schwere Kognitive Einschränkungen nach OPs

Moderator: DMF-Team

Peterchen
Topicstarter
noch neu hier
Beiträge: 1
Registriert: 10.01.16, 17:22

schwere Kognitive Einschränkungen nach OPs

Beitrag von Peterchen »

Hallo,

ich wende mich, etwas verzweifelt, aber auch mit Hoffnung an die hiesige Community. Vielleicht hat jemand ähnliches erlebt und kann über seine Erfahrungen berichten. Möglicherweise hat auch jemand gute "Tipps" um das Krankheitsbild zu verbessern.

Ich werde nachfolgend probieren den Verlauf so kurz und prägnant wie möglich zu beschreiben. Einige Informationen lasse ich bewusst weg, um evtl. Rückschlüsse zu vermeiden.

Der nahe Angehörige ist 75 Jahre alt und war bisher geistig äußerst Fit, absolut selbstständig/mobil und für sein Alter in einem sehr guten Allgemeinzustand. Dennoch hatte er Leiden wie Übergewicht, Bluthochdruck, Diabetes und mit Gleichgewichtsstörungen eines vergangenen Schlaganfalls zu kämpfen.

Vor 7 Wochen wurde der Betroffene wegen einem akuten Gefäßverschluss im Bein (PAVK) in die Klinik eingeliefert. Am selben Tag habe ich ihn noch besucht, was wohl der letzte Tag war an dem ich den Betroffenen noch als "den Alten" erleben durfte. Schon am nächsten Tag, bei der 2. Angiographie, ist er in ein hyperaktives Delir gefallen, was sich in Agitation äußerte. Anschließend Intensivstation mit dem vollen Programm: tiefe Sedierung, Fixierung, etc.

Nachdem alle Maßnahmen zur Rettung des Beins fehlschlugen, wurde das Bein am 7.(!!!) Tag nach Einlieferung amputiert. Inzwischen war er schon an die Dialyse angeschlossen wegen der fortgeschrittenen Sepsis (Blutvergiftung), des weiteren litt er, wegen der vorausgegangenen Muskelspaltung und der starken Blutung an einer Anämie (Blutarmut), welche erst nach mehreren Stunden "kompensiert" werden konnte.

Nach der Amputation den Beines zog er sich eine Lungenentzündung zu, hatte Pleuraergüsse (Wasser was auf die Lunge drückt). Desweiteren hatte er einen Herzstillstand für 7-8 Minuten, da der Beatmungsschlauch aufgrund von Pressen des Patienten, abgeknickt sei. Durch die sofortigen Reanimationsmaßnahmen schlossen die Ärzte bleibende Schäden nahezu aus. Auch eine kürzlich durchgeführte CT und EEG gaben keine Hinweise auf Hirnschäden.

Seit ca. 2 Wochen, nach einer sehr langen Aufwachphase, ist der Betroffene nun extubiert und "wach". Auch aus medizinischer Sicht sind akut keine größeren Probleme festzustellen.

Leider hat es nicht mehr viel mit dem Menschen zu tun, den man kennt. Er hat zwar einige klare Moment und immer noch seinen alten Humor, aber die meisten Aussagen sind eher wirr. Der Wachheitszustand schwankt den ganzen Tag. Mal ist er gar nicht ansprechbar, manchmal verhältnismäßig klar mit gezielten Fragen und konkreten Antworten auf Fragen. Meist fällt ihm das sprechen sehr schwer. Sein körperlicher Zustand ist extremst schwach, es scheint als hätten sich sämtliche Muskeln abgebaut. Dennoch kann er Arme bereits bewegen und beteiligt sich auch aktiv an leichter Physiotherapie an der Bettkante. Hinzu kommen Schluckstörungen. Er hängt also immer noch an einer Menge Schläuche (Harn, Stuhl, Ernährung, Venenzugang). An dieser Stelle wäre evtl. noch zu erwähnen, dass das alles Dinge sind die Betroffene nie wollte. Allerdings wurde den Generalbevollmächtigten immer vermittelt, er hätte beste Chancen auf eine volle Genesung, weshalb man die ganzen Maßnahmen überhaupt akzeptiert hat.

