Ernährung Sport und Diabetes

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hjt
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Re: Ernährung Sport und Diabetes

Beitrag von hjt »

georgina.hohenlohe@broadview.tv
Moin Georgina,

den Schlüssel zum grundlegenden Missverständnis, auf dem Dein Film aufbaut, findest Du in dem Gesund-Versuch: Die gesunden jungen Männer entwickeln zwar eine Insulinresistenz, bewahren aber ihren gesunden Blutzucker, weil ihr gesunder Pankreas einfach entsprechend mehr Insulin ausgibt. Und wenn der Versuch länger andauerte, würden auch entsprechend mehr Insulin produzierende Beta-Zellen wachsen, wie wir das bei allen gesunden Menschen mit Insulinresistenz beobachten können, die nie Typ2 Diabetes entwickeln.

Zur Entwicklung des Typ2 ist zwingend notwendig, dass dieses Mitwachsen nicht nur nicht stattfindet, sondern dass von den gewachsenen Beta-Zellen immer mehr eingehen. Bei erreichen der Diagnosereife hat ein Typ2 nur noch etwa die Hälfte der Menge an funktionierenden Beta-Zellen, die bei einem gesunden Menschen gleichen Alters und Geschlechts und mit gleichem BMI und gleicher Insulinresistenz beobachtet werden können.
Ob überhaupt und wenn ja, wie viel körperliche Bewegung diesen Typ2-Schwund von Beta-Zellen verlangsamen oder sogar stoppen kann, ist bisher in keiner Weise erklärt worden.

Klar ist seit Jahrzehnten, dass körperliche Bewegung für die Dauer ihres Anhaltens und kürzere Zeiten darüber hinaus ungesund hohen Blutzucker ein Stück weit senkt. Wie viel, kann individuell sehr verschieden sein. Dabei ist egal, ob der zu hohe Blutzucker seinen Grund in Typ1, Typ2, LADA, Mody oder Schwangerschafts-Diabetes hat. Und in Fällen, in denen diese Absenkung dafür ausreicht, den Blutzucker unter die Diabetes-Diagnoseschwelle abzusenken, kann man das als einen Sieg über den Diabetes missverstehen. Und dieses Missverständnis, dem Du mit Deinem Film gewaltigen Vorschub leistest, kann sehr gefährlich zückschlagen. Denn die meisten angehenden Typ2, die auf die dargestellte Weise ihre Nüchtern- und HBA1c-Werte unter die Diagnose-Grenzwerte zu drücken schaffen, entwickeln etwa 1 Stunde nach ihren KH-betonten Mahlzeiten weit höher als gesunde Blutzucker-Spitzen, die vor allem als besonders förderlich für die Ablagerungen an Gefäßwänden und für Netzhautschäden gelten.

In Deinem Film habe ich nicht den kleinsten Hinweis auf diese Gefahr entdecken können. Das ist schade. Denn in einem hat der Film vollkommen recht: Alle Diabetiker können das Ansteigen ihres Blutzuckers z.B. nach dem Essen vieler KHs zu einem guten Teil dadurch verhindern, dass sie sich dann körperlich bewegen. Bei den einen kann das schon allein völlig ausreichen, um einen ungesund hohen Anstieg zu verhindern, und bei anderen muss halt noch die Medikation dazu kommen, die dann eben aber mit der Bewegung deutlich geringer gewählt werden kann, als ohne.
In einem wird der Film allerdings wieder super wirken: er diskriminiert alle Leute, die nicht dem BMI-Ideal entsprechen, und klassifiziert alle Typ2 als angefressen & angesessen :-(

Mit enttäuschten Grüßen, Jürgen
7/24 mit wenigen Ausnahmen zwischen 60 und 140 mg/dl in der Form der blauen Kurve https://www.bloodsugar101.com/what-is-a ... lood-sugar sind für mich optimal. Trotzdem will ich gern respektieren, wenn andere anders für sich entscheiden.
Hans Reuter
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Re: Ernährung Sport und Diabetes

Beitrag von Hans Reuter »

Da beißt keine Maus den Faden ab:

Sport und ausgewogene Ernährung – Input nicht größer als Output- reduzieren das abdominale Übergewicht - BMI > 30 kg/m² und Oberbauchweite bei Männern > 102 und bei Frauen > 88 cm - in aller Regel.

Mit der Reduktion von Körpergewicht und viszeralem Bauchfett steigt die Insulinempfindlichkeit in Leber- und periphären Zellen deutlich und sinkt der Insulinbedarf.

Bei einer relativen Insuffizienz der Insulinsekretion oder einer Störung im Insulin-Sekretionsmuster – neben der Insulinresistenz typische Erscheinungen bei der Entwicklung des Typ2-Diabetes- ist somit Sport und angepasste Ernährung allemal vorteilhaft und kann bei vielen Menschen einen typischen Lifestyldiabetes (Typ2, Altersdiabetes) weit hinausschieben oder gar verhindern.

Nach der Manifestation des Typ2-Diabetes hilft Abnehmen und Bewegung
in hohem Maße in der Behandlung und sollte in der Regel vor der medikamentösen Therapie stehen.

Siehe auch hier:
Diabetes-Schutz : Sport oder Diät ?
http://www.focus.de/gesundheit/ratgeber ... 18844.html
Mit freundlichen Grüßen
Hans Reuter
hjt
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Re: Ernährung Sport und Diabetes

Beitrag von hjt »

Moin Hans,

dass Abnehmen und Bewegen den Blutzucker für einige Zeit unter den Diagnose-Grenzwert für Diabetes schieben können, ist normal und unbestritten.

Aber auch der aktuell gültige Grenzwert (seit dem Ende der 70ger Jahre manifestiert sich der Typ2 mit immer niedrigeren Grenzwerten) liegt noch meilenweit in dem Bereich, in dem der Blutzucker krank macht, so dass mit seinem zeitweisen Unterschreiten bzw. verhinderten Überschreiten nur ein mehr oder weniger marginaler gradueller und nicht nur kein großer, sondern praktisch überhaupt kein qualitativer Gewinn erreicht werden kann.

Darstellungen wie die kritisierte und auch Dein Link suggerieren jedoch qualitativen Gewinn und Schutz vor weiteren Schäden, wo Nerven und Insulin produzierende Beta-Zellen schon mit häufigeren BZs im Bereich der gesunden Obergrenze oder leicht darüber erwiesen Schaden zu nehmen beginnen.

In dem Bereich zwischen gesund und dem aktuellen Diagnose-Grenzwert entwickeln gut 10 von 100 Betroffenen bis zu ihrer Diagnose-Reife wenigstens 1 diabetischen Endpunkt, also 1 voll ausgebildete Folgekrankheit. Wenn umgekehrt ein Medikament pro 10 Behandlungen 1 Endpunkt verhindern würde, würde es weltweit in allen Medien himmelhoch gefeiert. Da der Präventions-Zielbereich aber nur mit dieser Quote krank macht, ist er irgendwie gesund, oder?

Auf einen guten Rest von 2011, Jürgen
7/24 mit wenigen Ausnahmen zwischen 60 und 140 mg/dl in der Form der blauen Kurve https://www.bloodsugar101.com/what-is-a ... lood-sugar sind für mich optimal. Trotzdem will ich gern respektieren, wenn andere anders für sich entscheiden.
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