ich brauche meine Überlegungen nicht erklären, da diese mit den Ihren praktisch identisch sind! Daher lese ich auch hier mit wachsender Begeisterung Ihre hier "angezettelten" Diskussionen mit! :wink:

Ich hätte mich in dieser Phase vor Ort genauso entschieden bzw. genau gleich gehandelt! Die Rea nicht zu beginnen, trotz irgendwelcher Vorerkrankungen oder Erklärungen von Betreuern würde ich vor Ort nie vertrauen! Das wäre mir viel zu unsicher und die Gefahr unterlassene Hilfeleistung zu begehen mir viel zu groß.

Zunächst muß man als Notarzt einfach als den mutmaßlichen Willen des Patienten leben und behandelt werden zu wollen annehmen! Das geht als Notarzt meiner Meinung gar nicht anders.
Erst in der Klinik kann "in Ruhe" und nach ausreichender Information über den Patienten und dessen Angehörigen oder Betreuern ein "Urteil" gefällt werden, wenn es auch schwer und schwierig zu fällen sein wird.

Also, ich denke, Sie machen einen sehr sehr guten Job, mit der absolut richtigen Einstellung sowie der nötigen Empathie und sachlich-nüchternen Analytik!

Großes Kompliment! Ich habe da schon andere Kollegen kennengelernt! :x

:arrow: Weiter so!!!
[/b]
d-i-n
Topicstarter

Re: So bite nicht !

Beitrag von d-i-n »

Martin Stadler hat geschrieben:Großes Kompliment! Ich habe da schon andere Kollegen kennengelernt! :x

:arrow: Weiter so!!!
[/b]
Lieber Herr Stadler,

vielen Dank für Ihre sehr netten und aufmunternden Worte !!! Die haben mir sehr gut getan, vor allem Ihre Meinung, daß sie in der Fall-Situation auch so gehandelt hätten.

Danke und mit herzlichem Gruß !!!

doc-in-not
AnnettLoewe
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Beitrag von AnnettLoewe »

Sehr geehrter doc-in-not,
ich freue mich, dass Sie sich mittlerweile sicher sind, richtig gehandelt zu haben, kann aber Ihre Kritik an meinem Posting nicht so ohne weiteres stehen lassen. Sie müssen sich nicht vor mir rechtfertigen und ich weiß auch nicht, ob meine Entscheidung richtiger wäre als Ihre.
Ich bin hier auch nicht zu meinem Vergnügen, sondern weil ich morgen in der Situation sein kann, eine solche Entscheidung treffen oder mittragen zu müssen. Das Thema ist mir deshalb sehr ernst. Ich bitte Sie, dass zu respektieren. Ich bitte Sie weiter zu respektieren, dass ich mich dabei NICHT ALLEIN auf das Urteil von Ärzten verlassen kann, sondern auch mein eigenes Wissen und meine eigene Erfahrung zugrunde legen muss, was die Sache nicht unbedingt erleichtert. Dies nachdem mein Freund sechs Monate nach SAB V° mit toxischem Carbamazepin-Spiegel aus der Reha-Klinik entlassen wurde und Ihr Versorgungssystem ihn aufgegeben hatte. das "Ob und "Wie" der weiteren Reha war mein Problem und da hat mich auch kein Mensch nach meiner medizinischen Qualifikation gefragt.
Ich erlaube mir hier eine eigene Meinung, weil ich bestens weiß, was nach der Rettung kommt und ich poste sie, weil ich glaube, dass Sie davon profitieren könnten, wenn Sie das im Auge behalten.
Ich bin auch hier, um was dazuzulernen und besser einschätzen zu können, wie Sie unter welchen Umständen handeln. Ich muss es hinnehmen, wenn Sie sich nicht für meine Einwände interessieren.
Sie hatten selbst Ihre Zweifel geschildert und ich hab weiter nichts getan, als zu sagen, dass ich die nicht für so unberechtigt halte.
Ich jedenfalls bin sehr froh darüber, dass das hier bislang kein reines Fachforum ist, sondern zumindest die hypothetische Möglichkeit eröffnet ist, dass sich Fachfremde mit Fachleuten austauschen können. Ich hoffe davon zu profitieren - dazu muss ich aber auch hin und wieder was sagen dürfen.

