dieser Beitrag soll Antworten auf häufig gestellte Fragen im Forum "Interdisziplinäre Intensivmedizin" liefern, ersetzt jedoch nicht das Gespräch mit den behandelnden Ärzten und dem Team der Intensivstation. Wie auch sonst in der Medizin lassen sich viele Fragen nicht pauschal beantworten. Gerade in der Intensivmedizin ist eine Einschätzung des Verlaufs oder der Prognose nur unter Berücksichtigung aller Faktoren, Vorerkrankungen, aktuellen Diagnosen etc. möglich, wie sie daher nur von Ärzten vor Ort getroffen werden kann.
Daher sollte Ihr erster Weg bei Unklarheiten zum behandelnden Arzt führen.
Bei einer schweren oder gar lebensbedrohlichen Erkrankung, oder nach Reanimation im Rahmen eines Herz-Kreislauf-Stillstands, werden Patienten auf Intensivstation verlegt. Nur dort ist eine kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter sowie eine Durchführung bestimmter Therapien möglich, und eine optimale Versorgung des Patienten garantiert.
Patienten die im Rahmen dieser Versorgung beatmet werden müssen, bekommen in der Regel Medikamente, die sie in eine Art "Tiefschlaf" versetzen und Schmerzen nehmen. In der Umgangssprache und der Allgemeinpresse wird das oftmals fälschlicherweise als "künstliches Koma" bezeichnet.
Dieses sogenannte „künstliche Koma“ auf der Intensivstation ist eine besondere Form der Narkose, die durchgeführt wird, um einen Patienten optimal behandeln zu können. Dabei kann es ganz unterschiedliche Gründe für eine solche Narkose geben, z.B.
- - schwere Verletzungen nach einem Unfall, die sehr schmerzhaft sind und (evtl.) mehrere Operationen erforderlich machen
- Durchblutungsstörungen („Schlaganfall“) oder Blutungen im Gehirn, die zu Störungen des Bewußtseins führen. Hier dient die Narkose u.a. der Verbesserung des Hirnstoffwechsels, weil durch kontrollierte Beatmung die Sauerstoffversorgung des Gehirns verbessert wird.
- Zustände nach einer Wiederbelebung (Reanimation): Auch hier liegt eine Störung der Hirndurchblutung vor, außerdem ist der Kreislauf oft nicht stabil – durch eine kontrollierte Narkose läßt sich die Behandlung besser steuern. Außerdem werden Patienten nach einer Reanimation gelegentlich 2-3 Tage bewußt gekühlt, um das Gehirn zu schützen
- Blutvergiftungen (Sepsis): Der Körper kämpft hier gegen Keime in der Blutbahn, oft besteht dabei sehr hohes Fieber, Atmung und Kreislauf sind beeinträchtigt. Auch hier schützt die Narkose vor zusätzlichem Stress und ermöglicht durch eine kontrollierte Beatmung ausreichende Sauerstoffversorgung
Dies lässt sich aus der Entfernung nicht beantworten, meistens nicht einmal grob abschätzen. Grundsätzlich gilt: So lange wie nötig, so kurz wie möglich, da durch eine Beatmung bestimmte Komplikationen auftreten können, und eine Entwöhnung von der Beatmung mit steigender Beatmungsdauer immer schwieriger wird.
Sobald die Gründe, die eine Beatmung nötig machten, nicht mehr vorliegen, beginnt man in der Regel mit der Entwöhnung von der Beatmung, an deren Ende bei einem problemlosen Verlauf die sogenannte "Extubation", das Entfernen des Beatmungsschlauches, steht.
Warum soll ein "Luftröhrenschnitt" durchgeführt werden?
Ist eine länger andauernde Beatmung zu erwarten, wird eine sogenannte Tracheotomie durchgeführt. Dabei wird mit einem kleinen chirurgischen Eingriff eine Kanüle unterhalb des Kehlkopfes in die Luftröhre eingeführt. Dadurch wird der Beatmungsschlauch im Mund des Patienten überflüssig und kann entfernt werden.
Die Tracheotomie erleichtert die Beatmung und vor allem das spätere Entwöhnen von der Beatmung. Zähne und Mund des Patienten können besser gepflegt werden, Druckstellen im Mund-Rachen-Bereich durch den Tubus können vermieden werden, und beim wacheren Patienten wird kein Würgereiz ausgelöst.
Desweiteren kann es dem Patienten dadurch später ermöglicht werden, trotz Beatmung essen und trinken zu können, bzw. mittels einer speziellen Kanüle sogar zu sprechen.
