Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

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jaeckel
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Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von jaeckel »

Als Notarzt mit langjähriger Erfahrung hatte ich schon sehr oft mit anaphylaktischen Reaktionen zu tun, sicher dreistellige Einsatzzahlen mit Anaphylaxie nach Insektenstich. Das ist Routine. Daher hatte ich auch diesmal gedacht, das ist in wenigen Minuten "abgefrühstückt". Aber es kam anders:

Unser NEF kam gleichzeitig mit dem RTW beim Wohnhaus in ländlicher Gegend an. Familienangehörige leiteten uns in den 1. Stock, wo unsere Patientin mit einer Brechschale in der Hand auf einem Küchenstuhl saß. Sie war bei ca. 30° Grad schweißig, wie wir auch. Sie wäre am Unterarm von einer Hornisse gestochen worden. Danach hatte sie allg. Schwäche und Übelkeit verpürt.

Befund: Pat. wach, ansprechbar, Haut blass, schweißig. Ca. 5 cm rund um den Stich erythematöse Rötung, beginnend fleckiger generalisierter Hautausschlag an Armen und Beinen, Atmung normal, Lungenauskultation normal, Übelkeit, mehrfaches Erbrechen, Schwindel.

RR 70 syst., HF 110, 02-Sätt 97%. Wir legten im Sitzen einen Zugang, Volumentherapie lief im Schuß. Supra 1:10 verdünnt, 250mg Solu-Decortin, Clemastin wurde auf Zuruf aufgezogen. Bei Verabreichung des ersten halben Mililiters Supra legte ich Wert auf Beobachtung des inzwischen angeschlossenen Monitor-EKGs, der einen tachykarden Sinusrhythmus zeigte. Nach Einspülen gab es kaum eine Herzfrequenzänderung, so dass ich fraktioniert 3 x 0,5 ml gab. Danach hatten wir einen Blutdruck von 110 systolisch und stabilen Rhythmus und dachten, wir hätten gewonnen. Die Pat. wurde in nächstliegender ZNA angemeldet.
Blöderweise gab die Patientin an, ihr gänge es nicht besser. Gegen die Übelkeit wurde noch MCP aufgezogen als ich auf dem Monitor plötzlich eine Pause sah, Asystolie?! Ausdruck dokumentiert. Elektroden kontrolliert. 2 langsame Herzaktionen, dann wieder eine Bildschirmzeile Pause!! Nun legten wir die Patientin zur Beunruhigung der anwesenden Angehörigen hektisch auf den Fußboden. Ich gab wieder 0,5 ml des Supra und bat um Atropin...(Verwunderung bei meinem Team, die den Monitor nicht gesehen hatten) keine (!) Wirkung des Supra auf die Herzfrequenz (Kammerersatzrhythmus 20 bis 30), jetzt Adrenalinausschüttung bei mir. Gabe von 0,5 mg Atropin. Einspülen. EKG: Frequenz steigt, 100, uff. Einzelne VES, na gut. Bigeminus, das passt nicht! Salven, neiin. Eine Torsade-Tachykardie über eine Bildschirmbreite, selbstlimitierend, dann ventrikuläre Salven, dann Übergang in stabilen tachykarden SR. Nee Leute, jetzt mal schnell Defi-Elektroden aufkleben und das Tragetuch drunter und ab durchs Treppenhaus in den RTW (dort gefühlte 40 Grad), O2 über Maske. Anmeldung ändern in "intensivpflichtig". Auf dem eiligen Transport hatte die Patientin immer wieder Blutddruckabfälle, die mit fraktionierter Supra-Gabe ohne Rhythmusstörungen gut behandelbar waren. Die Kollegen in der Klinik waren zunächst gelangweilt von meiner Übergabe, bis ich Ihnen dann die EKG-Ausdrucke vorlegte... Adrenalinausschüttung wie bei mir. Grins. Uff, ich war raus, die Pat. stabil abgeliefert. Aber wie hätte das ausgehen können, wenn wir auch nur 5 Min. später gekommen wären?
Alles Gute!

Herzlichen Gruss
Ihr

Dr. med. Achim Jäckel
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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von Phileas Fogg »

Uff.
Was war Ihrer Meinung nach Ursache der Arrhythmien, die Anaphylaxie oder das Supra?
Haben Sie die Möglichkeit, den weiteren Verlauf zu erfragen, inklusive ob eine weitere kardiologische Diagnostik ablaufen wird?
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jaeckel
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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von jaeckel »

Phileas Fogg hat geschrieben:Was war Ihrer Meinung nach Ursache der Arrhythmien, die Anaphylaxie oder das Supra?
Meine Erklärung:
Die bradykarden Arrhythmien trotz Supra ordne ich einem überschießenden Vagusreiz bei Übelkeit, Erbrechen im beginnenden Schock zu. Ohne Atropin wäre es sicher in Richtung Asystolie/Reanimation eskaliert.