Nein, ich habe meine Meinung nicht "spontan geändert". Auch für meinen Freund gibt es keine Patientenverfügung und eine Rea würde i.Zw. trotz des erheblichen Vorschadens des Gehirns begonnen werden.
Aber ich bin mir sehr sicher, dass ich einem Abbruch ärztlicher Bemühungen zustimmen würde, SOBALD sich ein neuer massiver Hirnschaden abzeichnet.
Dies selbst dann, wenn es juristische Konsequenzen für mich hätte.
Alles andere könnte ich ethisch nicht vertreten.
In dem von Ihnen geschilderten Fall lagen mit M. Alzheimer und einem Korsakow-Syndrom zwei degenerative Vorerkrankungen des Gehirns vor, die für den Patienten subjektiv wahrscheinlich nicht als "katastrophisch" empfunden wurden. Da mögen Sie recht haben. Aber: beide gehen mit manifesten Hirnschädigungen einher und schränken kognitive Grundfunktionen wie Aufmerksamkeit und Gedächtnis (in verschiedenen Aspekten) massiv und dauernhaft ein. Hinzu kommt - je nach Stadium - die Einschränkung bzw. Aufhebung der Krankheitseinsicht als weitere die Therapie absolut limitierende Störung. DAS meinte ich mit "katastrophisch" - eine Katastrophe für das Organ und seine (ansonsten von mir hoch geschätzten) Möglichkeiten, bestehende Defizite auszugleichen. Beide Erkrankungen machen es in hohem Maße unflexibel.
Für die erfolgversprechende Rehabilitation nach einem weiteren organischen Defekt ist hier - aller Voraussicht nach - kein Raum. Das Organ kann das nicht mehr bringen.
Auch nicht mit dem Versuch hochfrequenter Therapie in einer Frühreha -Einrichtung oder sonstwo nicht. Die Ausgangslage ist eine wesentlich andere als nach einer ersten Hirnschädigung. Was der Grund für meine Ausgangsfrage war.
Ich bin froh, dass meine Frage Sie dazu ermutigt hat, Ihre Grenzfälle zu schildern.
Schöne ruhige Feiertage noch an alle hier - vor allem welche ohne solche Entscheidungen.

Annett Löwe
downcase
Topicstarter

Beitrag von downcase »

hallo und entschuldigung,wenn ich mich an dieser stelle auch einmal einmische.

> Für die erfolgversprechende Rehabilitation nach einem weiteren organischen Defekt ist hier - aller Voraussicht nach - kein Raum.

mit verlaub gefragt: auf der basis welcher daten und erfahrungen kommen sie zu dieser schlussfolgerung?

grüße

downcase
AnnettLoewe
DMF-Moderator
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Beitrag von AnnettLoewe »

