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Garantenstellung als San

Verfasst: 20.06.07, 15:13
von Nicolas
Hallo!

Als San A+B hat man meines Wissens nach ja Garantenstellung den Mitmenschen gegenüber. Heißt, man muss den Menschen helfen.
Jetzt ist meine Frage folgende: Ist man auch dann noch verpflichtet zu helfen, wenn man mit dem Linienbus an einem Unfall vorbeifährt, während schon 5 andere Menschen da stehen, und erste Hilfe leisten?

Grüße,
Nico :?:

Verfasst: 20.06.07, 21:31
von Erik Eichhorn
Hallo Nicolas,

ich bin zugegebenermassen immer wieder überrascht und beinahe erfreut, welch zum Teil abstruse Gerüchte und Halbwahrheiten zu den Problemfeldern des Rechts im Rettungsdienst existieren.

Als SAN A oder B oder was auch immer sind Sie in erster Linie zur Hilfeleistung verpflichtet. Näheres dazu regelt §323c StGB. Dort wird von einer "zumutbaren Hilfeleistung" gesprochen. Logischerweise ist im Einzelfall davon auszugehen, dass Ihnen eine umfangreichere Hilfeleistung zugemutet werden kann, als Lieschen Müller. Wenn Lieschen Müller behauptet, Sie habe keine Druckmassage ausgeführt, weil sie es nie gelernt hat und Angst hatte demjenigen zu schaden ist das sicher okay. Würden Sie vor dem Staatsanwalt selbiges behaupten, ernten Sie höchstens ein mitleidiges Schmunzeln.
Der Garant ist aber Ihr Dienstherr. Er garantiert bei einer Veranstaltung oder bei der Übernahme des Rettungsdienstes für dessen ordnungsgemäße Durchführung. Garant sind Sie wenn Sie mit Ihren Freunden eine gefährliche Klettertour machen und jeder für das leben des anderen verantwortlich ist. Garant sind Sie auch, wenn Sie sich privat dazu bereiterklären auf dem Sportfest die medizinische Betreuung zu sichern.

Zum konkreten Beispiel Ihrer kleinen Stadtbusreise:
Wie immer sicher eine Einzelfallentscheidung, die aber nichts mit der Garantenpflicht zu tun hat, schließlich hat Sie Ihr Dienstherr sicher nicht beauftragt unifomiert im Bus für Sicherheit zu sorgen, oder?
Alles andere regelt §323c StGB. Wenn Sie der Meinung wären, dass die Passanten restlos überfordert sind und Ihnen die Unterbrechung der Fahrt problemlos zugemutet werden kann, sind Sie meines Erachtens zur Hilfeleistung ob Ihrer Qualifikation verpflichtet. Eine versorgte Kopfplatzwunde kommt dagegen bis zum Eintreffen des RTW sicher auch ohne Sie aus :-)

Weitere Infos zum Thema: Garantenpflicht

Gruß,

Verfasst: 21.06.07, 20:15
von Nicolas
Hallo!
Danke für Ihre umfangreiche Antwort und Richtigstellung. Jetzt ist mir so einiges nochmals klarer.

Ich hätte mir eigentlich keine Sorgen weiter gemacht. Der Motorradfahrer war in einer vernünftigen Stabilenseitenlage. Jedoch mit noch aufgesetztem Helm! :?
Und da wurde es mir dann schon doch ein wenig mulmig, als ich das gesehen habe. Deswegen fragte ich hier nochmals nach.

Aber es war für mich nicht ohne weiteres möglich, aus dem Bus aus zu steigen. Irgendwie komme ich in solchen Situtationen immer wieder in einen Zwiespalt...

Verfasst: 23.06.07, 10:25
von solutio
Hmm....wenn du dir jetzt noch überlegst, WANN ein Mensch in die stab. Seitenlage gehört, also richtig, wenn er bewusstlos ist, dann ist das ja schon ein ernster Notfall.
Gut, mancher legt jeden "Patient" in die stab. Seitenlage. Aber normalerweise ziehen sich Motorradfahrer ihren Helm aus so lange sie noch können....es sei denn.....

