Hallo!
Ich habe eine ganz grundsätzliche Frage.
Immer wieder habe ich im Internet von Awareness gelesen, also Aufwachen während der Narkose. Ich habe große Angst vor.
Im realen Leben sagen mir alle Leute, sowas kann nicht passieren, weil der Anästhesist überwacht, ob man schläft oder nicht.
Jetzt meine Frage: Woran merkt denn ein Anästhesist, ob die Narkose funktioniert und man wirklich schläft? An Herzschlag und Puls? Erhöht sich dieser, wenn die Narkose nicht mehr tief genug ist?
Ich dachte, man bekommt während der Narkose gleichzeitig auch ein Mittel, das verhindert, dass der Herzschlag sich erhöht?
Woran merkt also ein guter Anästhesist, dass man auch wirklich schläft?
Würde mich über eine Antwort sehr freuen!! Vor allem, da ich große Angst vor dieser Awareness habe...
LG!!! Und Danke dass Sie hier immer so kompetente Antworten geben =)
Woran merkt der Anästhesist, dass man wirklich "schläft"?
Moderator: DMF-Team
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Re: Woran merkt der Anästhesist, dass man wirklich "schläft"
Hallo gleami,
zunächst muss man ersteinmal sagen, dass Narkose und Schlaf kein „ein“ oder „aus“-Zustand ist. Narkosemittel wirken auf das zentrale Nervensystem und machen zum einen eine Bewusstlosigkeit, und zum zweiten eine weitgehende Schmerzfreiheit. Diese Zustände sind aber immer von der Dosis abhängig. Schließlich kann man bei bestimmten Operationen eine künstliche Lähmung der Muskulatur herbeiführen. Dies ist aber in längst nicht allen Fällen erforderlich.
Wenn die Dosierung der einzelnen Mittel zu niedrig gewählt wird, können Wachzustände, Schmerzen oder unerwünschte Anspannung der Muskulatur auftreten. Von letzterem wird der betroffene Patient am wenigsten merken, dafür aber der Operateur umso mehr. Es gibt natürlich auch technische Geräte mit denen man das Ausmaß der Muskellähmung messen kann. Für andere Situationen, in denen keine vollständige Bewusstlosigkeit und/oder keine ausreichende Schmerzminderung vorliegt, gibt es klinische Zeichen, die Hinweise auf eine mangelnde „Narkosetiefe“ sein können. Das sind zum Beispiel die Herzfrequenz, der Blutdruck, Schwitzen aber auch ungerichtete Bewegungen des Patienten, Husten etc. Solche Reaktionen treten in der Regel auf, bevor der Patient ein Wachheitsgrad erreicht, an den er sich hinterher auch erinnern kann. Insofern wird ein aufmerksamer Anästhesist hier reagieren, bevor der Patient wirklich wach wird.
Schwieriger wird es dann, dieses zu erkennen, wenn durch Muskulatur lähmende Medikamente jede Bewegungsmöglichkeit genommen ist. Zudem können Flüssigkeits- und Blutverlust Kreislaufreaktionen wie hohen Blutdruck vermindern. Dann könnte unerwünschte Wachheit vielleicht eher unbemerkt bleiben.
An technischen Möglichkeiten gibt es bestimmte Geräte, die im Grunde Hirnströme ableiten und aus denen man die „Narkosetiefe“ ableiten kann. Das sind aber mit Sicherheit keine Routineverfahren.
Besondere Narkoseverläufe hat man zudem bei einer Vollnarkose, die für einen Kaiserschnitt durchgeführt werden muss. Hier betäubt man zunächst zwei Patienten (Mutter und Kind) von denen die eine (Mutter) möglichst tief schlafen soll, während der zweite (Kind) möglichst unbeeinträchtigt von allen Narkosemitteln zur Welt kommen soll. Diese Schwierigkeit kann dazu führen, dass man die Narkose bis zur Entbindung des Kindes möglicherweise nicht tief genug macht. Aber heute zieht man ohnedies Verfahren der Regionalanästhesie für einen Kaiserschnitt der Vollnarkose vor.