Nun frage ich mich: Was ist da los? Die Amputation ist völlig in den Hintergrund gerückt. Aktuell geht es nur noch um die Frage ob der Betroffene eine schwerst-Pflegefall bleiben wird. Mir ist klar, dass er eine extrem schwere Zeit hinter sich hat, die der Körper wohl nicht einfach wegsteckt. Aber wenn es keinerlei medizinische Hinweise auf seinen Zustand gibt, was hat er? Ich ging sehr lange von einem immer noch anhaltenden Delir aus, was die Ärzte negierten - das hätte er bereits hinter sich.

Die nächste Station wäre wohl eine neurologische Reha, wo er auch dringend hin sollte (lt. Pflegepersonal), leider ist über die Feiertage nicht viel passiert und ich habe das Gefühl er vegetiert auf der Intensivstation nur vor sich hin. 10 Minuten Physio, 10 Minuten Logopädie, der Rest des Tages besteht aus meinen Besuchen, unterbrochen von CPAP Therapie und schlafen.

Hat jemand ähnliches erlebt, bzw. nützliche Tipps was für Therapiemöglichkeiten (o.ä.) in Frage kommen oder helfen könnten? Wie schätzt Ihr (die Betroffenen) die Genesungschancen ein? Die Ärzte scheinen immer optimistisch, die Pfleger pessimistisch... ich bin hin und her gerissen. Kennt jemand evtl. eine gute Adresse, die genau das richtige für solche Fälle ist (Neurologie und Mobilisation + viel Pflege) Er hat sich die letzten zwei Wochen auf jeden Fall stark verbessert, sowohl kognitiv als auch motorisch, aber jetzt scheint er mir an einem Punkt wo es nicht mehr weiter geht.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch hervorheben, dass ich in sehr engem Kontakt mit den behandelnden Ärzte stehe und im großen und ganzen auch sehr zufrieden bin mit der Behandlung. Dennoch hat sich aus meinen bisherigen Erfahrungen rausgestellt, dass es nicht schadet, sich selbst zu informieren und sich mit Betroffenen auszutauschen.

Bin gespannt, ob jemand ähnliches erlebt oder zu berichten hat. Gerne auch per PN.

Sollte der Thread hier im falschen Unterforum gelandet sein, bitte ich darum diesen entsprechend zu verschieben.

Viele Grüße

Peter
Dr. A. Flaccus
DMF-Moderator
Beiträge: 4444
Registriert: 06.03.05, 08:30
Wohnort: Hildesheim
Kontaktdaten:

Re: schwere Kognitive Einschränkungen nach OPs

Beitrag von Dr. A. Flaccus »

Guten Tag,

der Fall, den Sie hier beschreiben, ist leider nicht selten.

Ob es sich hier um eine dauerhafte Störung handelt, oder nur um eine "postoperative kognitive Dysfunktion" (POCD :arrow: http://www.aerzteblatt.de/archiv/154793 ... ysfunktion ) lässt sich von hier nicht beurteilen.

Auf jeden Fall stellen Alter und die arterielle Verschlußkrankheit (AVK) Risikofaktoren dar. Man muß davon ausgehen, das neben der Durchblutungsstörung im Bein eben auch Engstellen an den hirnversorgenden Gefäßen bestehen. Bei Streß oder wie hier nach einer Reanimation sind daher eher Probleme zu erwarten.

Wichtig ist nun eine gezielte neurologische Therapie, um den kognitiven Weg "ins bewußte Leben" zu ermöglichen. Ob das vollständig gelingt, ist nur schwer zu prognostizieren. 7 Wochen sind bei diesem Verlauf durchaus noch vertretbar, zumal ja ein gewisse Zeit in Sedierung/Narkose verbracht wurde.


Mit freundlichen Grüßen

Dr. A. Flaccus
Dr. A. Flaccus
Facharzt für Anästhesie
- Notfallmedizin -
DMF-Moderator
Antworten Thema auf Facebook veröffentlichen Thema auf Facebook veröffentlichen