downcase hat geschrieben: mit verlaub gefragt: auf der basis welcher daten und erfahrungen kommen sie zu dieser schlussfolgerung?
Hallo downcase,
das verrate ich Ihnen gerne. Weil ich die Möglichkeit in Betracht ziehe, dass sie nicht ausreichend sind und hier vielleicht jemand andere Erkenntnisse hat, an denen ich auch gerne Anteil hätte.
Ich arbeite seit vier Jahren in einer Regionalgruppe des Bundesverbandes der SH-Patienten in Not und ihrer Angehörigen mit und hab dort dauernd Gelegenheit die unterschiedlichsten Verläufe - mit oder ohne primärer Sauerstoffunterversorgung - zu beobachten und mich fortzubilden. Sei es in direkten Gesprächen mit behandelnden Ärzten, Neuropsychologen und Therapeuten unserer Patienten oder auch im Rahmen von Fachveranstaltungen. Ich kenne die Versorgungslage der stationären und ambulanten Rehabilitation in unserer Region ganz gut.
Fakt ist, dass nicht mal alle unserer jüngeren Patienten nach einer ersten Schädigung des Gehirns (gleich welcher Ätiologie) einen Frühreha-Platz bekommen. Patienten mit hypoxischen Schäden haben dabei noch schlechtere Karten, wegen der von vornherein ungünstigeren Prognose und sie sind auch die ersten, die wieder entlasen werden, weil sich in den wenigen Wochen, die zur stationären Reha überhaupt zur Verfügung stehen, bei ihnen eben eher gar nichts "bewegt". Sie brauchen sehr viel länger.
In den wenigen Spezialeinrichtungen zur Langzeit-Reha sind Patienten mit zusätzlichen degenerativen Erkrankungen des Gehirns oft von vornherein von der Aufnahme ausgeschlossen. Das ist keine reine Willkür - obwohl man den Mangel an Versorgungsmöglichkeiten kritisieren kann und wir das auch immer wieder tun. Das allein wäre sicher auch kein Grund, einen Patienten "abzuschreiben", sondern Anlass dafür, ihm und anderen weitere Möglichkeiten zu erkämpfen. Dazu ist jeder, der hier mitliest, herzlich eingeladen.
Vielmehr bringen die Vorerkrankungen des geschilderten Patienten ein besonderes Problem mit sich. Sie bewirken einen (weiter fortschreitenden) Zellverlust im Frontalhirn - und eben mit den dort "angesiedelten" Funktionen habe ich mich besonders eng befassen können. Genauer gesagt, 24 Stunden am Tag über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren. Für jedes gezielte Training irgendwelcher sonstiger (z.B. motorischer, sprachlicher...) Funktionen benötigt man ein Minimum an Aufmerksamkeit und Gedächtnis, die man ihrerseits gezielt fördern kann. Damit das Erfolg hat, braucht man nicht nur eine Menge gut geschultes Personal, sondern auch genügend Zellen, die imstande sind oder in den Stand gesetzt werden können, Ausfälle zu kompensieren. Gerade daran fehlt es bei den beschriebenen degenerativen Vorerkrankungen des Patienten, die offenbar schon soweit fortgeschritten waren, dass eine Betreuung und Heimunterbringung nötig waren, bevor es zur Reanimation und der wahrscheinlichen weiteren Hirnschädigung kam. Zellen, die man heute noch hat "ansprechen" können, können morgen ausgefallen sein. Schon unter "normalen" Umständen dauert eine Rehabilitation zum individuellen Optimum viele Jahre - so sie denn überhaupt gelingt. Wenn aber während dieser Zeit noch dauernd ein Teil der organischen Basis "wegbricht", kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was dabei an Fortschritten herauskommen soll.
Und zwar ganz abgesehen davon, dass ich bislang niemanden kennengelernt habe, der unter diesen Umständen irgendeine positive Prognose abgeben würde, die, Wie Sie sicherlich wissen, die Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt ein Kostenträger einen Reha-Versuch bezahlt.
Wenn hier jemand andere Erfahrungen gemacht hat oder mit anders lautenden Studien aufwarten kann, wäre ich dankbar dafür und bin gerne bereit, meine Meinung zu revidieren.
Herzliche Grüße,
Annett Löwe
downcase
Topicstarter

Beitrag von downcase »

sehr geehrte frau löwe,

bei nochmaliger lektüre dieses threads komme ich zu der auffassung, dass sie und die anderen diskutanten aneinander vorbeidiskutieren.
lassen sie mich daher an dieser stelle noch einmal betonen, dass aufgrund der geschilderten situation eine weitere hirnschädigung des patienten keinesfalls sicher war. eine erfolgreiche reanimation lag zumindest im rahmen des möglichen.

mann könnte natürlich argumentieren, dass ausgrund der krankheit des patienten a priori eine reanimation (auch wenn in vollem umfang erfolgreich und ohne weitere neurologische schädigung nicht sinnvoll gewesen wäre. ich gewinne allerdings den eindruck, dass sie sich in dieser frage ein wenig zu sehr von den schlagworten *demenz* und *korsakow* etwas zu sehr haben beeindrucken lassen. entscheidend ist doch vielmehr der klinische zustand des patienten, der immerhin noch kontaktfähig war und seinen alltag wenigstens teilweise selbstständig regeln konnte.
nehmen sie bitte auch zur kenntnis, dass es sich nicht um 2 neurodegenerative erkrankungen gehandelt hatte, sondern nur um eine: demenz durch ein korsakow-syndrom. von alzheimer war da nirgenswo die rede soweit ich das gesehen habe. soweit ich (als nicht-neurologe) informiert bin, ist das korsakow-syndrom eine erkrankung, die durch alkohol-abstinenz durchaus am weiteren fortschreiten gehindert werden kann.
aus diesen gründen scheint mir die grunderkrankung per se keine rechtfertigung zu sein, auf lebensrettende massnahmen zu verzichten.

bleibt also die frage, in wie fern die drohende gefahr einer weiteren hirnschädigung hier gegen eine reanimation gesprochen hätte.
lassen sie mich festhalten: diese gefahr besteht *immer* und wenn wir diesen fall mit absoluter sicherheit ausschließen wollten dürften wir niemanden reanimieren (das würde solche entscheidungen nicht nur für die betreuer einfacher machen, sondern auch für uns. aber wir -- behaupte ich einfach mal für die meisten hier -- wollen diesen fall trotzdem nicht).