Selbstverständlich ist Wachheit während einer Operation immer unerwünscht und für den betroffenen Patienten ein höchst unangenehmes und belastendes Erlebnis. Man wird alles daran setzen, solche Zustände zu vermeiden. Was in der Presse oder im WWW darüber verbreitet wird, sind ganz gewiss eher seltene Ausnahmen, die dann natürlich auch sehr breit getreten werden.
Ich behaupte nicht, dass Wachheit während der Narkose nicht vorkommt, aber ich denke im Bezug auf die vielen Millionen Narkosen, die in Deutschland durchgeführt werden, ist es immer ein verschwindend geringer Teil. Und Sie können davon ausgehen, dass sich jeder verantwortungsvolle Anästhesist sehr dafür interessiert, wie es seinem Patienten während der Narkose ergeht. Ich glaube daher, dass es keine begründeten Befürchtungen gibt, dass ihn solches während einer Narkose je passieren wird.
Alles Gute wünsche ich Ihnen
MfG W.Gahbler
----------------------
Hinweis unter Bezug auf §7(3) der Berufsordnung für Ärzte:
1. Der voranstehende Beitrag ist eine allgemeine Stellungnahme,
die, ausgehend von Ihrer Anfrage mit größtmöglicher Sorgfalt
verfasst wurde.
2. Bitte wenden Sie Sich unabhängig davon persönlich zur
Beratung, Untersuchung und Behandlung an eine Ärztin oder einen
Arzt Ihres Vertrauens!
_________________
aus der Gemeinschaftspraxis
Dr.W.Gahbler/F.Becker/Dr.K.Sieben/R.Simon/Dr.U.Stosberg-Lindert
http://www.schmerzkreis.net
zunächst muss man ersteinmal sagen, dass Narkose und Schlaf kein „ein“ oder „aus“-Zustand ist. Narkosemittel wirken auf das zentrale Nervensystem und machen zum einen eine Bewusstlosigkeit, und zum zweiten eine weitgehende Schmerzfreiheit. Diese Zustände sind aber immer von der Dosis abhängig. Schließlich kann man bei bestimmten Operationen eine künstliche Lähmung der Muskulatur herbeiführen. Dies ist aber in längst nicht allen Fällen erforderlich.
Wenn die Dosierung der einzelnen Mittel zu niedrig gewählt wird, können Wachzustände, Schmerzen oder unerwünschte Anspannung der Muskulatur auftreten. Von letzterem wird der betroffene Patient am wenigsten merken, dafür aber der Operateur umso mehr. Es gibt natürlich auch technische Geräte mit denen man das Ausmaß der Muskellähmung messen kann. Für andere Situationen, in denen keine vollständige Bewusstlosigkeit und/oder keine ausreichende Schmerzminderung vorliegt, gibt es klinische Zeichen, die Hinweise auf eine mangelnde „Narkosetiefe“ sein können. Das sind zum Beispiel die Herzfrequenz, der Blutdruck, Schwitzen aber auch ungerichtete Bewegungen des Patienten, Husten etc. Solche Reaktionen treten in der Regel auf, bevor der Patient ein Wachheitsgrad erreicht, an den er sich hinterher auch erinnern kann. Insofern wird ein aufmerksamer Anästhesist hier reagieren, bevor der Patient wirklich wach wird.
Schwieriger wird es dann, dieses zu erkennen, wenn durch Muskulatur lähmende Medikamente jede Bewegungsmöglichkeit genommen ist. Zudem können Flüssigkeits- und Blutverlust Kreislaufreaktionen wie hohen Blutdruck vermindern. Dann könnte unerwünschte Wachheit vielleicht eher unbemerkt bleiben.
An technischen Möglichkeiten gibt es bestimmte Geräte, die im Grunde Hirnströme ableiten und aus denen man die „Narkosetiefe“ ableiten kann. Das sind aber mit Sicherheit keine Routineverfahren.
Besondere Narkoseverläufe hat man zudem bei einer Vollnarkose, die für einen Kaiserschnitt durchgeführt werden muss. Hier betäubt man zunächst zwei Patienten (Mutter und Kind) von denen die eine (Mutter) möglichst tief schlafen soll, während der zweite (Kind) möglichst unbeeinträchtigt von allen Narkosemitteln zur Welt kommen soll. Diese Schwierigkeit kann dazu führen, dass man die Narkose bis zur Entbindung des Kindes möglicherweise nicht tief genug macht. Aber heute zieht man ohnedies Verfahren der Regionalanästhesie für einen Kaiserschnitt der Vollnarkose vor.