Das Atropin löste zwar die Vagusblockade auf das Reizleitungsystem aber fatalerweise machte es wohl das Herz vorübergehend empfindlicher auf die bereits Minuten zuvor ohne NW verabreichten Katecholamine. Inwieweit dem Antihistaminikum eine zusätzliche arrhythmogene Wirkung zukommt, kann ich nicht einschätzen.

Vor dem Atropin war die Wirkung des Supra ohne jegliche VES gut steuerbar. Wenige Minuten nach dem Atropin ebenfalls.

Die aufnehmende Klinik ist beklagenswerterweise ein chronischer "Unterversorger", intern auch "das Ende der Rettungskette" genannt. Daher wird sicher keine kardiologische Diagnostik gemacht.
Alles Gute!

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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von Ani »

Denkbar wäre auch eine koronare Minderperfusion, vermittelt durch die vasokonstringierenden H2-Rezeptoren an den Koronarien. Es sind mehrfach Herzinfarkte und HRST im Rahmen von schweren allergischen Reaktionen beschrieben worden. Deshalb ist es auch so wichtig, nicht nur H1, sondern auch H2-Blocker zu verabreichen.

Möglicherweise liegt hier eine multifaktorielle Genese vor.
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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von jaeckel »

Danke für die Anregungen.
Alles Gute!

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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von downcase »

hallo,

2 gedanken:
1.:
haben sie die qt zeit beachtet?
2.:
> Daher wird sicher keine kardiologische Diagnostik gemacht.
ist aber aus meiner sicht unabdingbar. alle gelieferten erklärungen für die beobachteten ventrikulären rhythmusstörungen sind ohne annahme einer wie auch immer bestehenden kardialen grunderkrankung viel zu unwahrscheinlich, um diese möglichkeit ausser acht lassen zu können.

grüße

downcase
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jaeckel
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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von jaeckel »

downcase hat geschrieben:haben sie die qt zeit beachtet?
Zu diesem Zeitpunkt der akuten Rhythmusstörungen gab es noch kein Papier-EKG, nur Monitor (vom Aspekt her initial unauffällig). Später war sie normal.
downcase hat geschrieben:ist aber aus meiner sicht unabdingbar
Richtig. Aber, wie schon angedeutet, in unserem Bereich ist, bis auf Ausnahmen, die Qualität der Versorgung am zusammenbrechen. Manchmal muss ich -ungelogen- den Gast-Ärzten/Ärztinnen in der Notaufnahme zeigen, wie herum sie das EKG überhaupt halten müssen... :cry:
Alles Gute!

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Re: Fallschilderung: Anaphylaxie auf Hornissen-Stich

Beitrag von AndyMaus »

Ich hoffe mal es ist ok das ich hier was zu schreibe
Ich habe eine Mückenstichallergie sehr bescheiden :cry:
Dienstag morgen bei der Arbeit hat mich eine Mücke erwischt, ich bekomme immer kurz darauf einen Kloss im hals, so ich meiner Kollegin bescheid gesagt. Habe daraufhin meine 2 Notfall tabletten genommen(Antiallergikum), die Adrenalin spritze noch nicht wollte einen moment warten, naja nach ca.10 minuten war ich dazu aber nicht mehr in der lage, ich konnte kaum noch die Augen offen halten. Meine Kollegen haben aber den Rettungsdienst angerufen und aufeinmal standen 3 leute neben mir :shock: Habe den netten Mann gesagt das ich die Allegie habe und 2 tabletten genommen habe, es ging in meinen Augen sehr schnell das ich im Krankenwagen war es war aber kein Notarzt dabei. Der Nette Mann sprach mich immer mal wieder an teilweise habe ich es aber erst realisiert als er mich am Arm geschüttelt hat. Er sagte 2 mal zu mir die Syntome kämen von den Tabletten. Er gucke mal wieder in meinem Mund mit einem Holzstäbchen und sagte zum Fahrer drück auf den Pin, der druck fällt und die Zunge wird immer Dicker. Ich weiß dann aber auch nur noch das es lauter und sehr wackelig wurde. Danach erst wieder als ich im Krankenhaus war, total verkabelt und am Tropf, habe nur zwischendurch einmal kurz den satz gehört von wegen nebenwirkung auf die Tabletten. Der Stich war ca. um 11.15 und ich war um ca 13 uhr erst wieder voll da.

So wenn ich gestochen werde habe ich den Kloss im Hals, kann nur noch durch Nase atmen, ich bin total Müde, mir wird schlecht aber ohne erbrechen, ich fange an zu Frieren aber mein gesicht ist total rot und warm habe voll Schüttelfrost, Schwindel und mein Kopf fühlt sich total matschig an.

Ich will jetzt nicht irgendwas in Frage stellen von dem ablauf her auf keinen fall, nur eben sagen so wie es schon gesagt wurde es kann sich sehr schnell ändern als der Mann es sagte von wegen wird jetzt laut würde ich sagen waren vielleicht 5 minuten vergangen genau sagen kann ich es aber leider nicht.
Ich schreibe nur das was ich weiß aber das es 100% richtig ist kann ich nicht versprechen, bin auch nur ein Mensch!!!
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