ihre einschätzung, dass die vorerkrankung (eine, nicht zwei) des patienten eine kompensation möglicher entstehender hirnschäden völlig unmöglich mache, teile ich nicht, und ich sehe auch keine basis dafür, da sie insbesondere mit der klinischen präsentation dieses patienten nicht vertraut waren. auch denke ich ist es dafür erforderich, ausreichend wissen (und nciht nur informationen) in der neurologie zu haben, um etwa einen morbus alzheimer von anderen neurodegenerativen krankheiten unterscheiden zu können.

bleiben ihre argumente bezüglich der schwierigkeiten kapazitäten zur rehabilitation dieser patienten zu finden. obwohl ich ihnen unbesehen abnehme, dass diese probleme sehr ernst zu nehmen und sehr schwer zu überwinden sind, zweifle ich doch an ihrem stellenwert bei der entscheidung für oder gegen eine reanimation. insbesondere da ein mögliches outcome derartiges überhaupt nicht erforderlich macht.
ich habe den eindruck, dass ihre einschätzung über den mutmasslichen willen des patienten bewusst oder unbewusst von diesen überlegungen beeinflusst ist und möchte in frage stellen, dass der wille eines patienten für oder gegen lebensrettende massnahmen in erster linie hiervon geprägt ist.

aus den dargestellten überlegungen ergibt sich auch für mich die schlussfolgerung, dass die ergriffenen massnahmen sowohl aus medizinischer als auch aus medizin-ethischer sicht auf der basis des zum zeitpunkt des notfalls verfügbaren informationen sinnvoll und richtig waren.
angesichts eines später bekannt gewordenen schlechten outcomes zweifel an einer entscheidung zu äußern ist sehr leicht, diese entscheidung auf der basis maximal limitierter informationen und unter maximalem zeitdruck zu treffen ist dagegen nicht.

grüße

downcase
d-i-n
Topicstarter

Beitrag von d-i-n »

Hallo Downcase,

also um fast 2 Uhr morgens so ein durchdachtes Posting – WOW und vielen Dank für die Mühe !
sehr geehrte frau löwe,

bei nochmaliger lektüre dieses threads komme ich zu der auffassung, dass sie und die anderen diskutanten aneinander vorbeidiskutieren.
.....
.....
nehmen sie bitte auch zur kenntnis, dass es sich nicht um 2 neurodegenerative erkrankungen gehandelt hatte, sondern nur um eine: demenz durch ein korsakow-syndrom. von alzheimer war da nirgenswo die rede soweit ich das gesehen habe.
Das waren meine Gründe, die Diskussion mit Frau Loewe einzustellen.

Downcase, ich habe aus Deinem Posting entnommen, dass Du den Verlauf dieser „unglücklichen“ Rea sehr gut nachvollziehen kannst. Es ist mir auch viel wert, dass Du und die anderen Fach-Poster auch so verfahren wären, wie ich.

„Da draußen“ ist man als Arzt ja doch Einzelkämpfer und hat wenig „Kontrolle“ oder Vergleich, wie Kollegen wohl in der Situation handeln würden. Deshalb finde ich es sehr gewinnbringend, mich im Nachhinein in diesem Forum fachlich austauschen zu können.

Das Problem bei reanimationspflichtigen Patienten ist ja letztlich immer, woran man eigentlich den Zeitpunkt festmacht, aufzuhören (oder überhaupt anzufangen).

Da würde mich sehr interessieren, wie Du und auch die anderen hier praktisch vorgehen, mit welchen Überlegungen Ihr Eure Entscheidungen zur Dauer einer Rea bzw. Abbruch trefft.

Ich mach es so ganz im Groben folgendermaßen:

-Patient mit Kammerflimmern: immer primär Rea, da ich davon ausgehe, dass die
Hypoxämie erst wenige Minuten andauern kann, wenn das Herz noch flimmert. In
diesem Zustand habe ich auch noch nie entrundete Pupillen gesehen.