Selbstverständlich ist Wachheit während einer Operation immer unerwünscht und für den betroffenen Patienten ein höchst unangenehmes und belastendes Erlebnis. Man wird alles daran setzen, solche Zustände zu vermeiden. Was in der Presse oder im WWW darüber verbreitet wird, sind ganz gewiss eher seltene Ausnahmen, die dann natürlich auch sehr breit getreten werden.
Ich behaupte nicht, dass Wachheit während der Narkose nicht vorkommt, aber ich denke im Bezug auf die vielen Millionen Narkosen, die in Deutschland durchgeführt werden, ist es immer ein verschwindend geringer Teil. Und Sie können davon ausgehen, dass sich jeder verantwortungsvolle Anästhesist sehr dafür interessiert, wie es seinem Patienten während der Narkose ergeht. Ich glaube daher, dass es keine begründeten Befürchtungen gibt, dass ihn solches während einer Narkose je passieren wird.
Alles Gute wünsche ich Ihnen
MfG W.Gahbler
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Hinweis unter Bezug auf §7(3) der Berufsordnung für Ärzte:
1. Der voranstehende Beitrag ist eine allgemeine Stellungnahme,
die, ausgehend von Ihrer Anfrage mit größtmöglicher Sorgfalt
verfasst wurde.
2. Bitte wenden Sie Sich unabhängig davon persönlich zur
Beratung, Untersuchung und Behandlung an eine Ärztin oder einen
Arzt Ihres Vertrauens!
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Re: Woran merkt der Anästhesist, dass man wirklich "schläft"
Lieber Herr Gahbler,
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!
Auf jeden Fall ist es schon mal gut zu wissen, dass es viele Anzeichen gibt, die auf unerwünschte Wachheit hindeuten, wenn keine Muskellähmung vorliegt.
Für den Fall, dass eine Muskellähmung notwendig ist, sieht es ja leider schwieriger aus. Dürfte ich hier nochmal etwas genauer nachfragen:
Ist es überhaupt möglich, dass sich bei einer OP mit Muskellähmung die Herzfrequenz/der Puls bei unerwünschter Wachheit erhöhen? Oder ist das Herz ebenfalls so stark von den muskellähmenden Medikamenten betroffen, dass es trotz Wachheit des Patienten nicht schneller schlagen kann?
Ich frage deshalb, weil das Herz ja logischerweise gar nicht von den Medikamenten gelähmt werden darf, sonst würde es ja aufhören zu schlagen...
Irgendwie würde es mich einfach beruhigen, zu wissen, dass trotz Muskellähmung noch Anzeichen vorhanden sind, an denen der Anästhesist eine unerwünschte Wachheit bemerkt.
Leider steht mir nämlich eine OP mit Muskellähmung bevor..
Danke und viele Grüße,
gleami
vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort!
Auf jeden Fall ist es schon mal gut zu wissen, dass es viele Anzeichen gibt, die auf unerwünschte Wachheit hindeuten, wenn keine Muskellähmung vorliegt.
Für den Fall, dass eine Muskellähmung notwendig ist, sieht es ja leider schwieriger aus. Dürfte ich hier nochmal etwas genauer nachfragen:
Ist es überhaupt möglich, dass sich bei einer OP mit Muskellähmung die Herzfrequenz/der Puls bei unerwünschter Wachheit erhöhen? Oder ist das Herz ebenfalls so stark von den muskellähmenden Medikamenten betroffen, dass es trotz Wachheit des Patienten nicht schneller schlagen kann?
Ich frage deshalb, weil das Herz ja logischerweise gar nicht von den Medikamenten gelähmt werden darf, sonst würde es ja aufhören zu schlagen...
Irgendwie würde es mich einfach beruhigen, zu wissen, dass trotz Muskellähmung noch Anzeichen vorhanden sind, an denen der Anästhesist eine unerwünschte Wachheit bemerkt.
Leider steht mir nämlich eine OP mit Muskellähmung bevor..