Die Tracheotomie verringert auch die sogenannte "Atemarbeit", die der Patient leisten muß. Die Muskelkraft reduziert sich unter einer kontrollierten Beatmung sehr schnell. Wenn diese Muskeln in der Aufwachphase wieder benötigt werden, fehlt am Anfang oft die Kraft. Die Atemmuskulatur muß erst wieder trainiert werden, damit am Ende ein Atmen ohne maschinelle Unterstützung möglich ist.
Dadurch steigt die Lebensqualität in der Phase der Entwöhnung erheblich.
Wie lange dauert die "Aufwachphase"?
Auch das lässt sich nicht pauschalisieren. Wie schnell ein Patient nach Absetzen der Medikamente aufwacht, hängt zum einen davon ab, wie schnell diese im Körper abgebaut und ausgeschieden werden, zum anderen von eventuellen neurologischen Schäden oder bestehenden Vorerkrankungen.
Kommt es zu einem längeren Kreislaufstillstand und somit zu einer Unterversorgung von Organen (insbesondere dem Gehirn), so können Schädigungen entstehen, die ein Aufwachen verzögern oder gar verhindern.
Aber auch bei gesunden Menschen kann es vorkommen, dass der eine bereits wenige Minuten nach Absetzen der Medikamente aufwacht, der nächste etliche Stunden oder gar Tage dafür braucht.
Mein Angehöriger soll aufwachen, "atmet/presst aber gegen die Beatmung" oder wird panisch! Warum?
Um das zu beantworten sollte man sich einmal in den Angehörigen hineinversetzen: Dieser wird in einer für ihn wahrscheinlich völlig fremden Umgebung aufwachen, hat unter Umständen Schmerzen und durch den Beatmungsschlauch ein sehr unangenehmes Gefühl im Hals, dass Husten- und Würgereize auslöst.
Durch starkes Husten oder eine schnelle, panische Atmung kann es daher vorkommen, dass das Beatmungsgerät Alarm gibt.
Das Aufwachen ist also in nicht selten für den Patienten eine sehr unangenehme Sache.
Insbesondere bei Verletzungen / Schädigungen des Gehirns kommt noch der Aspekt dazu, das die Wahrnehmung der Außenwelt erheblich eingeschränkt sein kann.
Schafft es das anwesende Team nicht, den Patienten in dieser Phase zu beruhigen, so dass dieser kooperativ ist und extubiert werden kann, muss er unter Umständen medikamentös beruhigt werden, und ein neuer Aufwachversuch beginnt.
Man sollte sich aber bewusst werden, dass dieses Verhalten in der Regel kein Zeichen für bösen Willen seitens des Patienten ist.
Was kann ich in der "Aufwachphase" für meinen Angehörigen tun?
Um dem Angehörigen diese Phase möglichst angenehm zu gestalten, bietet es sich daher an, in dieser Zeit beruhigend auf ihn einzureden. Bekannte Stimmen oder Gerüche wirken oftmals beruhigend. Die bloße Präsenz oder das Halten der Hand hat in vielen Fällen ebenfalls eine beruhigende Wirkung.
Wichtig ist, dem Angehörigen das Gefühl zu vermitteln, nicht allein zu sein.
Man gibt mir keine richtige Auskunft, oder informiert mich zu spät über Geschehnisse!
Zunächst sollten Sie überlegen: Bin ich berechtigt, Auskünfte zu bekommen?
Freunde, Nachbarn und ferne Verwandte haben zunächst kein Recht auf Auskunft, Ärzte sind nur gegenüber direkten Angehörigen (Ehepartner, Elternteil, Kinder) auskunftsberechtigt. Das Pflegepersonal darf weder über Diagnosen Auskunft geben, noch Prognosen über den weiteren Verlauf stellen.
Sollte es der Fall sein, dass Sie berechtigt sind, Auskünfte einzuholen, aber dennoch nicht oder nicht ausreichend bzw. zeitnah informiert werden, fordern Sie dies direkt ein. Ansprechpartner sind hier die Ärzte. Erfragen Sie, wann Zeit für ein Gespräch ist, und notieren Sie sich vorher Ihre Fragen, damit Sie nichts vergessen.
Was sollte ich sonst noch wissen?
Bitte bedenken Sie, dass ein langer Aufenthalt auf Intensivstation sowohl die Kraft Ihres Angehörigen, als auch Ihre eigene aufzehrt. Es ist niemandem damit geholfen, wenn Sie unter andauernder Sorge und langen Besuchen selbst krank werden. Versuchen Sie daher, sich regelmäßig eine Auszeit zu gönnen und auch einmal "abzuschalten". Das klingt schwerer als es meistens ist. Sport, ein Besuch im Schwimmbad oder der Therme oder mal ein "Tag für sich" können helfen, wieder zu neuen Kräften zu kommen.
Dieser Artikel wurde erstellt von
der Matze,
Gesundheits- und Krankenpfleger
und