-Patient mit Herz-Kreislaufstillstand + Pupillen weit, lichtstarr u. entrundet: keine Rea

-Patient mit Herz-Kreislaufstillstand + Pupillen weit, lichtstarr u. nicht entrundet:
Rea für ca. 5 min (je jünger der Patient, desto länger !)
wenn Pupillen unter suffizienter Rea unverändert oder entrundend -> Abbruch
wenn Pupillen kleiner werden / Lichtreaktion –weitere Rea, „volles Programm“

Bei dem Aspirations-Patienten war nun die Situation, dass er weder vor, noch während der Rea weite / weiter werdende oder entrundete Pupillen hatte, sondern die Pupillen praktisch die ganze Zeit gleichweit (mittel aber ohne Lichtreaktion) blieben. Das hat mich sehr irritiert und mir die Entscheidung, ob Abbruch oder weiter sehr schwer gemacht. Selbst als sein Kreislauf unter Rea wieder selbst „ansprang“ hat sich an den Pupillen nichts geändert.
Als Nicht-Neurologe kann ich nicht erklären, wie es zu einem so ungewöhnlichen Pupillenstatus kommt. Vielleicht ist hier ja jemand, der das erklären kann ?

Würde mich freuen, Eure Meinungen und Erfahrungen zu hören !

Einen herzlichen Gruß Doc-in-not
AnnettLoewe
DMF-Moderator
Beiträge: 996
Registriert: 16.09.04, 13:16
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Beitrag von AnnettLoewe »

Hallo downcase,
auch ich mächte Ihnen für Ihre ausführliche Stellungnahme danken.
Sie hilft mir - zusammen mit den übrigen postings zum Thema - mir besser über Ihre Situation klar zu werden, Ihre Entscheidungen nachzuvollziehen und meine Meinung zu überdenken.
Sie haben recht: von M Alzheimer war wirklich keine Rede. Gleichwohl "spielen" auch die übrigen demenziellen Prozesse in der gleichen wichtigen "Gegend" des Gehirns, unterscheiden sich davon aber - auch damit haben Sie natürlich recht - in Verlauf und Beeinflussbarkeit.
Was ich mir an dieser Stelle nur wünschen kann ist, dass mit derselben Intensität, mit der Sie Menschenleben zu retten versuchen, auch an ihrer weiteren Versorgung gearbeitet werden würde.
Da besteht jedoch leider eine erhebliche Diskrepanz. Die Menschen werden in den letzten Jahren immer schneller und immer häufiger von der Intensivstation direkt in irgendein Pflegeheim "verschoben", von wo aus es außerordentlich schwierig ist, überhaupt eine Rehabilitation in Gang zu bringen. Die Versorgung schwerst hirnverletzter Menschen in den Heimen ist zum Teil katastrophal, vor allem dann, wenn es keine Angehörigen gibt, die darauf achten können, was dort geschieht.
Ich weiß , wie nahe wir uns hier an der Debatte über "lebenswertes" und "lebensunwertes" Leben befinden und ich habe wirklich kein Interesse daran, dies zu befördern.
Ja, das, was ich hier als meine vermutliche Betreuerentscheidung gepostet habe, hat mit meinen Erfahrungen möglicherweise mehr zu tun, als mit dem mutmaßlichen Willen des Patienten. Diese Kritik nehme ich sehr ernst. Trotzdem würde ich, SOBALD ein weiterer Hinrschaden in Aussicht steht, dabei bleiben wollen - solange sich an der Versorgungssituation nichts Grundlegendes ändert.
Dafür kann man aber aus meiner Sicht allerhand tun. Vor allem erst mal darauf hinweisen. Nichts anderes wolte ich hier getan haben.
Herzlichen Dank nochmal für Ihr Engagement und Ihr Verständnis - wenigstens in diesem Punkt.
Annett Löwe
downcase
Topicstarter

Beitrag von downcase »

sehr geehrte frau löwe,

nur 2 kurze anmerkungen zu ihrem posting:
die versorgung ist schlicht und einfach nur durch eine massnahme wesentlich zu verbessern: wir brauchen im gesundheitswesen mehr geld. wie das da hin kommt und wer es bezahlt spielt aus dieser perspektive nur eine sehr untergeordnete rolle. aber ohne wird sich die situation auch bei maximaler effizienz nicht ehrleblich besser (und schon gar nicht so gut wie wünschenswert) gestalten lassen.