Gut alles Mutmaßungen ;)

Ich persönlich hätte es wohl von der Priorität des Ziels meiner Busreise ausgemacht ;)

Gruß
solutio

Verfasst: 25.06.07, 23:08
von Pflasterdrauf
moin...

also zu dem thema garantenstellung hatte ich mal ne interessante unterhaltung mit nem oberstaatsanwalt hier in berlin....

seine aussage: eine garantenstellung hat ein familienangehöriger....aber niemand im rettungsdienst - und schon gar kein san a/b...du bist "nur" qualifizierter erst-helfer...
und den bus anhalten um zu helfen mag zwar das selbstwertgefühl steigern und löblich sein, aber entbehrt jeder rechtlichen grundlage. ich kann mich ja gerne nochmal kundig tun, wenn das interesse besteht...aber ich denke - fahr ruhig weiter - bis du den busfahrer überzeugt hast und dann wieder am notfallort bist, ist der rettungsdienst schon da....

lg

marco

Verfasst: 26.06.07, 09:41
von mbela
Die Aussage von Pflasterdrauf wage ich mal scharf zu kritisieren, denn ein Angestellter im Rettungsdienst hat diese sicherlich (§13 StGB). Ansonsten hat Herr Eichhorn alles ja gut erläutert.

Verfasst: 26.06.07, 09:45
von Erik Eichhorn
So sieht es aus @mbela. Ich hatte in meinem obigem Posting inklusive Quellenangabe auch ausdrücklich darauf hingewiesen und den Unterschied klar herausgestellt.

Scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass wenn ein Rettungsdienstmitarbeiter eine Aussage von einem Staatsanwalt präsentiert sich ein zweiter findet, der den Oberstaatsanwalt kennt :-)

Nichts für ungut.

Verfasst: 28.06.07, 19:02
von FLindi
Das Buch " Rettungsdienstrecht in der Praxis" wurde ja schon an einer anderen Stelle im Forum genannt. Im Vorwort weisen die Autoren darauf hin, dass die meisten Juristen vom Rettungsdienstrecht wenig bis keine Ahnung haben. Ausnahmen sind hierbei lediglich die Juristen die auch als Autoren in den bekannten Fachzeitschriften und Dozenten an Rettungsschulen und Notfallsymposien tätig sind.

Ich unterstelle jetzt einfach mal, dass der von Pflasterdrauf zitierte Oberstaatsanwalt nicht zu diesen Fachjuristen gehört.

Verfasst: 28.06.07, 20:09
von Catrin
Zunächst einmal sorry, dass ich mich hier einmische, ich gehöre nämlich zu jenen Juristen, die vom Rettungsdienst keine Ahnung haben und habe daher in diesem Teil des Forums eigentlich auch nichts verloren.
Aber die Überschrift hat mich dann doch neugierig gemacht....
Ich unterstelle jetzt einfach mal, dass der von Pflasterdrauf zitierte Oberstaatsanwalt nicht zu diesen Fachjuristen gehört.
Na ja, die hier aufgeworfenen Probleme sind allgemeine strafrechtliche Fragen, die größtenteils im 1. Semester des Jurastudiums gelehrt werden - man muss also kein "Fachjurist" sein, um sie zu beantworten.

Die Aussage des OSta ist richtig, weil man für § 323c StGB auch keine Garantenpflicht braucht. Es handelt sich um ein sog. "echtes Unterlassungsdelikt", dessen Voraussetzungen sich aus dem fraglichen Tatbestand (hier § 323c) ergeben (und von Herrn Eichhorn in seinem obigen Beitrag ja schon gut erklärt worden sind).
Daneben gibt es noch die sog. "unechten Unterlassungsdelikte", das sind Delikte die normalerweise aktives Tun voraussetzen (zB Totschlag, Körperverletzung). Sie können gemäß §13 StGB auch durch Unterlassen begangen werden, eben dann wenn eine Garantenpflicht bestand.
§ 13 StGB hat also mit § 323c nichts zu tun!
Soweit zur Ehrenrettung des Herrn Oberstaatsanwaltes... :wink:

Verfasst: 28.06.07, 20:13
von Erik Eichhorn
Zunächst einmal sorry, dass ich mich hier einmische, ich gehöre nämlich zu jenen Juristen, die vom Rettungsdienst keine Ahnung haben und habe daher in diesem Teil des Forums eigentlich auch nichts verloren.
Wofür wollen Sie sich entschuldigen? Für einen fachlichen Beitrag in einem Fachforum? Das kann doch sicher nicht Ihr Ernst sein :-)

Mir ging es im Übrigen auch gar nicht darum die Aussage des Oberstaatsanwaltes in Frage zu stellen. Mir viel nur gerade wieder eine im Rettungsdienst leider weit verbreitete "Unsitte" auf, dass selbst dann noch diskutiert wird, wenn es nichts mehr zu diskutieren gibt. Das mag aber ein persönliches Empfinden sein.

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