Danke und viele Grüße,
gleami
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- DMF-Moderator
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Re: Woran merkt der Anästhesist, dass man wirklich "schläft"
Hallo gleami,
seien Sie unbesorgt, die Muskelrelaxantien lähmen den Herzmuskel nicht! Und weder die Herzfrequenz noch andere Zeichen wie Schwitzen, Blutdruckanstieg etc. werden durch diese Medikamente verhindert. Im Übrigen lernt man als Anästhesist während der Ausbildung recht genau, welche Zeichen auf eine zu flache Narkose hinweisen. Wir machen die Narkosen nicht nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Es gibt feste Standards, die man in der Ausbildung lernt und die im Rahmen einer Facharztprüfung auch abgefragt werden.
Nochmals alles Gute
MfG W.Gahbler
----------------------
Hinweis unter Bezug auf §7(3) der Berufsordnung für Ärzte:
1. Der voranstehende Beitrag ist eine allgemeine Stellungnahme,
die, ausgehend von Ihrer Anfrage mit größtmöglicher Sorgfalt
verfasst wurde.
2. Bitte wenden Sie Sich unabhängig davon persönlich zur
Beratung, Untersuchung und Behandlung an eine Ärztin oder einen
Arzt Ihres Vertrauens!
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aus der Gemeinschaftspraxis
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seien Sie unbesorgt, die Muskelrelaxantien lähmen den Herzmuskel nicht! Und weder die Herzfrequenz noch andere Zeichen wie Schwitzen, Blutdruckanstieg etc. werden durch diese Medikamente verhindert. Im Übrigen lernt man als Anästhesist während der Ausbildung recht genau, welche Zeichen auf eine zu flache Narkose hinweisen. Wir machen die Narkosen nicht nach dem Prinzip Versuch und Irrtum. Es gibt feste Standards, die man in der Ausbildung lernt und die im Rahmen einer Facharztprüfung auch abgefragt werden.
Nochmals alles Gute
MfG W.Gahbler
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Hinweis unter Bezug auf §7(3) der Berufsordnung für Ärzte:
1. Der voranstehende Beitrag ist eine allgemeine Stellungnahme,
die, ausgehend von Ihrer Anfrage mit größtmöglicher Sorgfalt
verfasst wurde.
2. Bitte wenden Sie Sich unabhängig davon persönlich zur
Beratung, Untersuchung und Behandlung an eine Ärztin oder einen
Arzt Ihres Vertrauens!
_________________
aus der Gemeinschaftspraxis
Dr.W.Gahbler/F.Becker/Dr.K.Sieben/R.Simon/Dr.U.Stosberg-Lindert
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Re: Woran merkt der Anästhesist, dass man wirklich "schläft"
Lieber Herr Gahbler,
vielen vielen Dank, Sie haben mich sehr beruhigt!
Jetzt werde ich zuversichtlich in die OP gehen.
Leider liest man im Internet viele schlimme Geschichten, und die Studien zu dem Thema widersprechen sich! Von 2:100 bis 1:8000 sind alle Zahlen zum Thema Awareness im Internet zu finden, da weiß man gar nicht mehr was man glauben kann. Außerdem ist ja immer noch die Frage, wie "wach" die Patienten bei diesen Studien wirklich waren, in welcher Phase der Narkose das passiert ist etc...
Im Endeffekt vertraue ich da lieber auf das, was Experten wie Sie sagen, als auf irgendwelche Online-Artikel und Studien.
Also nochmal: DANKE!
Viele Grüße
gleami
vielen vielen Dank, Sie haben mich sehr beruhigt!
Jetzt werde ich zuversichtlich in die OP gehen.
Leider liest man im Internet viele schlimme Geschichten, und die Studien zu dem Thema widersprechen sich! Von 2:100 bis 1:8000 sind alle Zahlen zum Thema Awareness im Internet zu finden, da weiß man gar nicht mehr was man glauben kann. Außerdem ist ja immer noch die Frage, wie "wach" die Patienten bei diesen Studien wirklich waren, in welcher Phase der Narkose das passiert ist etc...
Im Endeffekt vertraue ich da lieber auf das, was Experten wie Sie sagen, als auf irgendwelche Online-Artikel und Studien.
Also nochmal: DANKE!
Viele Grüße
gleami
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