ansonsten erlauben sie mir noch folgende erwägungen: ihre kenntnisse und erfahrungen in dem bereich verschiedentlich gearteter hirnschädigungen scheinen, wie sie in verschiedenen vergangenen postings angedeutet haben, wenigstens teilweise durch persönliche erfahrung motiviert zu sein (sie können diese vermutung meinerseits dementieren oder gar nichts dazu sagen, wenn ich ihnen damit zu nahe trete). in der medizin sind wir in solchen situationen mit entscheidungen sehr vorsichtig, weil es einem ob man es will oder nicht, die objektivität nimmt. auch und grade das bestreben erst recht alles besonders gut machen zu wollen führt dann häufig zu einer falschen weil nicht objektiven entscheidung.
einer meiner lehrer hat mal gesagt, es gäbe 3 gruppen von risikopatienten:
1. vermeintliche routinefälle,
2. patienten, bei denen man ohne grund von üblichen vorgehensweisen abweicht (z.b. vip's, siehe entpsrechendes fallbeispiel hier im forum)
3. freunde, verwandte, bekannte, ...



an doc-in-not

ich habe kein schnell-schema oder algorithmus, nachdem ich so etwas entscheide. kriterien, die sie nennen, fließen bei mir auch mit ein, aber einen starren algorithmus habe ich nicht (obwohl ich die notwendigkeit von algorithmen in der notfallmedizin durchaus sehe, bin ich nicht so davon überzeugt, dass es sinnvoll ist, in der notfallmedizin wirklich alles durch algorithmen zu regeln. speziell in diesem fall glaube ich persönlich einfach nicht an die existenz einer solchen patentlösung).
früher habe ich die ansicht vertreten, es sei sinnvoll auf jeden fall eine reanimation durchzuführen, weil ich das für eine weniger unumstößliche entscheidung hielt, als das gegenteil. ein paar erfahrungen, die der ivon ihnen geschilderten nicht unähnlich waren, haben mir aber gezeigt, dass man auch durch die entscheidung für eine reanimation später unter umständen unumstößliche tatsachen schafft.
obwohl ich also die entscheidung zur reanimation mittlerweile kritischer sehe, muss ich ehrlicherweise zugeben, dass ich in den meisten fällen, in denen nicht von vorn herein irgendein ganz klarer grund gegen eine wiederbelebung gesprochen hat, entsprechende massnahmen zumindest erst einmal eingeleitet habe, auch wenn ich sie in einigen fällen relativ schnell wieder abgebrochen habe.
pupillen alleine habe ich übrigens nie zur basis meiner entscheidung genommen. da gibt es mit z.n. op, medikamenten u.s.w. einfach zu viel, dass hier einflüsse nehmen kann.

grüße

downcase
AnnettLoewe
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Beitrag von AnnettLoewe »

hallo downcase,
ja, Sie haben recht mit der Frage der persönlichen Erfahrung.
Sie "wissen " es übrigens längst - wir hatte vor einiger Zeit im Pharmazie-Forum eine, wie ich immer noch finde, spannende Diskussion zum Thema "Oxybutynin", bei der ich einiges von Ihnen gelernt habe. Eben anonym.

Natürlich beeinträchtigt das den objektiven Blick. Nicht nur bei Ärzten, sondern auch bei Rechtsanwälten. Nicht ganz unabsichtlich hab ich mir in diesem Thread rechtliche Erwägungen vollkommen gespart.
Und wenn ich berufliche Entscheidungen treffen muss, pflege ich das im Auge zu behalten - und übernehme bestimmte Sachen wegen der persönlichen Involviertheit nicht. Beispiel aus dem letzten Monat: Kapitaldelikt an einem unserer Patienten. Da kann ich alles mögliche tun, aber jedenfalls keine Prozessvertretung.
Sollte ich deshalb die Betreuung für meinen Freund gegen dessen Willen zugunsten eines Amtsbetreuers abgeben? Werd ich nicht, auch wenn es vielleicht falsch ist.

Ich wollte hier auch gar keinen "objektiven Rat" geben oder mit irgendwem streiten, sondern meine Meinung sagen, um vielleicht zu erfahren, was Sie (alle) davon halten. Das Verhalten der Betreuerin im geschilderten Fall war jedenfalls auch kritisiert worden. Aber vielleicht hatte auch sie Recht damit, erstmal auf Maximalversorgung zu bestehen und zu sehen, was wird.

Schönen Dank jedendfalls für die Ernsthaftigkeit, mit der Sie versuchen, nachzuvollziehen, was ich meine - und auch für Ihren Tipp, den eigenen "Standort" und seine Beziehung zur eigenen Meinung gelegentlich zu überprüfen - das nutzt hier sicherlich nicht nur mir.

Herzliche Grüße,
Annett Löwe
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